sich in sie verliebt, weil sie mit heller Haut geboren wurde, nicht wegen der
Inhalationen. Die haben die bösen Schwestern gemacht, und es hat ihnen
nicht geholfen.«
Abeba zog die Schultern ein vor dem Schlag auf den Kopf, der nun sicher
ihre Frechheit bestrafen würde. Aber er kam nicht. Auf der Stirn der
Großmutter zeichnete sich eine Falte ab, doch es war kein Zorn. Es waren
Stolz und Sorge zugleich um ihre scharfsinnige kleine Enkelin. Denn zu viel
Intelligenz ist für eine Frau ein bitteres Glück.
Nach der Hochzeit lebte Abeba weiterhin bei ihren Eltern. Morgens ging
sie in das Haus des Bräutigams, mahlte mit der Schwiegermutter das teff,
zerdrückte im Mörser das berbere und servierte ihm das Essen. Sie fütterten
sich gegenseitig mit in Soße getunktem injera, denn Verliebte müssen sich
umsorgen wie man Kinder umsorgt, und abends kehrte sie zum Schlafen in
die väterliche Hütte zurück. Mit elf Jahren, als sie erwachsen wurde, zog sie
um. In der Hochzeitsnacht war Abeba bereit zu schreien, zu kratzen und sich
mit ganzer Kraft zu wehren, wie die Tradition es verlangte. Doch ihr Mann
hatte sich nach einem schwachen Versuch weggedreht und war
eingeschlafen.
Abeba merkte schnell, dass das Feuer, das in seinem Schoß brennen
sollte, recht wenig wärmte. Die Schwiegermutter wartete einige Jahre, ehe sie
sie als unfruchtbar erklärte, doch bis dahin schlug sie sie. Zuerst allein, dann
mit dem Sohn zusammen. Sie zerrte sie an den Haaren, er stieß sie zu Boden
und trat sie. Einmal steckten sie sie von mittags bis zum Sonnenuntergang in
einen der großen Körbe, in denen das Korn gelagert wurde und die auf
breiten Querbalken vor der Hütte standen. Abeba verging fast vor Durst, doch
keiner der Diener hatte den Mut, ihr Wasser zu bringen. Nach ein paar
Stunden in der prallen Sonne gesellte sich ihr Schutzengel zu ihr. Sein
Gesicht war mandelförmig mit sehr hoher Stirn, auf dem Kopf hatte er kleine
Zöpfchen und seine Hände strahlten so hell, dass man kaum hinsehen konnte.
Er lächelte sie wunderbar an und flüsterte ihr die Worte ihres Vaters zu, die
sie als Kind immer gehört hatte: »Du bist mein kleines Zicklein, du leuchtest
so hell wie der Mond, und bist süßer als der wilde Honig.«
Als sie Abeba befreiten, schwankte sie und hatte die Haare voll mit Stroh,
doch sie senkte den Blick nicht. In dieser Nacht gelang es ihrem Mann, sie zu
penetrieren, nachdem er ihr lange ins Gesicht geschlagen hatte, doch kein
Seufzer kam über ihre Lippen. Sie war dreizehn Jahre alt.
jeff_l
(Jeff_L)
#1