Süddeutsche Zeitung - 18.09.2019

(Tina Sui) #1
Der Spätsommer ist die Zeit der Weinlese
und bietet die Gelegenheit für ungewöhnli-
che Perspektiven: Warum nicht mal von
oben schauen auf den Escherndorfer
Lump? Das ist eine der besten Weinlagen
Frankens, in dem Ortsteil von Volkach im
Landkreis Kitzingen sind sie stolz auf ih-
ren besonderen Wein. Die Hänge am Main
sind steil, in ihnen entsteht ein Mikrokli-
ma, das die Sonnenstrahlen einfängt und
kalte Winde abhält, wie es in Escherndorf
beschrieben wird. Und wunderschön ist es
dort noch dazu. Die Arbeiter im Weinberg
ernten gerade Silvaner-Trauben, aus de-
nen einer der wichtigsten Weine Frankens
wird. Charakteristisch für Silvaner ist laut
Deutschem Weininstitut „ein feiner Duft,
der an Kräuter oder auch Stachelbeeren er-
innert und manchmal vom Aroma frischen
Heus begleitet wird“. Je nach Boden kann
er auch nach reifen Birnen und Artischo-
cken duften. Das klingt schon beinahe
nach Poesie. Aber auch wer keine Artischo-
cken erkennt, kann sich bei Gelegenheit ei-
nen Schoppen vom Escherndorfer Lump
schmecken lassen. hfri

von sebastian beck

D

er CSU-Bezirksverband Schwa-
ben führt derzeit ein kurioses
Schauspiel auf: Er sägt seinen ein-
zigen Minister im Kabinett ab und will
ihn zum Landrat von Günzburg degradie-
ren. Das ist schon deshalb bemerkens-
wert, weil die Schwaben traditionell jam-
mern, dass sie im bayerischen Macht-
spiel zu kurz kommen.
Allerdings hat die schwäbische CSU im
Landtag auch wenig anzubieten: Zwar
stellt sie in Thomas Kreuzer aus Kempten
den Fraktionschef. Dessen Aura reicht
aber ungefähr vom Münchner Maximilia-
neum bis zur Isarbrücke, und auch in der
Fraktion gibt es manche, die Kreuzer ger-
ne loswerden würden. Dass Ministerprä-
sident Markus Söder in Hans Reichhart ei-
nen Bauminister ohne Landtagsmandat
in sein Kabinett holte, spricht ebenfalls
nicht für die Schwaben. Der frühere JU-
Landeschef Reichhart ragt aus dem Mit-
telmaß schon wegen seines Amts als ein-
ziger heraus. Mit seinen 37 Jahren hätte
er zudem die Perspektive gehabt, sich in
der Landespolitik zu etablieren. Damit ist
es vorbei. Reichhart hat beste Chancen,
im kommenden Jahr die Wahl zum Land-
rat zu gewinnen. Der Job ist mindestens
genauso stressig und anspruchsvoll wie
der des Bauministers. Und ja, ein Landrat
kann sich sein kleines Königreich schaf-
fen. Das hat Franz Meyer aus Passau vor-
gemacht: Der einstige Staatssekretär im
Finanzministerium unter Edmund
Stoiber regiert seit 2008 unangefochten
im Landkreis Passau.
Trotzdem sieht es seltsam aus, wenn ei-
ner, der gerade aus dem Startblock ge-
kommen ist, schon wieder nach Hause
schleicht. An der Entscheidung hat der
CSU-Landtagsabgeordnete Alfred Sauter
maßgeblich mitgewirkt, wie immer de-
zent im Hintergrund und vermutlich aus
eigenem Interesse. Seit seinem Rauswurf
aus dem Kabinett Stoiber im Jahr 1999 be-
treibt Sauter Politik auf eine sehr speziel-
le Art. In Reichhart hat der 69-jährige Sau-
ter einen potenziellen Konkurrenten um
sein Direktmandat im Jahr 2023 aus dem
Weg geräumt. Reichhart gilt als umgängli-
cher Mensch, ohne allzu großen Machtin-
stinkt. Das könnte aus ihm einen guten
Landrat machen, wenn er denn gewinnt.
Für die große Bühne ist er vielleicht dann
doch ein zu netter Kerl.


Der perfekte


Lump


München– Die Internetverbindung in Bay-
erns Zügen soll deutlich besser werden –
und so das Bahnfahren nach dem Willen
von Verkehrsminister Hans Reichhart
(CSU) noch attraktiver machen. Zum Start
sollen 25 neue Züge der Bayerischen Ober-
landbahn (BOB) vollständig mit Wlan aus-
gestattet werden. Sie werden von 2020 an
zwischen München und Lenggries, Bay-
rischzell und Tegernsee verkehren. Reich-
hart sieht darin eine enorme Verbesserung
für die Fahrgäste: Die neuen Züge seien
komfortabler, zuverlässiger und emissi-
onsärmer, das kostenlose Internet für alle
Fahrgäste sei „das i-Tüpfelchen“.
Das Modell soll beispielhaft für die Zu-
sammenarbeit mit weiteren Eisenbahnun-
ternehmen sein. Die Kosten für die Wlan-
Ausrüstung von 25 000 bis 50 000 Euro
pro Zug wird der Freistaat übernehmen.
Nach der Vergabe der 5-G-Frequenzen
rechnet die Staatsregierung in den nächs-
ten Jahren mit einer deutlichen Verbesse-
rung der Netzabdeckung auch entlang von
Bahnstrecken. „Es lohnt sich deshalb,
schon jetzt in die Ausstattung der Züge zu
investieren“, sagt Reichhart. Die BOB habe
im Gegenzug zugesagt, die Betriebskosten
für die Wlan-Nutzung zu übernehmen.
Bei der Netzabdeckung entlang der Glei-
se sieht Reichhart die Mobilfunkanbieter
in der Pflicht. Sobald diese Voraussetzung
erfüllt ist, will er auf allen Zugverbindun-
gen in Bayern eine Internetverbindung zur
Verfügung stellen. Bei Neuausschreibun-
gen von Verkehrsverträgen werde die Bay-
erische Eisenbahngesellschaft die Ausrüs-
tung und den Betrieb von Wlan zur Pflicht
machen. Zudem soll bei Verträgen mit ei-
ner Laufzeit von mindestens fünf Jahren
mit den jeweiligen Eisenbahnverkehrsun-
ternehmen verhandelt werden. Wie bei der
BOB sollen die Kosten für die Nachrüstung
zwischen Freistaat und Eisenbahnunter-
nehmen aufgeteilt werden. wiw


Neutraubling– DerOberpfälzer Abfüll-
und Verpackungsanlagenbauer Krones
will wegen schlecht laufender Geschäfte
300 bis 400 Stellen abbauen. Dies soll Leih-
arbeiter und Krones-Mitarbeiter treffen,
wie das Unternehmen am Dienstag mitteil-
te. Krones will die Kosten senken, um trotz
schwächeren Umsatzwachstums wettbe-
werbsfähig zu bleiben. Die hohen Perso-
nal- und Materialkosten beeinträchtigten
die Wettbewerbsfähigkeit. „Ein Einstel-
lungsstopp allein genügt nicht“, hieß es in
der Mitteilung. Der Markt in der Abfüll-
und Verpackungstechnik wachse nicht
mehr so stark wie bisher. Krones hat gut
10 000 Mitarbeiter. Sie arbeiten an den bay-
erischen Standorten Neutraubling, Nitte-
nau, Rosenheim und Freising sowie im
schleswig-holsteinischen Flensburg. dpa


von florian fuchs

Immenstadt– Eigentlich, sagt Ulrich Gam-
pert, sei er bequem und konfliktscheu,
wahrlich kein Rebell. Und trotzdem muss
er an diesem Mittwoch ins Amtsgericht
Sonthofen, er hat Einspruch eingelegt ge-
gen einen Strafbefehl über 4000 Euro we-
gen „Beihilfe zum unerlaubten Aufent-
halt“. Gampert versteht die Staatsanwalt-
schaft nicht, im Grunde versteht er die gan-
ze Politik nicht mehr, den Freistaat und
auch Bundesinnenminister Horst Seeho-
fer. Gemeinsam mit seiner Frau Marlies,
mit der er sich in der evangelisch-lutheri-
schen Gemeinde in Immenstadt die Pasto-
renstelle teilt, hat er einem Flüchtling Kir-
chenasyl gewährt – 14 Monate lang. Und
nun ist Ulrich Gampert der erste Pfarrer in
Bayern, dem deshalb ein Strafbefehl zuge-
stellt wurde. Im sich zuspitzenden Streit
zwischen Kirche und Staat um das Kirchen-
asyl ist Gampert so etwas wie der Präze-
denzfall.
„Dabei wäre es mir eigentlich lieber ge-
wesen, wenn meine Frau den Strafbefehl
bekommen hätte. Die macht in der Öffent-
lichkeit eine bessere Figur“, sagt Gampert
und lächelt. „Na vielen Dank“, sagt Mar-
lies Gampert und lächelt zurück. Ihren Hu-
mor haben sie nicht verloren, aber sie stau-
nen, dass sie es nun sind, in deren Fall ein
Gericht entscheiden soll, ob es tatsächlich
strafbar ist, Kirchenasyl zu gewähren. „Ei-
ner müsste es mal durchziehen“, habe es
im Kollegenkreis oft geheißen, wenn sie
über das Thema geredet haben. Aber da ha-
ben sie eigentlich gedacht, dass es ein ande-
rer sein werde, der es durchzieht.
Seit 2015 verschärft sich der Streit ums
Kirchenasyl. Damals einigten sich Kirchen
und das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (Bamf), dass Gemeinden, die
Kirchenasyl gewähren, ein sogenanntes
Härtefalldossier erstellen, und das Amt
auf Grundlage dessen den Fall noch ein-
mal überprüft. Die Abmachung regelt die
Dublin-Fälle, bei denen Flüchtlinge in das
Land abgeschoben werden sollen, in dem

sie erstmals registriert wurden. Nach einer
Frist von sechs Monaten, so hieß es, solle
Deutschland das Asylverfahren überneh-
men. Doch aus Sicht des Innenministeri-
ums verfehlte die Vereinbarung ihr Ziel,
die Kirchen hätten kaum Dossiers einge-
reicht und ablehnende Bescheide nicht ak-
zeptiert. Seit 2018 muss Deutschland das
Verfahren erst nach 18 Monaten überneh-
men, was die Situation für Kirchen deut-
lich schwieriger macht, weil die Menschen
viel länger untergebracht werden müssen.
Im vergangenen Jahr gab es in Deutsch-
land laut Bamf in 1521 Fällen (in Bayern
269) Kirchenasylmeldungen für 2273 Per-
sonen – die mit Abstand meisten in evange-
lischen Gemeinden. In knapp 13 Prozent
dieser Fälle wurde tatsächlich eine außer-
gewöhnliche Härte festgestellt, der Kirche
sozusagen recht gegeben. 2019 sind bis


  1. August nur noch 441 (in Bayern 81) Kir-
    chenasylmeldungen für 662 Personen ein-
    gegangen – mit einer außergewöhnlichen
    Härte in fünf Fällen. Deutlich weniger Ge-
    meinden nehmen also Flüchtlinge ins Kir-
    chenasyl auf. Das Bamf begründet dies da-
    mit, dass Härtefälle inzwischen schon bes-
    ser von Amts wegen identifiziert werden.


Als in Immenstadt alles anfing, im Mai
2018, da konnten sich die Gamperts nicht
vorstellen, noch einmal jemandem Kir-
chenasyl zu gewähren. Sie hatten das
schon zweimal getan, es sei kräftezehrend,
sagen sie. Beim ersten Mal löste sich alles
in Wohlgefallen auf, beim zweiten Mal lei-
tete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen
ein, die sie dann aber fallen ließ. Und nun
also Reza Jafari, ein 22 Jahre alter Afghane,
der aus Iran nach Deutschland gekommen
war. Ein ungewöhnlicher Fall, weil Jafari
nicht unter die Dublin-Regelung fällt, son-
dern nach Afghanistan abgeschoben wer-
den sollte. Reza Jafari ist afghanischer

Staatsbürger, wohnte aber seit dem vier-
ten Lebensjahr in Iran, von wo aus er 2015
nach Deutschland floh und Asyl beantrag-
te. Er gehört der Volksgruppe der Hazara
an, einer in Afghanistan diskriminierten
Minderheit, was nach Asylrecht kein
Fluchtgrund ist. Als er abgeschoben wer-
den sollte, tauchte er unter.
„Es ist nicht so, dass man bei uns anruft
und Kirchenasyl buchen kann“, sagt Ulrich
Gampert. Das Ehepaar hat auch schon Fäl-
le abgelehnt, die an sie herangetragen wur-
den. „Aber den Fall von Reza haben wir ge-
wissenhaft geprüft und dann war für uns
klar: Wir müssen ihn aufnehmen“, sagt
Marlies Gampert. Aus ihrer Sicht ist es so:
Ein psychiatrisches Gutachten sei nicht
ausreichend gewürdigt worden, Jafari sei
schwer traumatisiert. Er habe ein soziales
Netz aufgebaut, habe eine deutsche Verlob-
te, sei im Fußballverein, spreche perfekt

Deutsch. Inzwischen hat er eine Lehrstelle
in einem Möbelhaus. „Ein Musterbeispiel
an Integration“, sagen die Gamperts. In Af-
ghanistan dagegen habe er nur einen ent-
fernten Cousin, er kenne das Land nicht,
ihm drohe Verfolgung. Und die Aussage sei-
ner damaligen Anwältin lautete: Das Kir-
chenasyl dauere höchstens zwei bis vier
Wochen. Eine fatal falsche Einschätzung.
Aus Sicht des Amtsgerichts Sonthofen
ist es dagegen so: Die Vereinbarung der Kir-
chen mit dem Bamf gelte nur für Dublin-
Fälle, also nicht für Reza Jafari. Ermittlun-
gen gegen die Gamperts im Jahr 2017 we-
gen eines ähnlich gelagerten Falls seien
zwar wegen geringer Schuld eingestellt
worden: Dem Angeklagten sei aber damals
schon sein strafbares Handeln vor Augen
geführt worden und auch im laufenden Ver-
fahren sei er schriftlich auf seinen Verstoß
hingewiesen worden.

Kirchenasyl ist nicht gesetzlich veran-
kert, es ist – politisch wie rechtlich – ein
Graubereich. In anderen Bundesländern
gab es schon Verfahren, mit unterschiedli-
chem Ausgang. Dass es nun in Bayern eine
rechtliche Klärung gibt, sehen die Gam-
perts positiv, wie auch die evangelische Kir-
che, die die Prozesskosten übernimmt.
Die Signale der Politik kann das Ehe-
paar Gampert nicht mehr nachvollziehen:
Horst Seehofer war 2017 als Ministerpräsi-
dent beim Auftakt der Allgäuer Festwoche,
damals sagte er, dass die Staatsanwalt-
schaften beim Kirchenasyl Zurückhaltung
üben sollten. Als Bundesinnenminister
schlägt er ganz andere Töne an. „Wenn
man uns schon als Gutmenschen abstem-
pelt“, ärgert sich Marlies Gampert, „dann
verstehe ich nicht, warum die Politik nicht
wenigstens auf die Wirtschaft hört.“ Stän-
dig klagten Unternehmer, dass sie die Ar-
beitskräfte brauchen, setzten sich für
Flüchtlinge ein, die abgeschoben werden
sollen. „Wenn dann sogar Leute aus der Al-
tenpflege abgeschoben werden: Da verste-
he ich die Welt nicht mehr“, sagt sie.
Kirchenasyl, betont das Pastoren-Ehe-
paar, bleibe immer ein außergewöhnliches
Mittel. 14 Monate war Reza Jafari bei ih-
nen, bevor er auf eine Petition hin vom
Landtag einen Aufschub bekommen hat:
Momentan darf er nicht abgeschoben wer-
den, er hat eine Perspektive, allerdings
muss er sich am Mittwoch wegen unerlaub-
ten Aufenthalts vor Gericht verantworten


  • auch er hatte einen Strafbefehl erhalten.
    In den 14 Monaten hatte er kaum Beschäfti-
    gung. „Das ist ja wie ein Gefängnis, bloß
    mit etwas mehr Grund. Das ist sehr belas-
    tend, da waren sehr viele dunkle Tage“,
    sagt Marlies Gampert. Das Kirchenasyl sei
    eine Bitte an den Staat: Schaut noch ein-
    mal drauf. Es sei kein rechtsfreier Raum,
    sie hätten alle staatlichen Stellen infor-
    miert. Es sei eher wie eine Auszeit vom Voll-
    zug staatlicher Gesetze. Für ihn habe Kir-
    chenasyl etwas Heiliges, sagt Ulrich Gam-
    pert. Und da gehe man jetzt dran. „Wenn
    man das kippt, dann geht etwas verloren.“


Bad Staffelstein– Nach und nach tröpfeln
die Abgeordneten am Dienstag in Kloster
Banz ein. Der Fraktionsvorstand sitzt be-
reits einen Tag bei seiner Herbstklausur zu-
sammen, jetzt kommen die Minister und
normalen Mitglieder an. Im Eingang wer-
den Hände geschüttelt und Küsschen ver-
teilt, die CSU hat sich wieder lieb. Auch
Hans Reichhart zieht sein Rollköfferchen
den Berg hinauf. Da läuft ihm eine Kollegin
in die Arme und flüstert: „Mensch, was
machst du denn für Sachen?“
Diese Frage hatte sich manch anderer
auch gestellt, als Reichhart am Montag mit-
teilte, dass er bei der Kommunalwahl im
März als Günzburger Landrat antreten wol-
le und dafür sogar bereit ist, sein Amt als
Minister für Bau, Wohnen und Verkehr zu
räumen. Schon andere bekannte CSU-Na-
men haben den Wechsel in die Kommunal-
politik versucht: Günther Beckstein wollte
Oberbürgermeister in Nürnberg werden,
Barbara Stamm OB in Würzburg. Stamm
war Staatssekretärin, Beckstein Abgeord-
neter, beide scheiterten. Reichharts Chan-
cen stehen ungleich besser. Und doch ist es
ein einmaliger Vorgang in Bayern, dass ein
Minister aussteigt, um Landrat zu werden.
Parteifreunde rieten Reichhart zum Blei-
ben. Sie sagten ihm, dass er als Minister

für seine Heimat doch viel mehr bewegen
könne. Dass er mit 37 Jahren seine ganze
landespolitische Zukunft wegwerfen wür-
de. Sie ermunterten ihn, standhaft zu blei-
ben. Man darf davon ausgehen, dass Reich-
hart all die Argumente selbst gewälzt hat.

Ratgeber hörten aus Reichharts Antwort ei-
ne Verbundenheit zur Günzburger CSU her-
aus, die er wohl als Verpflichtung verstand.
Als sich abgezeichnet hatte, dass er nicht
wieder über die Liste in den Landtag einzie-
hen würde, hatten sie daheim eine Art Pakt
geschlossen. Dann würde er, Reichhart,
eben als Landrat aufgestellt. Die Kreistags-
fraktion führt er ohnehin an. Dass Markus
Söder ihn ohne Mandat ins Kabinett holen
würde, war damals nicht abzusehen. Vor al-
lem eine Person soll sich davon nicht beein-
drucken haben lassen – und auf die Einhal-
tung des gegenseitigen Versprechens be-
standen haben: Alfred Sauter.
Mancher in der CSU hatte gehofft, Sau-
ter würde das Direktmandat schon vor der
Landtagswahl 2018 zu Reichharts Gunsten
abgeben. Es wäre ein harmonischer Über-
gang gewesen: Der frühere Justizminister,
69, macht den Weg frei für ein politisches
Talent. Nun hegt mancher den Verdacht,
dass der Günzburger CSU-Kreischef auch
zur nächsten Wahl antreten will – oder zu-
mindest nicht bereit ist, einen weiteren
Fürsprecher der Region neben sich zu dul-
den. Söder hat offenbar einen guten Ein-
blick in die örtlichen Verhältnisse. Er sagte
am Dienstag, dass er Reichharts Entschei-
dung sehr bedaure, aber respektiere. Reich-

hart müsse nun nominiert werden – „wo-
bei ich davon ausgehe, dass der Alfred Sau-
ter das schon gut vorbereitet hat. In Günz-
burg gibt’s keine Zufälle parteilich.“
„Dynamisch, nachhaltig, innovativ“,
heißt das Motto der CSU-Klausur in Banz.
Fraktionschef Thomas Kreuzer hat die Ver-
zahnung von Klimaschutz und Konjunktur
weit oben auf die Agenda gesetzt. An die-
sem Mittwoch will Ministerpräsident Sö-
der in einer Grundsatzrede seine Pläne für
eine Forschungsoffensive im Freistaat vor-
stellen. Dass im Hintergrund eine Personal-
debatte schwelt, war nicht eingeplant.

Söder hat bereits klargestellt, dass er kei-
nen Zeitdruck für eine Kabinettsumbil-
dung sieht. Bis zum nächsten Jahr werde
nichts passieren. In der CSU ist man trotz-
dem gespannt, wie Söder das Personalpuz-
zle lösen wird, sollte Reichhart ausschei-
den. Mit einer schwäbischen Nachbeset-
zung aus der Fraktion? Dann kämen wohl
am ehesten Klaus Holetschek oder Eric
Beißwenger infrage. Allerdings waren sie

zuletzt schon nicht zum Zug gekommen. Al-
so wieder eine externe Variante? Kurt Gribl
brächte als scheidender Augsburger OB
und bayerischer Städtetagspräsident gute
Voraussetzungen mit, ist dem Vernehmen
nach aber aus dem Rennen. Sein Amt als
stellvertretender CSU-Chef soll auf dem
Parteitag im Oktober der Augsburger Land-
rat Martin Sailer übernehmen. Auch Sailer,
49, wird für ministrabel erachtet. Oder
dreht Söder das ganz große Rad?
Sollte der Schwabe Kreuzer ins Kabinett
wechseln, wäre die Fraktionsspitze frei.
Ein Kandidat für den Job wäre Markus Blu-
me, dem zugetraut wird, die Fraktion zur
Ideenschmiede zu formen. Blumes Amt als
CSU-Generalsekretär könnte dann der Sö-
der-Vertraute Florian Hahn übernehmen.
Kreuzer hat derlei Avancen bisher abge-
wehrt. In Banz sagte er: Man werde sich Ge-
danken machen, wenn die Zeit reif sei.
Das Schulterklopfen für Reichhart ging
derweil weiter. Reichhart sei ein netter, an-
ständiger Kerl, der es jedem recht machen
wolle, lobten Kabinettskollegen. „Passt, all-
les gut“, sagte Reichhart, er habe viel positi-
ve Rückmeldung erhalten. Am Mittwoch
geht die Klausur weiter. Auf der Tagesord-
nung: Sachstand Kommunalwahlkampf.
wolfgang wittl  Kommentar

Krones will 300 bis


400 Stellen abbauen


Kostenloses Wlan


in 25 Zügen der BOB


REICHHARTS ABGANG

Schwäbisches


Mittelmaß


Ulrichund Marlies Gampert teilen sich die Pastoren-Stelle in Immenstadt. Drei-
mal gewährten sie Menschen Kirchenasyl. Das sei kräftezehrend. FOTO: FLORIAN FUCHS

„Es ist nicht so, dass man bei uns
anruft und Kirchenasyl buchen
kann“, sagt Ulrich Gampert

Gerichtstermin wegen Nächstenliebe


Ulrich Gampert gewährt einem jungen Afghanen Kirchenasyl – und bekommt als erster Pfarrer in Bayern dafür einen Strafbefehl.
Weil er Widerspruch einlegt, gibt es nun einen Prozess. Der Pastor hat zwar seinen Humor behalten, an der Politik allerdings zweifelt er längst

In #banz19 sieht sich die CSU auf einem
Plakat selbst als „dynamisch, nachhal-
tig, innovativ“. FOTO: NICOLAS ARMER/DPA

Klausurtagung mit Personaldebatte


Die Pläne von Bauminister Hans Reichhart, als Günzburger Landrat in die Kommunalpolitik zu wechseln, beschäftigen die CSU-Fraktion in Kloster Banz


Der Augsburger Landrat
Martin Sailer soll anstelle von
Kurt Gribl neuer CSU-Vize werden

FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAND/DPA


DEFGH Nr. 216, Mittwoch, 18. September 2019 – R11


BAYERN

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