dachte, da sie es ihm seit zwanzig Jahren durch ihre Verweigerung und
Enttäuschung mitteilte: »Doch, das ist es. Genau wie du.«
Niemand kontrollierte also vor der Casa del Fascio die Trauringe. Schon
bald war Viola Profeti an der Reihe, schließlich war sie die Frau des
Stationsvorstehers, Schlüsselfigur in der Dorfgemeinschaft nach dem
Bürgermeister, den örtlichen Honoratioren, dem Doktor, dem Apotheker und
dem Chef der Carabinieri. Alle sahen, wie sie sich den echten Trauring vom
Finger zog und wie eine Erkennungsmarke über den Kessel hielt. Einen
Moment lang fühlte sich die Frau des Bahnhofsvorstehers gleichrangig mit
einer Königin, mit der Gräfin Baracca, mit all den Frauen, die ihre Männer
liebten und ein glückliches Leben führten. Dann, mit einem leichten
Klimpern, fiel der Ring in den Kessel. Der Sektionssekretär steckte ihr den
Eisenring an den Finger, und Viola Profeti ehelichte mit verklärter Miene
ihren Duce.
Auf dem Nachhauseweg musterte Ernani heimlich das Gesicht seiner
Frau. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und starrte mit fast fiebrigem
Blick vor sich hin. Sofort vergaß Ernani die Anstrengung, mit der er sich den
ganzen Vormittag im Regen auf den Beinen gehalten hatte, und machte sich
Sorgen um sie. War Viola krank? Sie war aber auch völlig durchnässt, das tat
ihr bestimmt nicht gut. Und wie schön sie war, so ernst und blass, die jung
gebliebene Haut straff über den eleganten Zügen, aber auch zerbrechlich und
einsam. Wenn die letzten zwanzig Jahre zwischen ihnen anders verlaufen
wären, wenn es nicht diese unsichtbare Mauer in ihrem Ehebett gegeben
hätte, wenn die Enttäuschung und Bitterkeit nicht immer in ihrer Stimme
mitschwingen würden, sobald sie mit ihm sprach, dann hätte er ihr jetzt auf
dem Weg zum Bahnhof seinen schützenden Arm um die Schultern gelegt.
Hätte sie an sich gezogen, ihr süße Dinge ins Ohr geflüstert. Hätte ihr gesagt,
dass seine Liebe nach zwanzig Jahren noch dieselbe war wie am ersten Tag.
Doch er tat nichts von alldem. Er senkte nur den Schirm ein wenig und passte
sich ihren Schritten an.
Viola schien die Gefühle, die ihn durchströmten, nicht zu bemerken.
Ungerührt lief sie vor sich hin. Ernani hingegen durchzuckte beim Anblick
ihres Gesichts eine jähe Erkenntnis: Um diese so geliebte und unglückliche
Frau zu retten, wäre er bereit zu sterben. Ein einfacher Gedanke, wie alles
Unausweichliche, und Ernani hatte das Gefühl einer Weissagung. Die es auch
war, wenngleich umgekehrt.
jeff_l
(Jeff_L)
#1