Hochwasser hinterlassen, einen dreckgekrönten Schaum aus Hass. Auch jetzt
noch, Wochen später, wurde sein Körper immer wieder von Wellen des
Zorns durchzuckt. Eine nicht greifbare Bitterkeit, außerhalb jeder Zeit, dumpf
und übelriechend wie die leeren Tage in diesem keimfreien Zimmer, dafür
viel lebhafter. Sein Hass kannte keine Hierarchien. Sicher, er hasste die
fünfundvierzig hochgestellten Abessinier, die noch am Abend des Anschlags
erhängt worden waren und geschrien hatten: »Es lebe der Negus!« (welch
lächerliches Heldengetue in ihren braunen Gesichtern). Nicht so sehr jedoch
wie General De Bono, den Nachkommen eines Markgrafen, der Graziani erst
zu seinen Empfängen geladen hatte, als er zum Vizekönig ernannt worden
war. Natürlich hasste er die Eingeborenen von Addis Abeba – Ehre sei den
Schwarzhemden und vor allem dem Sektionssekretär Cortese, die ihn in den
Tagen nach dem Attentat mit größter Effizienz gerächt hatten –, aber nicht
mehr als Lessona, den unfähigen Minister, der in den mittlerweile acht
Monaten des Imperiums nicht in der Lage gewesen war, eine Kolonialpolizei
aufzubauen. Und beim Gedanken an die Führer des Parteibüros und der
Zivilverwaltung verzogen sich Grazianis Lippen zu größter Verachtung.
Handgranaten mitten in der Hauptstadt, wohlbekannte Verdächtige, die frei
herumliefen – und wo waren sie? In den Betten der Negerinnen. Ob nun
Adlige oder Verwandte des Negus, waren sie doch immer noch Negerinnen.
Die beiden waren nicht nur echte Idioten, sie waren auch degeneriert. Es mag
ja angehen, seine männlichen Instinkte auszuleben, aber sie sich ins Haus zu
holen? Manche Männer sollte man wirklich entmannen, das war das Einzige,
was man von den Abessiniern lernen konnte. Weg damit, zack zack,
abschneiden!, wie es Königin Taytu bei den verwundeten Italienern getan
hatte. Oder wenigstens ein für alle Mal das verfluchte Madamato verbieten.
Wie er die Amharen hasste. Die Amharen, die es gewagt hatten, Granaten
auf ihn zu werfen. Während er Geld an die Armen verteilte.
Glühender Hass stieg dann in ihm auf, so glühend wie die
Bombensplitter, die sich in seinen Leib gebohrt hatten und die er sich nachts
im Traum mit verwundeten Fingern aus dem Fleisch zog wie Kohlen aus
einem Feuer. Die blutige weiße Uniform war es, die nach altem Rost roch. Er
hatte sie sich nach einigen Tagen von Ines aufs Zimmer bringen lassen. Er
wollte sie sehen, sich den riesigen braunen Fleck einprägen, jeden Riss, jeden
Schnitt, um sich immer daran zu erinnern, was sie ihm angetan hatten, seine
Feinde, die Amharen.
jeff_l
(Jeff_L)
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