würden. Doch schließlich, nach über einer halben Stunde, war er einwandfrei
identifiziert.
Er musste einen Fragebogen ausfüllen, der neben Italienisch auf Englisch,
Französisch, Spanisch und Arabisch formuliert war. Darunter Fragen wie:
»Möchten Sie im Falle einer Abschiebung den Präfekten um die Prüfung
eines Aufschubs von dreißig Tagen zur freiwilligen Ausreise bitten?«
»Können Sie besondere Bedingungen nachweisen, aufgrund derer eine
sofortige Rückkehr in Ihr Land Sie in konkrete und aktuelle Gefahr bringen
würde?« Für die letzte Frage gab es zwei Zeilen Platz. Der Junge betrachtete
die weiße Lücke, dachte an die Anhörungen, in denen er seine Geschichte
erzählt hatte, daran, dass es nicht gereicht hatte, die Wahrheit zu berichten,
weil er »dicker hätte auftragen« sollen. Resigniert und vor allem sehr, sehr
müde schrieb er: »In Äthiopien herrscht keine Democratie«. In die Zeile
»Name und Vorname des Vaters« schrieb er nach kurzem Zögern:
»Attilaprofeti, Ietmgeta«.
Zweiunddreißig Stunden durfte er niemanden anrufen, saß in einer
dunklen, schmutzigen Sicherheitszelle voll mit Zigarettenkippen, die eine
Fensteröffnung in der Mauer hatte. Er teilte sie sich mit einem Dealer auf
Entzug. Zum Schlafen gab es zwei Metallpritschen – die zum Glück am
Boden festgeschraubt waren, sonst hätte er sie diesem schreienden Junkie
nach spätestens zwölf Stunden an den Kopf geschmettert. Ruhe kehrte erst
ein, als der Anwalt ihn mitnahm.
Am nächsten Tag wurde er im Schnellverfahren abgeurteilt. Doppelter
Ablehnungsbescheid, schon zwei Aufforderungen auszureisen, das
Abschiebungsverfahren war unvermeidlich. Also wurde er hierher ins CIE
gebracht, in dieses Zentrum, das entsprechend heißt: Zentrum für
Identifizierung und Abschiebung.
Das Handy haben sie ihm auf dem Präsidium abgenommen – vielmehr
haben sie es einbehalten. Hier hat jeder Gast das Recht auf fünf Euro alle drei
Tage für Telefonkarten. Viele haben Verwandte im Ausland und müssen fast
zwei Monate sparen, um dann drei Minuten sprechen zu können. Manche
sind seit einem Jahr im CIE, und niemand hat ihnen gesagt, was aus ihnen
wird; diese drei Minuten mit ständigem Blick auf die Uhr sind ihr einziger
Kontakt zur Familie. Es gibt aber auch solche, die nicht nur mit der
Außenwelt, sondern auch mit der Welt hier drinnen die Verbindung
abgebrochen haben. Das sind diejenigen, die, sobald die Sozialarbeiter weg
jeff_l
(Jeff_L)
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