Anblick der Giovani Italiane, deren Brüste gegen die weiße Bluse drückten,
rechts und links der dunklen Krawatte. Doch das Versprechen barg nur Trug
und Enttäuschung: Für einen italienischen Jungen waren die Liebreize von
Altersgenossinnen unerreichbar. Und selbst wenn eine von ihnen ihm gar
Zugang zu dem Geheimnis zwischen ihren Beinen gewährt hätte, wäre er
vielleicht selbst aus Unsicherheit zurückgeschreckt. Als Attilio an jenem
Abend mit der Mutter in der Küche zurückblieb, verwandelte sich der Groll
gegen sie in blanken Hass. Doch gleichzeitig empfand er eine gewisse
Erleichterung, einer Gefahr entronnen zu sein – besser gesagt sie
aufgeschoben zu haben.
In den nächsten Monaten nahmen Ernani und Otello besondere Rücksicht
auf ihn. Bevor sie sich nach dem Abendessen die Hüte aufsetzten, warteten
sie, bis er die Küche verlassen hatte. Doch am Abend seines achtzehnten
Geburtstags stand er als Erster von der Tafel auf und sagte zum Vater, ohne
die Mutter anzusehen: »Also gut, können wir?« Viola musste nachgeben. An
diesem Abend endete ihr allmächtiges Vorrecht der Mutter auf den Körper
des Sohnes.
Auf der Straße nach Bagnacavallo sprach niemand ein Wort, weder Vater
noch Söhne. Das Korn auf den rechteckigen Feldern war gerade erst gemäht,
in der Luft lag der Geruch nach Stroh. Die Sterne waren Lichtschlieren im
Dunst. In den Pappelreihen setzten sich die Spatzen mit letztem Gezwitscher
zur kurzen Sommernacht zurecht. Attilio atmete ein, sah sich um und
lauschte mit den geschärften Sinnen eines Jägers; die nicht asphaltierte Straße
klang elastisch unter seinen Füßen nach. Er spürte sein Verlangen und seine
Angst, überlegte kurz, in die Küche der Mutter zurück zu fliehen, würde aber,
wenn er das tat, vielleicht ein Messer nehmen und sie erstechen müssen.
Schweigend lief er weiter.
Als sie das Freudenhaus erreichten, ging die Tür auf, ohne dass sie
klingeln mussten. Schwere Luft schlug ihm entgegen. Eine Mischung aus
Zigarettenrauch – Nazionali, Popolari, Alfa – und dem Geruch nach Seife
und Lysoform, das Ganze bedeckt von einer Schicht billigen Parfüms:
Arpège, Amour Amour, Moment Suprème. In der Vorhalle saßen Männer
jeden Alters auf unechten Empire-Sofas, während zwischen ihnen halbnackte
Frauen flanierten: in Slip und BH, im Rock und oben ohne, nur mit einer
offenen Bluse über dem nackten Körper. Die Maitresse, die ein graues Kleid
trug wie eine Telefonistin, saß hinter dem schlichten Tresen aus dunklem
jeff_l
(Jeff_L)
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