42 KULTUR WELT AM SONNTAG NR.40 6.OKTOBER2019
Film ab.
Donnerstags in der WELT.
IM KINO
Berlin CinemaxX Potsdamer
Platz, Cinemotion,
CineStar Cubix
Filmpalast, CineStar,
Sony Center (OV),
UCI Luxe Kinowelt
Mercedes Platz,
Wildau: CineStar
Bielefeld CineStar
Bocholt Kinodrom
Bochum UCI Kinowelt,
Union Kino
Bremen CinemaxX, Cinespace
Chemnitz CineStar
Am Roten Turm
Cottbus UCI Kinowelt
Am Lausitz Park
Darmstadt Helia
Dortmund CineStar
Düsseldorf CineStar
Essen CinemaxX
Esslingen Traumpalast
Frankfurt/MainCineStar Metropolis,
Kinopolis
Fulda CineStar
Göttingen CinemaxX
Günthersdorf UCI Kinowelt
Nova Eventis
Halle/Saale CinemaxX
Hamburg UCI Wandsbek
Hannover CinemaxX Raschplatz
Heidelberg Luxor Filmpalast
Hürth UCI Kinowelt
Hürth Park
Kassel CineStar
Kiel CinemaxX
Koblenz Kinopolis
Köln Cinenova
Leipzig Cineplex
Mainz CineStar
Mannheim CinemaxX (+OV)
München Mathäser
Neu-Ulm Dietrich Theater
Nürnberg Cinecitta
Oberhausen Multiplex Cinemas
Passau Cineplex
Saarbrücken CineStar
Waiblingen Traumpalast
ENZO UND DIE WUNDERSAME WELT DER MENSCHEN
| ab 2. Oktober in diesen Kinos
JETZT IM KINO
VOM STUDIO VON „MARLEY & ICH“
EIN HUND ZEIGT DER WELT, WAS ES HEISST, MENSCHLICH ZU SEIN.
IM VERLEIH VON BUENA VISTA INTERNA© 2019 TWENTIETH CENTURALLE RECHTE VORBEHALTIONAL.Y FOX.TEN.
„Zauberhaft, tiefgründig und so süß!“–Bild der Frau
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eit einigen Monaten taucht neben „Fridays
for Future“ immer häufiger der Name ei-
ner anderen Bewegung auf. „Extinction Re-
bellion“, frei übersetzt so viel wie „Rebelli-
on gegen das Aussterben“, ist eine interna-
tionale Gruppierung, die sich seit Ende 2018 im Zuge
der Klimaproteste entwickelt hat, aber mit wesentlich
drastischeren Mitteln vorgeht als die Schüler, die frei-
tags die Schule schwänzen: Straßenblockaden, Brü-
ckenblockaden, Provokation von Verhaftungen.
VON HANNAH LÜHMANN
Gerade postete Roger Hallam, einer der Gründer
der Bewegung: „Wenn eine Gesellschaft so unmora-
lisch handelt, wird Demokratie irrelevant.“ In den Me-
dien hat berechtigterweise längst das große Rätseln
begonnen, wie viel Radikalität zu erwarten ist: Droht
der Ökoterrorismus?
Bei S. Fischer ist gerade ein Buch erschienen, das
unter dem Titel „Wann wenn nicht wir* – ein Extincti-
on Rebellion Handbuch“ Stimmen aus der Bewegung
und Positionen, die sich mit ihr solidarisieren, versam-
melt – außerdem werden konkrete Handlungsanwei-
sungen zum „zivilen Ungehorsam“ gegeben. Wenn
man eine politische Bewegung verstehen will, muss
man ihre Sprache betrachten, ihre Ästhetik, das intel-
lektuelle Feld, in dem sie steht. Welchen Diskurs
bringt die neue Klima-Politisierung hervor?
Die Ästhetik des Buchs erinnert mit ihrem pinken
Pappcover und dem kalauernden Titel stark an ähnli-
che Kampfschriften, die in den letzten Jahren Mode
geworden sind: der „Kommende Aufstand“ vom mys-
teriösen „Unsichtbaren Komitee“, aber auch die pro-
grammatischen Schriften des Aktivisten Philipp Ruch,
der mit seinem „Zentrum für Politische Schönheit“ re-
gelmäßig für große Aufregung sorgt. Alle diese Bücher
sind bei kleineren Verlagen erschienen. Deswegen irri-
tiert es, dass ein großer Publikumsverlag wie S. Fi-
scher so unkommentiert ein „Handbuch“ einer Grup-
pe veröffentlicht, über die wegen ihrer Methoden auch
in linken Kreisen kontrovers diskutiert wird.
Das Original ist in Großbritannien erschienen, wo
die Bewegung ihren Ursprung hat. Für die deutsche
Ausgabe, die laut einer der Herausgeberinnen in gro-
ßer Eile entstanden ist – was man dem Lektorat
manchmal anmerkt –, sind einige der originalen Texte
übernommen worden und viele hinzugekommen. Die
Kulturwissenschaftlerin und Friedenspreisträgerin
Aleida Assmann ist mit einem Aufsatz dabei. Ihr Bei-
trag ist – wenig überraschend – bei Weitem der inte-
ressanteste; unter dem Titel „Wissen, was wir tun“ ap-
pelliert sie an das Konzept der „Weisheit“, die sie als
„Prinzip der Wechselseitigkeit als Grundstruktur allen
menschlichen Handelns“ versteht, und entwirft eine
Weiterentwicklung der Menschenpflichten in Bezug
auf die Verantwortung gegenüber der Natur.
WER IST NUN SCHULD AM ÖKOZID?Positiv muss
man sagen, dass die Herausgeberinnen und Herausge-
ber ihrem Anspruch, „People of Colour“ und Bewoh-
ner des „globalen Südens“ zu repräsentieren – denn
diese, so das Argument, leiden am meisten unter den
Folgen des Klimawandels –, gerecht werden. Die aus
dem Tschad stammende Aktivistin Hindou Oumarou
Ibrahim berichtet eindrücklich vom sterbenden
Tschadsee und dem Verlust des traditionellen Wissens
indigener Völker. Ein indisches Ehepaar erzählt von
den dramatischen Veränderungen in seinem Dorf. Im
„Wissensteil“ des Buches überwiegt allerdings erkenn-
bar der Anspruch, eine Emotionalität herzustellen, die
sich jeden Waldbrand, jede Überflutung, jedes Ar-
mutsphänomen untertan macht und nicht darauf aus-
gerichtet ist, einen sachlichen Diskurs herzustellen.
Hier soll nicht mehr hinterfragt werden, hier soll eine
Dringlichkeit entstehen, die nur einen Ausweg zulässt:
den Sturz des „neoliberalen Kapitalismus“, dem sich
die Sängerin Anohni in einem Beitrag widmet und der
an wirklich allem schuld ist: Unser „Hass auf das
Weibliche“ sowie „unverarbeitete historische Trauma-
ta“ mündeten unweigerlich im „Ökozid“.
Das Buch ist von einer Art von Erleuchtungsdiskurs
getragen, der popkulturell sicher anschlussfähig ist,
von dem man aber bezweifeln darf, dass er sich tat-
sächlich in „vernünftige“ Politik übertragen lässt, wie
sie immerhin an mehreren Stellen des Buchs gefordert
wird. Die Art und Weise, wie die Befreiung von „toxi-
schen Potenzialen“ gefordert wird, die Hinwendung
zu „Liebe“ und das Sprechen der „Wahrheit“, erinnert
jedenfalls eher an ein schamanisches Empowerment
Treffen irgendwo in Berlin-Mitte als an eine Schrift,
die anschlussfähig für größere Kreise sein soll.
TWann wenn nicht wir – ein Extinction Rebellion
Handbuch. Verlag S. Fischer. 12 Euro
Aufruhr und
Erleuchtung
Die radikalen Klimaaktivisten von
„Extinction Rebellion“ haben ein Buch
geschrieben. Was steht drin?
S
Dahin gehen, wo es weh tut Extinction-Rebellion-Protest im Lincoln Center in New York
PACIFIC PRESS/LIGHTROCKET VIA GETTY IMAGES