Frankfurter Allgemeine Zeitung - 07.10.2019

(Dana P.) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Unternehmen MONTAG, 7. OKTOBER 2019·NR. 232·SEITE 19


MORGEN IN

TECHNIK UND MOTOR

Kostenloses Probeabo
,www.faz.net/probeabo

Strom selbstgemacht
Die ersten Eisenbahnen mit
Brennstoffzelle

TWISTETAL/FRANKFURT, 6. Okto-
ber (F.A.Z./dpa-AFX). Nach zwei Todes-
und mehreren Krankheitsfällen durch
keimbelastete Wurst sieht sich der Her-
steller Wilke Waldecker Fleisch- und
Wurstwaren mit neuen Vorwürfen kon-
frontiert. Frühere Mitarbeiter berichten
laut Medien von mangelnder Hygiene:
Gammeliges Fleisch sei direkt neben fri-
schen Würsten gelagert worden, zudem
sei ohne Mundschutz gearbeitet worden,
berichtet die Waldeckische Landeszei-
tung und beruft sich dabei auf ehemalige
Mitarbeiter. Die „Bild am Sonntag“ zitiert
einen früheren Abteilungsleiter, der 2018
gekündigt hat und nun starke Vorwürfe er-
hebt: Verschimmelte Würste seien „in
Scheiben geschnitten und verkauft“ wor-
den. Er habe zudem Mäusekot im Produk-
tionsbereich gefunden. Verbraucherschüt-
zer mahnten am Wochenende, dass trotz
Rückrufs weiterhin belastete Ware zum
Verzehr kommen könnte. Die Organisa-
tion Foodwatch erhöhte am Wochenende
den Druck auf die Behörden. Sie warf
dem zuständigen Landkreis und dem Re-
gierungspräsidium katastrophales Krisen-
management vor. Am Sonntag legte Food-
watch mit der ultimativen Aufforderung
nach, die zuständigen Behörden in Hes-
sen müssten alle belieferten Betriebe ver-
öffentlichen. „Es kann ja nicht sein, dass
es eine Liste gibt, diese aber nicht veröf-
fentlicht wird“, sagte ein Sprecher am
Sonntag. Mit einem Eilantrag vom Sonn-
tag an den Landkreis Waldeck-Franken-
berg, das Regierungspräsidium Darm-
stadt und das hessische Verbraucher-
schutzministerium will Foodwatch eine
Offenlegung binnen 48 Stunden errei-
chen. Verstreiche diese Frist, wolle man
die Veröffentlichung über ein Gericht
durchsetzen.
Die Organisation sieht Gefahr im Ver-
zug. Es sei als äußerst wahrscheinlich zu
betrachten, „dass sich vom Rückruf betrof-
fene Produkte der Firma Wilke noch im
Umlauf“ befänden, heißt es in dem An-
trag. In den Produkten des Herstellers
Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwa-
ren GmbH & Co. KG aus Twistetal waren
mehrfach Listerienkeime nachgewiesen
worden. Die Verbraucherorganisation be-
zeichnete das Krisenmanagement des
Landkreises und des Regierungspräsidi-
ums als katastrophal. Hessens Umweltmi-
nisterin Priska Hinz (Grüne) müsse des-

halb den Fall an sich ziehen. Es wird da-
mit gerechnet, dass sich das Wiesbadener
Ministerium Anfang der neuen Woche zu
dem Fall und der Kritik äußern wird. Den
Behörden zufolge gibt es mittlerweile 37
Krankheitsfälle, die möglicherweise mit
Wurstwaren der Firma im Zusammen-
hang stehen. In Südhessen hatte es zwei
Todesfälle bei älteren Personen gegeben,
die das Robert-Koch-Institut (RKI) unter-
sucht hatte.
Die Produktion wurde inzwischen ge-
stoppt und der Rückruf aller Produkte
weltweit angeordnet. Entgegen der An-
nahme der Behörden verkaufte Wilke
auch unter fremdem Namen. Der Herstel-
ler war schon länger im Fokus, bereits im
März soll es einen bestätigten Listerien-
fund gegeben haben. Das Unternehmen
hat nun die Eröffnung eines vorläufigen
Insolvenzverfahrens beantragt. Nach An-
gaben des Landkreises Waldeck-Franken-
berg hat die Firma mittlerweile der
Schnellwarnstelle beim Regierungspräsi-
dium Darmstadt eine Liste der beliefer-
ten Betriebe zur Verfügung gestellt. Diese
sei europaweit an alle Veterinär- und Le-
bensmittelüberwachungsbehörden ver-
teilt worden, heißt es auf der Website des
Landkreises. Weitere Details zu der Liste
gab es nicht. Der Landrat des Kreises
Waldeck-Frankenberg, Reinhard Kubat,
versicherte, alles für die Aufklärung des
Falls zu tun. „Wir bedauern die Vorfälle
außerordentlich“, erklärte der SPD-Politi-
ker. Wegen des Feiertags am Donnerstag
hatten die Behörden teilweise Schwierig-
keiten, die betroffenen Händler zu errei-
chen. In Köln zum Beispiel erreichte die
Stadt erst am Freitag alle betroffenen
Großhändler – drei Tage nach der Schlie-
ßung des nordhessischen Betriebs. „We-
gen des Feiertags wurden vom Verbrau-
cherschutzamt nicht alle Großhändler un-
mittelbar erreicht“, teilte die Stadt Köln
mit. Die Pflicht, über einen Produktrück-
ruf zu informieren, liege aber auch in ers-
ter Linie bei den Groß- und Zwischen-
händlern selbst, erläuterte ein Sprecher
des Nordrhein-Westfälischen Landesam-
tes für Natur, Umwelt und Verbraucher-
schutz (Lanuv) am Samstag. Aufgabe der
Ämter sei es lediglich, zu kontrollieren,
ob dieses System auch funktioniert. Am
Freitag hatte bereits die Kölner Uniklinik
Fehler nach dem Rückruf eingeräumt. Ei-
nige Reha-Patienten hätten trotz des
Rückrufs Wilke-Wurstwaren bekommen.

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STUTTGART, 6. Oktober (dpa). Ein wei-
teres Dieselfahrzeug von Daimler steht
nach einem Bericht der „Bild am Sonn-
tag“ im Verdacht, mit illegaler Abgastech-
nik zu fahren. Betroffen sind demzufolge
260 000 Transporter des Modells Sprinter
in Europa, davon 100 000 in Deutschland.
Die Wagen mit der Abgasnorm Euro 5,
die bis 2016 hergestellt wurden, sollen
nach einem Schreiben des Kraftfahrt-Bun-
desamtes (KBA) an Daimler vom 25. Sep-
tember eine „unzulässige Abschaltvorrich-
tung“ verwenden, wie die Zeitung am Wo-
chenende berichtete.
Ein Konzernsprecher in Stuttgart bestä-
tigte am Sonntag auf Anfrage, dass das
KBA in dieser Sache ein Anhörungsverfah-
ren eröffnet habe. Es gehe um 260 000
Fahrzeuge von Varianten des Vorgänger-
modells des aktuellen Sprinters. Daimler
habe die Funktionsweise der Abgasreini-
gung dem KBA bereits im Mai 2018 vorge-
stellt „und sie anschließend seit Sommer
2018 in weiteren Besprechungen einge-
hend erläutert“, stellte der Sprecher fest.
Das KBA hatte im Juni für rund 60 000 Die-
sel-Geländewagen vom Typ Mercedes-
Benz GLK 220 einen Pflichtrückruf mit So-
fortvollzug angeordnet. Daimler legte Wi-
derspruch gegen die Anordnung ein, „um
Klarheit in einer komplexen Sache zu erlan-
gen“, wie der Konzernsprecher am Sonn-
tag hinzufügte. Nach Daimlers Auffassung

ist die beanstandete Funktionsweise zuläs-
sig. Es handele sich um keinen neuen oder
überraschenden Fund. Im Zusammenhang
mit der Anordnung zum GLK habe Daim-
ler „bereits darüber informiert, dass die be-
anstandete Funktionalität in verschiede-
nen Baureihen enthalten ist und eine Prü-
fung angekündigt“, so der Sprecher. Für
die fraglichen Sprinter sei „diese Prüfung
abgeschlossen, und das KBA hat nach eige-
nen Messungen nun auch ein Anhörungs-
verfahren eröffnet“, hieß es.
Nach dem Bericht von „Bild am Sonn-
tag“ beanstandet das KBA in seinem
Schreiben an Daimler eine Computer-
funktion für die Steuerung des Sprinter-
Motors OM 651. Sie sorge dafür, dass der
Grenzwert für Stickoxide von 180 Milli-
gramm pro Kilometer nur beim gesetzli-
chen Prüfzyklus eingehalten werde, aber
nicht im täglichen Betrieb.
Im Zuge des Diesel-Skandals hatte die
Staatsanwaltschaft Stuttgart im Septem-
ber gegen Daimler ein Bußgeld in Höhe
von 870 Millionen Euro verhängt. Grund
war eine fahrlässige Verletzung der Auf-
sichtspflicht in einer mit der Fahrzeugzer-
tifizierung befassten Abteilung. Diese
führte nach Feststellung der Staatsanwalt-
schaft dazu, dass die Dieselfahrzeuge Ge-
nehmigungen erhielten, obwohl der Aus-
stoß von Stickoxiden bei den Autos teil-
weise nicht den Vorschriften entsprach.

kön.MÜNCHEN, 6. Oktober. Der öster-
reichische Sensorhersteller AMS wird
zum einflussreichsten und bestimmen-
den Großaktionär von Osram, obwohl er
mit seiner Übernahmeofferte am Freitag-
abend gescheitert ist. Dementsprechend
entschlossen zeigte sich das Unterneh-
men aus der Steiermark mit neuen Plä-
nen, das durch direkte Käufe von Osram-
Aktien mit einem Anteil von 19,99 Pro-
zent größter Anteilseigner geworden ist.
AMS prüfe strategische Optionen, um
die Akquisition von Osram auf Basis sei-
ner Aktionärsposition zu verfolgen, kün-
digte der Vorstandsvorsitzende Alex-
ander Everke an.
Mit der Aussage kommen auf Osram
und dessen Management unter Olaf Ber-
lien Zeiten zu, die nicht minder unbe-
quem sein werden als in den vergange-
nen Monaten. Die Ansage von Everke ist
unmissverständlich: „Im Dialog mit Os-
ram wollen wir auf unserer Stellung als
größter Aktionär aufbauen, um weiter
den vollen Erwerb zu verfolgen und so
eine solide Zukunft für das Unterneh-
men zu sichern.“ Er halte die Kombinati-
on unverändert für strategisch überzeu-
gend, da sie die Schaffung eines weltweit
führenden Anbieters von Sensoriklösun-
gen und Photonik ermögliche.
Wie in einem Teil der Samstagausgabe
berichtet, haben die Österreicher das am
vergangenen Dienstag ausgelaufene
Übernahmeangebot nicht erfolgreich ab-
geschlossen. Die Mindestannahmequo-
te, die von 70 auf 62,5 Prozent gesenkt
worden war, wurde mit 51.6 Prozent –
einschließlich der gehaltenen knapp 20
Prozent – weit verfehlt. Dabei wurde der
Angebotspreis noch fünf Tage vor Fris-
tende von 38,50 auf 41 Euro erhöht, wo-
mit sich der Erwerb des M-Dax-Unter-
nehmens von 3,7 auf 4 Milliarden Euro
verteuert hätte.
Osram bleibt so vorerst ein Ende als
börsennotiertes Unternehmen erspart.
Ziel von AMS war es gewesen, das
Münchner Unternehmen möglichst
schnell aus dem Börsenhandel zu neh-
men und voll zu integrieren. „Nach dem
Scheitern der bisherigen Übernahmever-
suche behalten wir jetzt unsere Eigen-
ständigkeit und gestalten unsere Zukunft
selbst“, sagte als Reaktion Osrams Vor-
standsvorsitzender Berlien am Freitag-
abend. Doch er musste konzedieren:
„Mit AMS hat Osram nun einen neuen
Ankerinvestor.“
Daher lade das Management deren
Führung zu Gesprächen darüber ein, wie
eine sinnvolle und für beide Unterneh-
men vorteilhafte Kooperation im Rah-
men der gesetzlichen Vorgaben aussehen
könne. Die Atmosphäre für derlei Ver-
handlungen dürfte jedoch angespannt
sein und Lösungen schwermachen. Ber-
lien hat nie einen Hehl aus seiner Abnei-
gung gegenüber AMS gemacht. Er jeden-
falls hatte seine Aktien ebenso wenig
den Österreichern angedient wie der Auf-
sichtsratsvorsitzende und frühere Infine-
on-Chef Peter Bauer. Trotz der Wider-
stände mussten die Osram-Gremien we-
gen der unterbreiteten Bedingungen die
Annahme empfehlen.
Die Rahmenbedingungen werden sich
nun für Berlien maßgeblich ändern. Denn
AMS-Chef Everke, der einmal Manager
in der Siemens-Halbleitersparte und der


Nachfolgerin Infineon war, hat keinen
Zweifel gelassen, die Macht bei Osram –
Mitte 2013 von Siemens an die Börse ge-
bracht – übernehmen zu wollen. Schon
mit der jetzigen Beteiligung dürfte das Un-
ternehmen aus Premstätten bei Graz Ein-
flussnahme und Mitsprache beanspru-
chen, etwa über den Einzug in den Auf-
sichtsrat. „Wir kriegen sie“, sagte Everke
Mitte September. Das bezog er damals
auf die – nun verfehlte – Annahmeschwel-
le von 62,5 Prozent; allerdings bekommt
diese Aussage eine andere Bedeutung.
AMS kann mit weiteren Käufen von
Osram-Aktien seine Position und damit
Stärke ausbauen und hiermit womöglich
schon diesen Montag beginnen. Denn an-
zunehmen ist, dass der Aktienkurs nach
dem Scheitern der Übernahme zumin-
dest vorübergehend sinken wird. So
käme AMS immerhin günstiger an die Ti-
tel heran als in der vergangenen Woche,
als das Unternehmen unter anderem von
Hedgefonds Pakete zu 41 Euro je Aktie
erworben hat.
Ein Aufbau auf bis zu 30 Prozent ist
möglich: Dann würde die Abgabe eines
Pflichtangebotes an den Streubesitz not-
wendig werden. In Anbetracht der breit
angelegten Aktionärsstruktur reichen
29,99 Prozent jedoch aus, um zügig ei-
nen machtvollen Einfluss zu erhalten.
Diese Konstellation hat für die Österrei-
cher durchaus Charme. Das Paket von 20
Prozent dürfte schätzungsweise 800 Mil-
lionen Euro gekostet haben. Der Auf-
wand ist zumindest machbarer als ein Ge-
samtkaufpreis von 4 Milliarden Euro und
eine notwendige Brückenfinanzierung

von 4,5 Milliarden Euro, die das Unter-
nehmen in eine viel zu hohe Verschul-
dung getrieben hätte. Das absolute Sa-
gen gibt es zwar dafür nicht mehr, aber ei-
nen bedeutsamen Einfluss. Und Stress
mit der Integration von Osram in die
AMS wird vermieden. Viele Beobachter
zweifelten an der Fähigkeit: AMS ist mit
1,6 Milliarden Euro Umsatz deutlich klei-
ner als das deutsche Übernahmeziel mit
4 Milliarden Euro.
AMS könnte auf Bereinigungen und
Fokussierung auf bestimmte Geschäfte
hinwirken und Osram trimmen. Ob das
tatsächlich ein Verkauf des digitalen Ge-
schäftes sein könnte, wie in der ursprüng-
lichen Version der Übernahmeofferte an-
gedacht, ist fraglich. Die vermeintliche
„Perle“ mit Zukunftspotential ist alles an-
dere als glänzend angesichts hoher Ver-
luste und Mittelabflüsse (negativer Cash
Flow) mit schätzungsweise hoch zwei-
bis niedrig dreistelligen Millionenbeträ-
gen. Sie dürfte sich nur schwer an Interes-
senten verkaufen lassen.
Brennender wird die Frage nach der Zu-
kunft des neuen Produktionswerkes im
malaysischen Kulim sein. Mit der von Ber-
lien im November 2015 verkündeten, un-
ter Aktionären und Analysten höchst um-
strittenen Strategie wurde dort eine Mas-
senproduktion für LED-Chips aufgebaut.
Sie hat mit ihrer schlechten Auslastung
die Krise heraufbeschworen, noch bevor
sich die verschlechterten Geschäfte in der
Auto- und Elektronikindustrie auswirk-
ten und sich die Situation zugespitzt hat.
Schätzungen zufolge soll Kulim seit lan-
gem hohe operative Verluste einbringen.

Die schwache Umsatz- und Ertragsent-
wicklung im wichtigsten Geschäft mit
der Autoindustrie löste die Misere mit
mehrfachen Prognosekorrekturen nach
unten und dem Abrutschen in die Verlust-
zone aus. AMS könnte Druck ausüben,
für Kulim eine Lösung zu finden. In dem
Übernahmeplan wollte sie das eigentlich
durch Zusatzgeschäfte und Verlagerung
eigener Produktion dorthin erreichen.
Eine Unsicherheit gibt es allerdings
noch. Die amerikanischen Finanzinvesto-
ren Bain Capital und Advent haben ihrer-
seits eine neue Offerte an die Osram-Ak-
tionäre in Aussicht gestellt. Sie nehmen
gerade Einsicht in die Bücher des Licht-
technikkonzerns (Due Diligence) und
prüfen noch die Abgabe eines Angebo-
tes, das wegen der notwendigen Prüfung
durch die Finanzaufsicht Bafin nicht
rechtzeitig während des Bieterprozesses
von AMS gestartet werden konnte. Die
Finanzinvestoren hatten einen deutlich
höheren Preis angekündigt, damals aller-
dings noch mit Bezug auf den alten von
AMS gebotenen Wert von 38,50 Euro.
Die Erfolgschancen haben sich durch die
erlangte Machtposition von AMS deut-
lich verschlechtert.
Bain Capital hatte zunächst mit der
Carlyle Group den Angebotsreigen eröff-
net und 35 Euro (Gesamtpreis: 3,4 Milliar-
den Euro) unterbreitet. Dann ist Carlyle
aus dem Bieterrennen mit AMS ausgestie-
gen, weil es den Preis bereits für ausge-
reizt gehalten hat. Es waren die beiden Fi-
nanzinvestoren, die Anfang des Jahres Os-
ram offiziell zum Übernahmekandidaten
erklärt hatten und dem gebeutelten Ak-
tienkurs wieder Leben einhauchten.

Reife Äpfel
iPhone 11 Pro und Apple Watch
Series 5 im Test

Vorwürfe gegen Wurstfabrik Wilke


Ehemalige Mitarbeiter klagen über mangelnde Hygiene


ela.BUDAPEST, 6. Oktober. Autotest-
strecken leisten sich in Europa nur weni-
ge Länder. Künftig gehört Ungarn als Pio-
nier der Region dazu. Das kleine mittel-
europäische Land wird neben dem Hun-
garoring einen Parcours haben, auf dem
die Mobilität der Zukunft geprüft wer-
den kann. Nahe dem westungarischen Za-
laegerszeg entsteht auf einer Fläche von
265 Hektar ein Testgelände für autonom
fahrende Autos unter dem Namen Zala-
Zone. Im Unterschied zu anderen Test-
strecken wird hier auch dem autonomen
Fahren viel Platz eingeräumt. Dies ist
aus Sicht des Managers der staatlichen
Projektgesellschaft, András Háry, eine
wichtige Besonderheit.
Herzstück ist die Testbahn selbst mit
ihrer nachgebauten Kleinstadt, der soge-
nannten „Smart City Zone“ mit allen
stadttypischen Elementen wie Bushalte-
stellen, Kreisverkehren, Ampeln und Ge-
bäudefassaden. Doch die Tests werden
nicht nur hier ausgeführt, sondern bezie-
hen auch Zalaegerszeg mit ein. Neben
dem eigentlichen Parcours wurden auch
Autobahnanbindungen erbaut, auf de-
nen ebenfalls unterschiedliche Versuche
durchgeführt werden. Die potentielle
weitere Strecke zieht sich dann von Za-
laegerszeg über Budapest, Győr, Szomba-
thely und endet wieder am Ausgangs-
punkt. Sollte jemand die Autos auf inter-
nationaler Ebene testen wollen, ist auch
dies möglich, so etwa auf der Autobahn
von Zalaegerszeg über Graz bis ins slowe-
nische Maribor.
Ziel der Anlage ist die Schaffung einer
komplexen und einzigartigen Testumge-
bung für die vollständige Prüfung selbst-
fahrender und elektrisch angetriebener
Fahrzeuge. Nicht nur die Fahrzeugindus-


trie soll nach den Vorstellungen der Un-
garn davon profitieren. Auch Entwick-
lungen der Telekommunikation und der
Infrastruktur lassen sich dort erproben.
Ein wichtiger Aspekt ist die Entwicklung
von verschiedenen Forschungslaboren.
Zukünftig soll auf den Teststrecken auch
ein IT-Netzwerk entwickelt werden, das
Mobilfunk auf 5G-Niveau anbietet.
Schlussendlich tragen solche Teststre-
cken zur Verbesserung der Fahrzeugsi-
cherheit bei. Zudem könnten die For-
schung und die Entwicklungstests mit da-
bei helfen, dass es zukünftig weniger
Staus gibt und somit die Menschen ra-
scher und bequemer ihr Ziel erreichen.
Die Zala-Zone soll voraussichtlich bis
Ende 2022 fertiggestellt werden. Nicht
zuletzt dieses gigantische Projekt, an
dem sich nach Vorstellungen der Regie-
rung private Investoren beteiligen wer-
den, macht den Standort zukunftsfit.
„Ungarn ist eine Nasenlänge voraus“,
sagt Dietmar Voggenreiter, Berater des
Münchener Dienstleisters Horváth und
Partner. Diese Infrastruktur mitsamt der
Zala-Zone wird seiner Einschätzung
nach andere Unternehmen anziehen,
weil sie Testmöglichkeiten haben. „Zala-
Zone ist ein Meilenstein. Das scheint mir
einzigartig.“ Ungarn ist an vorderster
Front für intelligente Mobilität. Ungarn
hat als Erster der Region ein Konzept für
E-Mobilität eingeführt, in dessen Rah-
men direkte und indirekte Anreize zur
Förderung der E-Mobilität geschaffen
und mehr Ladestationen bereitgestellt
wurden. Zudem wird Ungarn zum größ-
ten Traktionsbatterie-Hersteller Euro-
pas. Schon lange ist Ungarn nicht mehr
verlängerte Werkbank, wie das nach dem
Zusammenbruch des Kommunismus häu-

fig in Osteuropa für westeuropäische In-
vestoren der Fall war, sondern ein bedeu-
tender Entwicklungsstandort. Als Werk-
bank wäre es nicht mehr geeignet, weil
Vollbeschäftigung herrscht, was die Ar-
beitskräfte in den zurückliegenden Jah-
ren rasant verteuert hat. Trotzdem betra-
gen die Löhne ein Drittel, gemessen am
westeuropäischen Niveau. Nicht zuletzt
deswegen ist Ungarn interessant für die
internationale Autoindustrie. Auch
BMW, Opel und Mercedes-Benz haben
Standorte. Neben den geringen Arbeits-
kosten punktet der Standort mit gut aus-
gebildeten Arbeitskräften und schwa-
chen Gewerkschaften. Bei einer Investiti-
onsentscheidung spielen diese Aspekte
ebenso eine Rolle wie großzügig gewähr-
te Subventionen, die in Zukunft nicht
mehr an die Schaffung neuer Arbeitsplät-
ze gebunden sind. Ebenso sind Steuerer-
mäßigungen und ein dichtes Zulieferer-
netz ein Vorteil.
Weitere wichtige Standortfaktoren
sind seine geographische Lage, die gute
Infrastruktur und das Autobahnnetz. An-
ders als in einem großen Land gibt es in
einem kleinen Land leichter einen direk-
ten Kontakt zur Regierung, finden Inves-
toren. Voggenreiter prognostiziert, dass
sich Ungarn als Standort erhalten wird,
weil sich die Branche den großen Trends


  • autonomes Fahren und Elektrifizie-
    rung – rechtzeitig stellt. In gut einem
    Jahrzehnt werden 15 Prozent der Auto-
    fahrer ihr Mobil ersetzen und dafür Mobi-
    litätsdienstleistungen nutzen. Dann dürf-
    te auch gut ein Drittel der Neufahrzeuge
    elektrifiziert sein. Das neue Förderre-
    gime sei der richtige Ansatz angesichts
    von Vollbeschäftigung.
    In Győr, nahe der Grenze zu Öster-
    reich, betreibt Audi eines der weltgröß-


ten Motorenwerke und stellt dort Erd-
gas- und E-Motoren her. Thoralf Han-
schel, Vorstand der Produktion Antrie-
be von Audi Hungaria: „Wir haben hier
Zukunft dank unserer Vorbereitung auf
die künftigen Trends.“ Seit Jahren arbei-
ten in Győr Elektrospezialisten am elek-
trischen Antrieb. Seit 2018 werden im
Werk Elektromotoren für die Marke
Audi – Audi e-tron – in Serie produ-
ziert. Audi ist schon lange in Ungarn tä-
tig und einer der größten Arbeitgeber
der Region wie auch einer der größten
Investoren. Bald nach der Wende als
Tochtergesellschaft der Audi AG ge-
gründet, produziert sie Motoren für
Audi und andere Marken des Volkswa-
gen-Konzerns. Im Automobilwerk fin-
det der komplette Fertigungsprozess
statt.
Lukas Juranek, Betriebsleiter von
Continental PowertrainHungary, bestä-
tigt die Einschätzung: „Ungarn schlägt
sich gut – auch im Vergleich mit ande-
ren Standorten der Region.“ Er spricht
auch die schnelle Entscheidungsfin-
dung der zuständigen Behörden für In-
vestitionen an. Ungarn ist für Continen-
tal ein Fokusland: „Wir machen hier al-
les von Gummi bis zum Antrieb.“ Quali-
fizierte Arbeitskräfte und Infrastruktur
sind für den Zulieferkonzern wichtig.
Continental betreibt in Budapest auch
ein Zentrum für Künstliche Intelligenz.
Mehr als 8000 Mitarbeiter werden in Un-
garn beschäftigt. Nur die Hälfte davon
ist mit einfachen Tätigkeiten beschäf-
tigt. Seit 2010 wurde eine halbe Milliar-
de Euro investiert. Auch Daniel Ko-
rioth, Sprecher der Bosch-Gruppe in Un-
garn, lobt den Standort wegen seiner
Verlässlichkeit und vorhersehbaren Ent-
scheidungen.

Osram-Chef Olaf Berlien Foto Andreas Müller

F.A.Z.FRANKFURT, 6. Oktober.Der
Elektrotransporter Streetscooter reißt tie-
fe Löcher in die Bilanz der Deutschen
Post. Nach 70 Millionen Euro Verlust im
abgelaufenen Jahr, werde auch dieses
Jahr „ein signifikanter zweistelliger Mil-
lionenbetrag“ als Defizit anfallen, sagte
Konzernchef Frank Appel der „Frankfur-
ter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Er
spreche deshalb mit „potentiellen Part-
nern und mit Kaufinteressenten“. Wört-
lich sagte Appel: „Wir sind langfristig al-
lein nicht der beste Eigentümer für den
Streetscooter. Unsere Investoren wollen
ein Logistikunternehmen, keinen Auto-
konzern.“ Von Anfang an sei klar gewe-
sen, dass die Post kein Autohersteller
werden wolle. Die Post will in dieser Wo-
che eine neue Fahrzeuggeneration des
Lieferwagens vorstellen. Bislang wurden
rund 12 000 Stück gebaut. Die Post hatte
das Start-up Streetscooter, eine Ausgrün-
dung aus der RWTH Aachen, im Jahr
2014 komplett übernommen. Gemein-
sam wurde ein alltagstaugliches elektri-
sches Zustellfahrzeug entwickelt. Die
Post ist dabei immer noch selbst ihr größ-
ter Kunde. Der E-Transporter, der zwi-
schen 30 000 und 45 000 Euro kostet,
wird aber auch an externe Abnehmer ver-
kauft.

Platz da
Opel Zafira in vielen Versionen und
mit Raum für acht

Aufsicht prüft Daimler-Transporter


wegen Manipulationsverdacht


Unternehmen hält technische Funktion für zulässig


Deutsche Autohersteller machen sich in Ungarn fit


Land hat sich von Werkbank zum Entwicklungsstandort gewandelt / Industrie lobt Zuverlässigkeit


Kernaktionär AMS wird für Osram unbequem


Streetscooter verursacht


Millionenverlust für Post


Die Österreicher haben die


Übernahmeofferte verloren.


Doch sie haben sich Einfluss


gesichert und verfolgen ihr


Ziel eines Vollerwerbs weiter.


Jute statt Plastik
Naturdämmung zwischen Dachsparren
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