Süddeutsche Zeitung - 20.09.2019

(Barré) #1
interview: philipp schneider

170 Rennen ist Nico Hülkenberg in der For-
mel1gefahren. Wenn es schlecht läuft, blei-
ben ihm nur noch die sieben, die in dieser
Saison anstehen. Der 32-Jährige muss Re-
nault am Saisonende nach drei Jahren ver-
lassen, er wird vom Franzosen Esteban
Ocon ersetzt. Vor dem Grand Prix in Singa-
pur bestätigte der Haas-Rennstall am Don-
nerstag die Vertragsverlängerungen mit
Romain Grosjean und Kevin Magnussen.
Damit schwinden Hülkenbergs Optionen
für eine Zukunft in der Königsklasse.


SZ:Herr Hülkenberg, würden Sie die Sicht-
weise teilen, dass Sie eine der kuriosesten
Figuren in der Formel 1 sind?
Hülkenberg: Sie spielen da wahrscheinlich
auf meine Podiumsgeschichte an?
Nicht nur. Aber in der Tat sind Sie nach
170 Rennen der erfahrenste Pilot, der
noch nie auf dem Podium stand.
Sie meinen den Aspekt, dass ich noch nicht
den Weg in ein Top-Auto gefunden habe?
Das, aberauch den Umstand, dass Sie in Ih-
rer Karriere wenig Unterstützung erhal-
ten haben. Sie waren nie Teil der Nach-
wuchsprogramme von Ferrari oder Red
Bull. Auch ist Ihr Vater kein berühmter
Formel-1-Pilot, sondern Betreiberder Hül-
kenberg Spedition KG in Emmerich.
Den einzigen Rückenwind, den ich hatte,
musste ich selber schaffen. Ich hatte nur
meine Resultate in den Junior-Serien. In
der Formel 3, in der Formel 2. Eigentlich
überall, wo ich angetreten bin, war ich er-
folgreich. Deshalb bin ich auch recht zügig
durch alle Serien aufgestiegen und schnell
angekommen in der Formel 1.
Können Sie etwas besser als die Piloten
mit fremdem Rückenwind?
Ich weiß nicht, ob ich etwas besser kann.
Es gibt in der Formel 1 bestimmt 15 Fahrer,
die sind alle nah beieinander, hochqualita-
tiv und gut. Es sind Nuancen, die sie unter-
scheiden. Was mich vielleicht auszeichnet
und weshalb ich seit zehn Jahren in der
Formel 1 bin, das ist, denke ich, mein
Speed. Ich bringe Leistung, liefere kon-
stant Punkte. Gleichzeitig kann ich ganz
gut ein Auto verstehen und dem Team sa-
gen, wo die Probleme sind. Dafür sind For-
mel-1-Teams immer sehr, sehr dankbar.


Renault hat sich allerdings dazu entschie-
den, Ihr Cockpit ab dem kommenden Jahr
an den Franzosen Esteban Ocon zu verge-
ben. Was sind 2020 Ihre Optionen?
Nun, entweder ich fahre nächstes Jahr bei
der Tour de France mit. Oder ich werde der
Nachfolger von Hugh Hefner(Gründer des
MännermagazinsPlayboy, d. Red.). Oder
ich bleibe halt Formel-1-Pilot.
Tendenz? Lieber Rad fahren oder in die
„Playboy“-Villa einziehen?
Villa! Den ganzen Tag auf dem Sattel sit-
zen, das ist mir zu anstrengend(lacht).
Ernsthaft: Das Team Haas hat gerade be-
kanntgegeben, dass es mit Romain Grosje-
an verlängert. Kürzlich hatte Teamchef
Günther Steiner noch angekündigt, eine
Entscheidung zwischen ihm und Ihnen
treffen zu wollen. Wer bietet Ihnen Unter-
schlupf im nächsten Jahr?
Wenn man sieht, wo in der Formel 1 noch
Plätze zur Verfügung stehen, kann man
sich das herleiten.
Wenn nichts Verrücktes passiert und ein
Fahrer eines anderen Teams überra-
schend die Karriere beendet, dann bleibt
vor allem Alfa Romeo, oder?
Ich will da nicht drauf eingehen. Ich bin
aber zuversichtlich, dass mein Team und
ich eine gute Lösung finden.
Würden Sie nirgendwo unterkommen
und würde Mick Schumacher 2020 noch
nicht aus der Formel 2 aufsteigen, wäre Se-
bastian Vettel der letzte verbliebene deut-
sche Fahrer in der Formel 1. Vor ein paar
Jahren gab es noch sieben. Wie erklären
Sie sich diesen Negativtrend?
Ich glaube, diese Entwicklung verläuft in
Zyklen. Wir hatten auch mal viele Brasilia-
ner in der Formel 1, jetzt gerade haben wir
gar keinen. Dafür haben wir viele Franzo-
sen, obwohl vorher kaum welche da waren.
Anfang 2010, als ich angefangen habe, da
gab es viele Deutsche, das stimmt. Ich glau-


be aber nicht, dass diese Entwicklung et-
was damit zu tun hat, wie die Formel 1 in
Deutschland wahrgenommen wird.
Liegt es nicht vielleicht daran, dass der sa-
genhafte Boom, den Michael Schumacher
auslöste, allmählich sein Ende findet?
Es kann schon sein, dass die Familien
mehr den Motorsport auf dem Schirm hat-
ten, als Michael so eingeschlagen ist da-
mals. Und dass sie ihre Kinder eher in den
Nachwuchs gesteckt haben. Und dass die-
se Auswirkungen eine Weile spürbar wa-
ren. So von Mitte 2000 bis etwa 2012?
Kommt gut hin.
Wir Deutschen sind allerdings auch sehr
verwöhnt vom Motorsport. Wir hatten Mi-
chael. Dann hatten wir Sebastian Vettel
mit seinen Weltmeistertiteln bei Red Bull.
Danach hatten wir Nico(Rosberg,d. Red.)
und seinen Titel. Und wir haben den Her-
steller Mercedes. Deutschland ist immer
megapräsent gewesen im Motorsport, war
immer bei der Musik dabei. Und im Sport
kann es dann passieren, dass sich ein Sätti-
gungseffekt einstellt.
Sind die Deutschen also zu verwöhnt, um
Nico Hülkenberg zu würdigen, der sich in
einem unterlegenen Auto wacker schlägt?
Und wird vielleicht auch Vettels Leistung
bei Ferrari zu wenig geschätzt?
Sebastian hat ja schon enorm viel gewon-
nen! Da ist die Wertschätzung natürlich ei-
ne andere als bei einem wie mir, der in der
Formel 1 noch nie gewonnen hat. Ich bewe-
ge mich eine Stufe unter Sebastian. Ich ha-
be das Süße leider noch nie so geschmeckt
wie er. Aber die Würdigung kommt mir
nicht zu kurz. Wenn man sieht, was in den
vergangenen zwei Jahre in Hockenheim
los war: Das waren riesige Wochenenden!
Von den Zuschauerzahlen, von der Zustim-
mung. Da lag etwas in der Luft, das ich vor-
her in Deutschland nie gespürt habe. We-
der am Nürburgring noch in Hockenheim.
Das hat sich schon angefühlt wie ein klei-
ner Boom.
Ihr Ziel müsste doch eines der sechs Top-
Cockpits sein, mit denen sich Rennen ge-
winnen lassen!
Sicher, klar. Aber ob es noch einmal so weit
kommt? Es wird ja immer schwieriger. Ich
bin da realistisch: Aktuell bin ich ein Stück
entfernt, so ein Cockpit zu bekommen.
Es drängen die jüngeren Piloten in die be-
gehrten Cockpits. Charles Leclerc und
Max Verstappen sind 21; Esteban Ocon,
Ihr Nachfolger bei Renault, ist 22. Wären

Ihre Chancen auf ein Spitzencockpit bei
gleicher Leistung besser, wären Sie, sa-
gen wir, zehn Jahre jünger?
Ganz bestimmt. Wobei Leclerc und Ver-
stappen die Chance erhalten, weil sie lie-
fern. Beide sind brutal stark! Es gibt für je-
den Fahrer ein Zeitfenster, in dem der
Sprung gelingt oder halt nicht. Ich bin jetzt
nicht wirklich alt, aber ich gehöre vom Al-
ter schon zum oberen Drittel. Klar gucken
die Teams eher auf die jüngere Generation,
die nachrückt.

Was würden Sie dem damals noch jungen
Hülkenberg nach seinem Formel-1-Ein-
stieg raten, anders zu machen, als Sie es
gemacht haben?
Es gibt leider viele Faktoren und Einflüsse,
die man als Fahrer bei der Karrieregestal-
tung gar nicht in der Hand hat. In der For-
mel 1 ist sehr viel Politik im Spiel. Vielleicht
war ich früher zu schüchtern. Und diese
Zurückhaltung kam bei dem einen oder an-
deren als Arroganz rüber. Ich war früher
nicht so sozial wie heute, ich habe wenig ge-
sprochen mit den Leuten. Mir hätte es ge-
holfen, wenn ich offener und kommunika-
tiver gewesen wäre.
Welches Reglement muss sich die Formel1
im Jahr 2021 geben, damit es ein Fahrer
wie Sie auch mal auf das Podium schafft?
Wir müssen eine klare Budget-Obergrenze
vorschreiben. In einem technischen Sport
kannst du dir mit Geld einen Vorteil ver-
schaffen. Außerdem: Für mehr Spektakel
auf der Strecke, für bessere Zweikämpfe,
brauchen wir Autos, die zwar noch spekta-
kulär schnell sind, aber weniger abhängig
von der Aerodynamik. Wagen, die weniger

Verwirbelungen verursachen und es dem
hinterherfahrenden Auto ermöglichen zu
überholen. Das ist komplexe Physik.
Sebastian Vettel wünscht sich eine ganz
starke Vereinfachung der Autos. Er will
den Gangknüppel zurück, mehr Zylinder,
lautere Motoren. Sie auch?
Das ist schönes Denken. Und seine persön-
liche Präferenz. Dass es so kommt, ist un-
wahrscheinlich. Der Motorsport wird sich
nie wieder in diese Richtung entwickeln.
Der Fortschritt geschieht in der Welt, ob
wir wollen oder nicht. Alles wird digitaler,
elektronischer. Wir können nicht beschlie-
ßen, dass wir wieder in die Steinzeit zu-
rückgehen. Nicht alles, was wir haben in
der Formel 1, ist schlecht. Aber wir müssen
ein paar Fehlentwicklungen ausbügeln:
wie die zu komplexe Aerodynamik!
Sie haben mit Porsche das 24-Stunden-
Rennen in Le Mans gewonnen. In der For-
mel 1 fährt der Hersteller nicht, steigt
aber 2020 ein in die Formel E. Wäre die et-
was für Sie?
Aktuell bin ich voll konzentriert auf die For-
mel 1. Es geht noch kein Auge auf die For-
mel E. Sie ist eine junge Serie, die noch sehr
weit entfernt ist von der Formel 1. Auch
wenn es interessant ist, was da passiert.
Wird die Formel E jemals den Stellenwert
erreichen, den die Formel 1 hat? Oder hat
sie in Zeiten der Klimakrise sogar die
Chance, die Formel 1 abzulösen?
Sag niemals nie! Aktuell bin ich aber skep-
tisch.
Was fehlt der Formel E?
Ganz klar: Emotionen! Es gibt keinen
Sound! Und die Autos sind deutlich lang-
samer als Formel-1-Autos.
Fehlen nicht vor allem namhafte Fahrer?
Es gibt ja schon ehemalige Formel-1-Fah-
rer in der Formel E, vielleicht folgen irgend-
wann noch mehr. Gut, ein bekannter Name
würde der Rennserie vielleicht etwas
Glaubwürdigkeit verleihen. Formel 1 und
Formel E sind beide Motorsport, aber
unterschiedliche Dinge. Wie Äpfel und Bir-
nen. Zwei paar Schuhe.
So schlimm?
Die Formel 1 ist der König! Und zugleich die
Queen!
Sebastian Vettel tritt sehr ungern als Pri-
vatmann auf die Bühne der Formel 1. War-
um nutzen Sie in der Öffentlichkeit nicht
die Lücke viel mehr, die er Ihnen lässt?
Ich glaube, Sebastian ist noch etwas ver-
schlossener als ich. Aber ich bin auch nicht

so mitteilungsbedürftig, dass ich jedes Es-
sen teilen und in sozialen Netzwerken pos-
ten müsste. Ich bin so nicht aufgewachsen.
Wir Piloten stehen wegen unseres Jobs in
der Öffentlichkeit. Das verpflichtet uns
nicht, privat alles preisgeben zu müssen.
Als der Kopfschutz Halo vor einem Jahr
eingeführt wurde, gab es einen riesigen
Aufschrei: Die Formel 1 werde zu sicher,
es hieß, das Heldentum werde verdrängt
ausdem Motorsport. Beim Formel-2-Ren-
nenin Spa gabes nun einen schlimmen Un-
fall: Anthoine Hubert ist verstorben, Juan
Manuel Correa liegt im künstlichen Ko-
ma. Plötzlich sind viele Menschen über-
rascht, dass der Motorsport doch noch ge-
fährlich ist; auch einige Fahrer fordern,
dass die Strecken sicherer gemacht wer-
den. Schlägt das Pendel in der Formel 1 im-
mer ein bisschen zu heftig aus?

Ja, absolut. In beiden Fällen ist das Pendel
zu stark ausgeschlagen. Es ist klar, dass
ein Todesfall eine Debatte entfachen
muss. Aber hysterisch aufzukreischen und
alles zu überdenken, ist am Ende auch
nicht der richtige Weg. Im Motorsport
bleibt immer eine Gefahr. Man kann den
Sport nicht zu hundert Prozent sicher ma-
chen. Das war ein Unfall, den man sich gar
nicht schlimmer hätte ausmalen können.
Sie hatten vor einem Jahr in Abu Dhabi
auch einen spektakulären Unfall und
steckten vier Minuten kopfüber fest im
Auto. Währenddessen qualmte Ihr Cock-
pit. Sie funkten: „Ich hänge hier wie eine
Kuh, holt mich hier raus!“ Das klang eher
nach einer Unterhaltungssendung im Pri-
vatfernsehen als nach Angst.
Natürlich war das eine unbequeme Situati-
on. Es sah spektakulär aus. Kopfüber im
Auto zu stecken und nicht rauszukommen,
ist nicht das, wovon du träumst. Aber ich
wusste ja, dass überall Marshals standen,
die mich rechtzeitig rausholen würden.
War das für Sie so aufregend, als würden
Sie im Fahrstuhl feststecken und wüssten:
Gleicht kommt einer und repariert?
Sehr guter Vergleich. Ganz genauso war
das für mich.

„Mir hätte es geholfen,
wennich kommunikativer
gewesen wäre.“

„Kopfüber im Auto zu stecken
und nichtrauszukommen,
ist nichts, wovon du träumst.“

München– Uli Hoeneß hat sich den Stuhl
ganz links gesichert. Also jenen, von dem
er nicht nur den Moderator im Blick hat,
sondern das Herz seines Fußballreichs.
Durch die Panoramaverglasung der
„Eventbox 4“ in der Arena in Fröttman-
ning blickt der Präsident des FC Bayern
München am Donnerstag auf die medita-
tiv kreisenden Rasensprenger, die fleißig
das Gras wässern, auf dem Hoeneß’ Fuß-
baller am Vorabend 3:0 gegen Roter Stern
Belgrad gewonnen haben. Aber die Cham-
pions League ist nicht das Thema heute. Es
geht um Basketball, um Hoeneß’ größte
Leidenschaft neben dem Fußball und dem
Tegernsee. Und Hoeneß ist sauer. „Wie viel
Geduld wollen wir denn noch haben?“,
fragt er den Moderator, der von ihm gerade
wissen wollte, ob man nicht etwas mehr Ge-
duld haben müsse mit der Basketball-Nati-
onalmannschaft? Er hätte, sagt Hoeneß,
vor Verzweiflung am liebsten den Fernse-
her angeschoben, der ihm diese lethargi-
schen Partien der deutschen Mannschaft
jüngst bei der Weltmeisterschaft in China
am Tegernsee präsentiert hatte. „Die ha-
ben gegen Frankreich siebeneinhalb Minu-
ten keinen Korb geworfen!“, sagt Hoeneß,
nein, er ruft jetzt eher in sein Mikrofon:
„Das gibt es doch nicht einmal im Guin-
nessbuch der Rekorde!“

„Mit Qualität und Attraktivität in eine
neue spektakuläre Saison!“, hat die Basket-
ball-Bundesliga (BBL) die Infoveranstal-
tung genannt, zu der außer Hoeneß noch
Liga-Geschäftsführer Stefan Holz und Mar-
co Baldi gekommen sind, der Geschäftsfüh-
rer von Alba Berlin und BBL-Vizepräsi-
dent. Doch bevor es um die Qualität der
Bundesliga geht, muss selbstredend die
Schlamperei des zuvor hoch gehandelten
Nationalteams um Dennis Schröder aufge-
arbeitet werden, das in China nach der Vor-
runde ausgeschieden war und nur Platz 18
belegte. „Das ist schade für uns alle, die
den Basketball lieben. Wir haben gehofft,
dass die Nationalmannschaft einen weite-
ren Push für den Sport gibt“, sagt Hoeneß:
„Man hätte erwartet, dass sie Gas geben,
sich abklatschen, Einsatz und Empathie
zeigen.“ Der Auftritt der Mannschaft sei
„nicht hilfreich“ gewesen, findet Holz. Und
so sieht das auch Baldi: „Die Nationalmann-
schaft muss eine Identität haben, die hatte
sie aber nicht.“ Baldi findet, dass der deut-

schen Auswahl ein übergeordneter Gedan-
ke gefehlt habe und an dessen Stelle die In-
teressen der Einzelspieler kein funktionie-
rendes Ganzes ergeben hätten: „Eine Sum-
mierung der NBA-Spieler bedeutet nicht
ein funktionierendes Team“, erklärt Baldi.
Überhaupt werde in der amerikanischen
Profiliga „mitnichten der beste Basketball
gespielt. Da wird das meiste Geld verdient,
aber Basketball ist ein Teamsport“.
Ansonsten üben sich Hoeneß, Holz und
Baldi in Vorfreude auf die am Dienstag mit
einem Duell zwischen Ratiopharm Ulm
und Rasta Vechta startende BBL-Saison.
Der FC Bayern, der sich in diesem Sommer
deutlich verstärkt habe, sei der Favorit, fin-
det Baldi: „So eine Mannschaft haben wir
in Deutschland noch nie gesehen.“ Dann
schiebt er nach: „Dass wir der erste Heraus-
forderer sind, ist auch klar.“ pps

Genf/München –Kürzlich hatForbeswie-
der eine seiner berühmten Listen veröf-
fentlicht. Diesmal ging es um die Rangfol-
ge der vermögendsten Tennisspieler, auf
Platz eins lag wenig überraschend Roger
Federer. In den zwölf Monaten von Juni
2018 bis Mai 2019 habe der Schweizer 93,4
Millionen Dollar eingenommen, berichte-
te das Wirtschaftsmagazin und führte aus,
dass sich die Summe aus 7,4 Millionen an
gewonnenem Preisgeld sowie 86 Millionen
aus Werbeverträgen zusammensetzte.
Nicht nur sportlich bleibt Federer also mit
seinen 20 Grand-Slam-Titeln der Maßstab
im Männertennis, auch hinsichtlich der
Selbstvermarktung hängt er alle ab. Das
spiegelt sich in diesen Tagen wider. In
Genf findet von Freitag bis Sonntag der La-
ver Cup statt, den Federers Manager Tony
Godsick aufzieht. Es ist ein Duell zwischen
Team EuropeundTeam World,das kein
Mensch brauchte – und doch als Erfolgsge-
schichte zu werten ist.


Wie bei den ersten Auflagen in Prag
(2017) und Chicago (2018) treten sechs Eu-
ropäer gegen sechs Profis aus dem Rest der
Welt an. Das Vorbild des nach Rod Laver be-
nannten Cups ist der Ryder Cup im Golf,
bei dem nur statt einer globalen Auswahl
(zwölf) US-Amerikaner den Gegner Euro-
pas bilden. An jedem Tag werden drei Ein-
zel und ein Doppel gespielt (zwei Gewinn-
sätze, dritter Satz im Match-Tiebreak). Da-
mit die Entscheidung so spät wie möglich
folgt, werden für einen Sieg am Freitag je
ein Punkt, für Siege am Samstag je zwei
Zähler und am Sonntag je drei vergeben.
„Es wird bestimmt ein unglaublicher, ganz
spezieller Event“, sagte Federer derAargau-
er Zeitungund wies seiner Veranstaltung
den Charakter eines Klassenlagers zu –
„ja, es ist tatsächlich ein bisschen so“. Zum
einen mag das so sein, schließlich sind
auch diesmal nicht die faktisch besten Ver-
treter beider Teams nominiert, sondern of-
fensichtlich Spieler, die Federer nahe ste-

hen oder vermarktungstechnisch geeignet
sind. Verbündete, wie der Italiener Fabio
Fognini oder der Australier Nick Kyrgios,
die polarisieren und Zuschauer anlocken.
50 000 sehen in Genf zu, das TV überträgt
weltweit. Der Beste der Weltauswahl ist
John Isner (USA) als 20. der ATP-Rangliste,
sogar dessen Landsmann Jack Sock wirkt
mit, aktuell Nummer 210. Sportlich gleich-
wertig sind die Teams nicht aufgestellt.
Kritiker mögen schimpfen, das Duell sei
sportlich wertlos, doch das Konzept ging
auf, sich als Tennis-Show mit Granden als
Teamchefs (Björn Borg/John McEnroe) in
der überfrachteten Turnierlandschaft zu
positionieren. Was sicher hauptsächlich
am Heldenstatus Federers liegt – und dem
Geschick seines Managers. Im Grunde al-
les an dem Reißbrett-Spektakel ist auf sei-
nen Spieler zugeschnitten. Federer ist
oberstes Werbegesicht, eigene Sponsoren
sind mit an Bord. Auch sportlich war Fe-
derer bei den ersten Turnieren die Haupt-

person. In Prag gewann er das entscheiden-
de Einzel, in Chicago wehrte er drei Match-
bälle ab und ebnete Europas Sieg, den
dann Alexander Zverev zementierte. Zve-
rev ist seit kurzem Klient von Federers Ma-
nager Godsick, der noch ein anderes Kunst-
stück vollbrachte. Obwohl nicht ein ATP-
Punkt vergeben wird, ist der Laver Cup
nun Teil des ATP-Kalenders. Daran lässt
sich die Macht Federers ermessen. Der
38-Jährige profitiert dabei auch vom Zwist
der ATP mit dem Weltverband ITF, der
beim Thema Davis Cup eigene Wege geht.
Beim neuen ATP Cup Anfang 2020 in Aus-
tralien macht Federer seinerseits mit. Es
ist schon ein Geben und Nehmen.
Die Teilnahme rechnet sich im Übrigen
natürlich für die Spieler. Jeder Akteur der
Siegermannschaft erhält 250000 Dollar,
das Antrittshonorar dürfte mindestens
sechsstellig für jeden sein. Glücklich also,
wer bei dieser Art von Klassenlager dabei
sein darf. gerald kleffmann

Eine Summe von NBA-Spielern
ergibt nochkeine funktionierende
Mannschaft, findet Marco Baldi

Schumachers Nachfahrer
Die deutschenFormel-1-Piloten seit 1991

Rogers Klassenlager


Der Laver Cup ist sportlich fürs Welttennis ohne Belang, hat sich aber etabliert – weil Veranstalter Federer mithilfe seines Managers Tony Godsick gekonnt den eigenen Marktwert ausspielt


„Ich habe das Süße leider nie so geschmeckt“


Formel-1-Pilot Nico Hülkenberg über seine Aussichten auf ein Cockpit für die kommende Saison in der Königsklasse des Motorsports,
den Nachteil der komplexen Aerodynamik, was ihm bei der Formel E fehlt – und warum er eine Lücke nicht nutzt, die ihm Sebastian Vettel lässt

DEFGH Nr. 218, Freitag, 20. September 2019 (^) SPORT HF3 29
Umstrittener Anführer: Vor allem Dennis
Schröder zogbei der missratenen WM die
Kritik auf sich. FOTO: ALY SONG / REUTERS
Hoeneß schimpft
auf Basketballer
WM-Auftritt des Nationalteams
wurmt die Bundesliga-Funktionäre
1991 – 2012 Michael Schumacher 307 Starts
1994 – 2003 Heinz-Harald Frentzen 157
1997 – 2007 Ralf Schumacher 180
2000 – 2011 Nick Heidfeld 183
2004 – 2012 Timo Glock 91
2006 – 2016 Nico Rosberg 206
2007 – 2014 Adrian Sutil 128
2007 – Sebastian Vettel 233
2007 Markus Winkelhock 1
2010 – Nico Hülkenberg 170
2014 André Lotterer 1
2016 – 2017 Pascal Wehrlein 39
Skeptisch: Der Emmericher Nico Hülkenberg muss sich damit beschäftigen, wie seine Formel-1-Karriere in der nächsten Saison weitergeht. FOTO: ANDREJISAKOVIC / AFP
Zwei Große ihres Sports: Der elfmalige Grand-Slam-Sieger Björn Borg (li.) firmiert
beimLaverCup von Roger Federer als Teamchef Europas. FOTO: JULIAN FINNEY / GETTY

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