Immergeradeaus
Traine rSteffenBaumgarthatinderBundesligavieleBewunderer,weilerdenSCPaderbornattraktivenFußballspielenlässt–amS onnabendwieder:gegenHertha
VonMichaelJahn
W
as haben Eric Can-
tona, Marcovan Bas-
ten und Joachim
Streich miteinander
zu tun? Aufden erstenBlick wenig,
außer derTatsache,dass alle drei
ehemaligen, berühmten Fußball-
Profisbegnadeteundsehrerfolgrei-
cheStürmerwaren.Aufdenzweiten
BlickergibtsicheinelockereVerbin-
dung–zumindestfürSteffenBaum-
gart, 47, den Cheftrainer desBun-
desligistenSCPaderborn.Baumgart
war auch ein torgefährlicherMittel-
stürmer ,der durchKampfgeist auf-
fielundinderErstenLigafürdenFC
Hansa Rostock, den VfLWolfsburg
undEnergie CottbusvieleTrefferer-
zielte.Für den 1. FCUnion stürmte
erinderZweitenLiga.
Spieler wieCantona, vanBasten
oder Streich haben ihm einst impo-
niert,sagtBaumgart,„weilsiegerad-
linige Typen waren, die auch mal
aneckten, aber ihrenWeggegangen
sind“.Warenesa lsoVorbilderfürden
gebürtigenRostocker? „Nein“, sagt
Baumgart,„Vorbilderhatteichnicht.
Manmuss als Spieler und auch als
TrainerseineneigenenStilfinden.“
Wenn man sich die Vita von
Baumgartanschaut,verwundertes
nicht, dass ihmProfis wieCantona
gefielen.Auch Baumgartgilt als ge-
radlinig,alseinMann,deroffenund
ehrlich seineMeinung sagt und da-
beinichtunbedingtaufEtiketteach-
tet. Er ist ein Mann, der nicht mit
demMainstreamschwimmt.Sowar
er als Spieler und so ist er auch als
Trainer:immerauthentisch.
AmSonnabendkommtBaumgart
mitdemSCPaderborninsOlympia-
stadion(15.30Uhr).EsistdasDuell
desTabellenletztenHertha BSC ge-
gen denVorletztenPaderborn.„Ich
kenne natürlich AnteCovic gut“,
sagtBaumgart,„wirsindbeideneue
Trainer in der Liga.Vorder Saison
habeichihmvielGlückgewünscht.
Aberjetztinteressiertmichdie Her-
tha nicht.Ichkümmeremich um
meineeigeneMannschaft.“
Baumgarthat viele Bewunderer
in der Liga,weil er offensiven, at-
traktivenFußballspielenlässt.„Wir
spielen so seit zweieinhalbJahren,
wollen das auch in derErsten Liga
tun, aber wir müssen auch eine
Menge lernen,vorallemin derDe-
fensive“, sagt er.Einen Punkt hat
dasTeambislanggeholt,beim1:1in
Wolfsburg.Zuletzt gingPaderborn
zuHausebeim1:5gegenSchalke04
unter,Baumgartsagte hinterher:
„Man darfnicht verg essen, dass
Schalke eines seiner bestenSpiele
seitJahrenge zeigthat.“
DieErfolgsstorydes Trainers
Baumgart, derseinen Wohnsitz in
BerlinhatunddessenFrauKatjaden
Fanshop des 1. FCUnion leitet, be-
gannimApril2017.Seitdempendelt
er zwischenBerlin undPaderborn.
Zuvo rarbeitete er aber beimRegio-
nalligistenBerliner AK, schaffte 2016
den zweitenPlatz, punktgleich mit
dem FSVZwickau, aber mit einem
Treffer schlechter imTorverhältnis.
Baumgartwurde im August 2016
nach einemSieg,dreiRemis und ei-
ner Nieder lage vonBAK-ChefMeh-
metAli Hanüberraschendentlassen.
Paderbornholte ihn in dieDritte
Liga. In den letzten fünfPartien, in
denen er elf Punkte sammelte,
konnteerdenAbstiegzwarnichtver-
hindern, da aber 1860 München
keineZulassungbekam,bliebPader-
bornind erLi ga.Wasdanngeschah,
grenztaneinWunder.2017/18führte
BaumgartdasTeammit Hurra-Fuß-
ball aufPlatz zwei und stieg in die
Zweite Bundesliga auf.EinJahr da-
nachwurdeeserneutPlatzzweiund
derSCPwarwiedererstklassig.
WiesiehtBaumgartdieserasante
Erfolgsgeschichte? „Ach, ich habe
das kur zgenos sen, das war einfach
schön, aber ich konzentrieremich
auf das ,was jetzt passiert.“Baum-
gartist ein Trainer,der vorallen auf
Leidenschaft und Mentalität Wert
legt.„IchwillmeinenJungsSpaßver-
mittelnundunsereFansbegeistern.
Als Trainer mache ich klareAnsa-
gen.“Eristesgewohnt,mitdemSC
Paderbornind er Außenseiterrolle
anzutreten.SchonalsSpielerlebteer
mit diesemGefühl. Er sagt:„Als wir
mitHansaRostock1995indieBun-
desligaaufgestiegensind,habenuns
doch alle unterschätzt. AmSaison-
endestandenwiraufPlatzsechs.“
Auch in seinerZeit bei Energie
Cottbu swar er mit einem krassen
Außenseiter unterwegs.„Unser Sta-
dion hieß zwarStadion derFreund-
schaft,aberallehattenRespekt,dort
anzutreten,weilwirdortmitLeiden-
schaft auftraten.“Solche Zeiten ha-
benSteffenBaumgar tgeprägt.
Lässternunsotrainieren,wieer
einst selbst spielte? „Das kann
man so sagen“, meintBaumgart.
Dassehen aucheinigeseinerehe-
maligenMitspi eler so .Mit Stefan
Beinlich,47,standBaumgarteinst
beiHansaRostockimTeam.Bein-
lich sagt: „Steffen war ein guter
Junge,ein Typ. Als Spieler war er
schnell, er hat gefightet und war
immerfürdasTeamda.“
Undder Trainer Baumgart?„Hut
ab,was er in Paderbornleistet “,
schwärmtBeinlich, „er lässt tollen
Angriffsfußballspielen.Natürlichist
es ein Unterschied, ob du so in der
Zweiten oder Ersten Liga spielen
lässt.Früherhateroft4:2gewonnen,
jetztverliertersicherabundzumit
2:4.“ Ähnlich urteilt Ronny Nikol.
Der45-jährige ehemaligeAbwehr-
mann, spielte mitBaumgartjee in
Jahrbeim1.FCUnionundbeiEner-
gie Cottbu szusammen.Nikolsagt:
„Baumi ist immervorneweg gegan-
gen, er war kein großerTechniker,
aber ein exzellenter Kämpfer und
sehrehrgeizig.Derhatnie rumgeei-
ertund immer seineMeinung ge-
sagt. Ichglaube,erist auch alsTrai-
nersogeblieben.“
Überraschendist,dassBaumgart
schon vonklein auf an denTrainer-
beruf dachte:„Ich wollte schon im-
mer Trainer werden,bereits als
Junge.Auf dem Bolzplatz habe ich
überlegt,wiemanambestenspielen
kann.“ SeinVaterund sein Opawa-
renbeideHandballtrainer.„Opawar
auchnochSchiedsrichter“,berichtet
Baumgart, „aber beide haben mich
nicht beeinflusst, etwaTrainer zu
werden.“2015absolvierteBaumgart
den DFB-Trainerlehrgang, zusam-
men mitMarcoRose undFlorian
Kohfeldt. Im zweiten Anlauf. Der
ersteLehrgang,zudemergemeldet
hatte,warüber voll.
WiesiehtersichselbstalsTrainer?
„Dasistschwerzusagen.Ichbinwie
ich bin.Ichmache meinDing, wie
ich es immer getan habe.Aber man
musssichnatürlichauchweiterent-
wickelnundneueWegegehen.Esist
wichtig,Mutzuh abenundeineklare
Idee,wiemanspielenwill.“
MichaelJahn
hat Steffen Baumgartam
Telefon erwischt.
100 MILLIONEN FÜR HERTHA
Stärker angedockt:Noch in dieser Sai-
son sollen die nächsten 100 Millionen
Euro vonInvestor LarsWindhorst an Fuß-
ball-Bundesligist Hertha BSC fließen.
Das hat HerthasFinanzchef IngoSchiller
der Deutschen Presse-Agentur jetztge-
sagt. Es handelt sich um dievertraglich
vereinbarte zweiteTranche. Hertha hat
bereits 125 Millionen Euro bekommen.
Weiter aufgestockt:Der Vertrag sieht
ebenfallsvor, dass InvestorWindhorst mit
seinerFirmaTennor 49,9 Prozent der An-
teile an der Hertha BSC GmbH&Co.
KGaA übernimmt.
DauerlaufmitKontraK
AbwehrspielerChristopherLenzgenießtbeim1.FCUniondasvolleVertrauenvonTrainerUrsFischer,weilers ichjetztmehrzutrautundDrangnachvorneentwickelt
VonPatrick Berger
E
in dumpfes Schallen dringt aus
der Kabine des 1. FC Union.
Christopher Lenz sitzt nebenan in
einemkleinenBüroraumimStadion
AnderAltenFörstereiundgrinst.Für
die–mehroderweniger–lyrischen
Klänge ist der Linksverteidiger
schließlich mitverantwortlich. Zu-
sammen mit den Offensivspielern
Akaki Gogia und Anthony Ujah teilt
sich der 24-Jährige dieAufgabe als
Kabinen-DJ. „UnseredreiHandys
sindeigentlichimmeranderBoxan-
geschlossen“,sagtLenz.„Wirhaben
eine Kabinen-Playlist aus dem letz-
tenJahrundeineneue.Aberdieäh-
nelnsich,alleinschonausAberglau-
ben.WirhörenvielDeutschrap,weil
dasebenalleverstehen.“
Kürzlich erst hatte sichAbwehr-
kollege NevenSubotic darüber be-
klagt, dass dieMusik in derKabine
fürseinenGeschmack„einbisschen
zu Capital-Bra-lastig“ sei.In Dauer-
schleife laufen dieSongs „E rfolg ist
keinGlück“vonKontraK,a berauch
„AllesaufRot“vonCapo.„DieLieder
passen ganz gut zuUnion, zu unse-
renFans und unsererMannschaft.
Beiuns geht es nämlich nur mit
TeamgeistundLeidenschaft.“
Auch am Sonnabend wirddas
wiedersosein,wennUnionamfünf-
ten Bundesligaspieltag bei Cham-
pions-League-TeilnehmerBayer04
Leverkusen gastiert, der während
der Woche 1:2 gegen LokMoskau
verloren hat.UndLenz, die Überra-
schung der jungenUnion-Saison,
wirddann wieder unermüdlich auf
der linkenAbwehrseite entlangren-
nen. Trainer UrsFischer schenkte
demgebürtigenBerlinerinallenfünf
Pflichtspielen über 90Minuten das
Vertrauen.„E rhatandemeinenoder
anderenPunktgearbeitet,andemer
im verg angenenJahr nochBedarf
hatte“, begründet der 53Jahrealte
Trainer seine Entscheidung: „Er
schaltetsichnachvorneein,istprä-
sent und geht auch mal bis auf die
Grundlinievor.Ermachtesmomen-
tanechtgut.“
IntensivesGesprächimSommer
In der Aufstiegssaison sah das noch
anders aus.Lenz kam auf nur elf
Spiele und hatte meist hinter dem
mit 32 Jahren weitaus erfahreneren
KenReicheldasNachsehen.DieVor-
viele Spieler,die in demAlter schon
soweitseien.„EgalobmitdemKopf
oder demFuß–eri st brandgefähr-
lich.Kaihatalles ,waseinsuperFuß-
ballerbraucht.“Obmanihnstoppen
kann? „Mal schauen, das kann ich
erst amSonntag sagen.“ Klar sei,
dass das nur mit hartemTeamwork
möglich ist. „Wir müssen kompakt
stehen und gutverschieben.Wenn
ichvollesRisikogeheundmaleinen
Zweikampfverliere, dann weiß ich,
dassichmichaufmeinenMitspieler,
den Innenverteidiger oderSechser,
verlassenkann.Nursog ehtes.“
ZwischenstoppinGladbach
LenzblicktaufeinenholprigenKar-
rierestar timP rofifußballzurück.Mit
fünfJahrengingderinNeuköllnge-
borene und in Marienfelde aufge-
wachseneKicker zur Hertha. Seine
Mutter begleitete den Jungen von
Marienfelde aus in derBahn zum
Training. „Wir haben mehr als eine
Stunde gebraucht.Siehat echt viel
auf sich aufgenommen.“ Später
dann, als Lenz auf die Poelchau-
Oberschule im Olympiapark, eine
EliteschuledesSports ,wechselte,sei
ermitderMutterRichtungCharlot-
zeichenhabensichmittlerweileaber
geändert.Im Sommer führte Lenz
ein intensivesGespräch mitFischer
und Sportd irektorOlive rRuhnert.
„Sie haben mir damals gesagt, dass
ich mir noch mehr zutrauen soll“,
sagt Lenz.Mitseiner Zweikampf-
stärke und dem neuenDrang nach
vornestelltder1,80MetergroßeVer-
teidiger,der in den ersten vierPar-
tien im Schnitt 10,92Kilometer ge-
laufenist,eineBereicherungfürdas
Spieldes Aufsteigersdar.HinterRo-
bertAndrich (47,20) und Christo-
pher Trimmel (43,96) spulte er mit
43,68 Kilometerninterndie dritt-
meistenKilometerab.
Beim 3:1-Sieg gegen Borussia
DortmundhatteLenzdas19-jährige
Toptalent Jadon Sancho weitestge-
hendimGriff.Im Rheinlandwirder
es nun mitKaiHavertz zu tun be-
kommen, denRekordnationalspie-
ler Lothar Matthäus bereits als
nächsten deutschen Weltfußballer
unddamitalsseinenErbenausgeru-
fenhat. DieAussagen,dieindenver-
gangenenWochen üb er de nerst 20
Jahrealten NationalspielerHavertz
getätigt wurden, kann Lenz nur be-
stätigen.Er kenne schließlich nicht
tenburggezogen. „D ann hatte ich
nurnochzweiMinutenFußwegzur
SchuleundzumGelände.“
Mit17w echselteLenznachMön-
chengladbach. Beider Borussia
spielteernur in derRegionalliga.
Deshalbk ehrte er 2016 nachBerlin
zurück, nach Köpenick.„UnterJens
Keller“, sagt er,„kam ich in meiner
erstenSaisonnurzueinerEinwechs-
lung. Da lief es auch nicht so.Das
war natürlich nicht mein Anspruch.
Deshalbh abeichmichdamalsauch
nachKielindie DritteLiga verleihen
lassen.“Er seiaber „nicht derTyp,
dersauer oderbeleidigtist,wenner
nicht spielt“.Stattdessen gebe er in
jeder Einheit Gasund möchte den
Trainer davon überzeugen,„dasser
michamWochenen deaufstellt“.
DerStartmit Union mit vier
Punkten aus vier Spielen stimmt
Lenz zufrieden. „Die Schelle gegen
Leipzig zuBeginn hat uns wachge-
rüttelt. Danach haben wir richtig
gute Spiele ge zeigt. Wirkönnen,
wenn wir an unsereabsolute Leis-
tungsgrenzegehen,indieserLigage-
gen jedenGegner mithalten.“Dazu
müssteauchLenzgegenLeverkusen
auflinkswiederdieMusikmachen.
43,68 Kilometer ist Christopher Lenz bis-
her in vier Spielen gelaufen. CITY-PRESS
Sport
Berliner Zeitung·Nummer 220·21./22. September 2019 23 *·························································································································································································································································································
Daumen hoch: Steffen Baumgartwill mit dem SCPaderborndem Tabellenkeller entfliehen. Das will Gegner Hertha BSC allerdings auch. DPA/GENTSCH