Frankfurter Allgemeine Zeitung - 06.09.2019

(Nandana) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Sport FREITAG, 6. SEPTEMBER 2019·NR. 207·SEITE 31


Rücktritt aus Langeweile
Costa Ricas Fußball-Nationaltrainer Gus-
tavo Matosas hat vor dem Länderspiel ge-
gen den zweimaligen Weltmeister Uru-
guay seinen Abschied verkündet. Seine
Begründung: „Ich war gelangweilt und
fühlte mich nicht produktiv. Manchmal
hatte ich den Eindruck, ich wäre im Ur-
laub.“ Matosas übernimmt in Zukunft
nach dem Duell mit dem Team aus sei-
nem Heimatland den mexikanischen
Klub Atlético de San Luis Potosí. Der cos-
ta-ricanische Verband bestätigte die De-
mission des Fußballlehrers, der seit Okto-
ber 2018 in dem mittelamerikanischen
Land tätig gewesen war. „Er hat von sei-
ner Ausstiegsklausel Gebrauch gemacht
und nimmt eine große professionelle
Möglichkeit wahr“, sagte Verbandspräsi-
dent Rodolfo Villalobos. (sid)

Rekordvertrag für Elliott
Running Back Ezekiel Elliott und die
DallasCowboys aus der amerikanischen
Football-Profiliga NFL haben sich kurz
vor dem Start der neuen Saison auf eine
Vertragsverlängerung geeinigt. Elliott,
der sich wegen der Verhandlungen nicht
mit dem Team auf die Saison vorbereitet
hatte, unterschrieb einen mit 90 Millio-
nen Dollar dotierten Sechsjahresvertrag,
der ihn bis ins Jahr 2026 in Dallas halten
wird. Elliotts aktueller Kontrakt läuft bis


  1. Mit einer garantierten Vertrags-
    summe von 50 Millionen Dollar wird El-
    liott zum bestbezahlten Running Back
    der NFL-Geschichte. Zum Saisonauftakt
    spielen die Cowboys am Sonntag gegen
    die New York Giants. (dpa)


VfB Stuttgart reagiert kühl
Die deutliche Botschaft aus Kalifornien
hatden VfB Stuttgart offenbar völlig un-
erwartet getroffen. „Die Aussagen von
Jürgen Klinsmann, dass die Kommuni-
kation nicht zielführend und ohne jegli-
che Dringlichkeit seitens des VfB gewe-
sen sein soll, haben uns überrascht und
sind nicht nachvollziehbar“, sagte Inte-
rimspräsident Bernd Gaiser im Namen
des Aufsichtsrates der Schwaben kühl.
Am Donnerstag tat sich dafür ein neuer
Präsidentschaftskandidat auf. Der
1990er-Weltmeister Guido Buchwald
zeigt offenbar Interesse an der Präsi-
dentschaft beim Fußball-Zweitligaklub.
Dies berichtet die „Stuttgarter Zei-
tung“. Die Absage Klinsmanns für den
neu geschaffenen Posten des Vorstands-
bosses schlug in der schwäbischen Lan-
deshauptstadt hohe Wellen. Am Sams-
tag sollten die Verhandlungen zwischen
der Führung des Traditionsklubs und
der VfB-Ikone Klinsmann eigentlich
fortgesetzt werden. Man bedauere, so
Gaiser, „dass nach einem ersten kon-
struktiven Gespräch mit ihm nun keine
Vertiefung der Gespräche über eine
mögliche Zusammenarbeit stattfinden
wird“. (dpa)

DTM erstmals in Monza
Das Deutsche Tourenwagen-Masters gas-
tiert in der kommenden Saison erstmals
in Monza in Italien. Das gab die DTM-
Dachorganisation ITR am späten Mitt-
wochabend bekannt, nachdem die Ver-
träge mit den Betreibern unterzeichnet
worden waren. (dpa)

In Kürze


mr. BERLIN.Mitdem höchsten WM-
Sieg in ihrer Geschichte hat sich die
deutsche Basketball-Nationalmann-
schaft bei der Weltmeisterschaft in Chi-
na zurückgemeldet. Doch mit dem
96:62 über Jordanien vom Donnerstag
in Shenzhen ist nichts gewonnen au-
ßer, vielleicht, ein wenig Selbstvertrau-
en und Unbeschwertheit. Die Niederla-
gen gegen Frankreich und die Domini-
kanische Republik jedenfalls haben da-
für gesorgt, dass diese letzte Begeg-
nung der Vorrunde die erste von drei
ist, welche das Team um Aufbauspieler
Dennis Schröder gewinnen muss, will
es im Juni nächsten Jahres an einem
der Qualifikationsturniere für die
Olympischen Spiele von Tokio 2020
teilnehmen. Samstag und Montag geht
es in Schanghai gegen Kanada und Se-
negal, die am Donnerstag 82:60 gegen-
einander spielten.
„Heute war ein gutes Spiel“, sagte
Schröder, als er als bester Spieler der
Partie ausgezeichnet wurde. „Wir ha-
ben noch ein Ziel: Wir wollen uns für
Olympia qualifizieren.“ Die Unbe-
schwertheit vergangener Tage schien zu-
rück zu sein; zeitweise spielte die deut-
sche Auswahl gegen die überforderten
Jordanier hinreißend. Deren erfolg-
reichster Werfer war Ahmad al Dwairi
mit 17 Punkten. Schröder bestritt gegen-
über dem Sender Magentasport, mann-
schaftsdienlicher eingestellt gewesen
zu sein als zuvor: „Ich spiele mein Spiel,
oder ich spiele gar nicht.“
Die Zahlen sprechen eine andere
Sprache. Lediglich sechs Würfe nahm
er aus dem Feld, kam in den knapp 25
Minuten, die er spielte, auf zehn Punkte
und elf Assists (von insgesamt 29 der
Mannschaft). Erfolgreichster Werfer
war dadurch mit 18 Punkten Maxi Kle-
ber, der noch im Spiel gegen die Domini-

kanische Republik nicht ein einziges
Mal zum Wurf gekommen war. Ihm folg-
ten Danilo Barthel mit zwölf und Paul
Zipser mit elf Punkten. In den vorherge-
henden Spielen hatte Schröder domi-
niert. Er spielte deutlich länger (36 und
34 Minuten), warf dreimal so häufig
(19 und 18) und erzielte so trotz schlech-
ter Trefferquote (37 und 28 Prozent) 23
und 20 Punkte.
„Ich wusste, dass die Mannschaft gut
reagieren würde“, sagte Bundestrainer
Henrik Rödl. Wie in den beiden enttäu-
schenden Spielen zuvor ließ er Schrö-
der und Ismet Akpinar (sieben Punkte),
Daniel Theis (sieben), Zipser und Kle-
ber beginnen, setzte aber, anders als zu-
vor, jeden seiner zwölf Spieler ein. Er
spüre bei ihnen eine Mischung aus Ent-
täuschung, Wut und neuem Fokus, sag-
te der Coach. Die Olympia-Qualifikati-
on sei eine sehr würdige Aufgabe.
Insbesondere Kleber, der sich als Ver-
teidigungs-Spezialisten beschrieb,
glänzte. Zusätzlich dazu, dass er gegne-
rische Würfe blockte, traf er drei Drei-
er, ließ sich im Flug am Korb anspielen,
was er einmal zu einem einhändigen
Dunk nutzte, ein andermal, leider vom
Schiedsrichter abgepfiffen, zu einem
Treffer hinter dem Rücken. Auch Zipser
zeigte Spielfreude und nutzte einen sei-
ner zwei Ballgewinne zu einem spekta-
kulären Solo übers Spielfeld zu Korb
und Treffer. Übertroffen wurde er darin
noch von Schröder, der nach Einwurf
vier Sekunden vor der Halbzeitpause
bei einem Spurt durch die gegnerische
Hälfte einige Gegenspieler umkurvte
und den Ball zirkusreif in einer hohen
Flugkurve versenkte. Zu den Schwä-
chen des Spiels gehört, dass die Deut-
schen im zweiten Viertel neun von elf
Punkten Vorsprung verspielten. Dies-
mal war das kein Beinbruch.

M


onza, der Gran Premio
d’Italia, ist Ferrari einen
halbstündigen Vortrag
wert, schon acht Tage vor
dem Rennen. Das rote Mo-
torhome als Hörsaal. „How to develop and
run a car for Monza“ stand auf dem Stun-
denplan. Wie ein Auto für Monza zu entwi-
ckeln ist, sollten Enrico Cardile und Lau-
rent Mekies am vergangenen Samstag in
Belgien erklären. Cardile ist für die Aero-
dynamik zuständig, Mekies der Sportdirek-
tor. Sie bekleiden wichtige Positionen
beim berühmtesten Team, „Säulen der Or-
ganisation“, so wurden sie vorgestellt.
Aber wenn man durchaus die Vor-
lesungsmetapher bemühen möchte, stellt
sich schon die Frage, ob es in der Formel 1
nicht andere Vorlesungssäle gibt, in denen
gerade der zweite Teil des Lehrinhalts, je-
ner das Rennfahren in Monza betreffende,
mit etwas mehr Erfolg in der Praxis ge-
lehrt wird. Zuletzt hat Ferrari den Großen
Preis von Italien im Jahr 2010 gewonnen,
mit Fernando Alonso. Seither: zwei Siege
für Red Bull (Sebastian Vettel, 2011 und
2013), sechs für Mercedes, davon fünf von
Lewis Hamilton.
Im vergangenen Jahr, Frontmann Vettel
hatte soeben in Spa gewonnen, kam Ferra-
ri als Favorit nach Monza. Und versemmel-
te die praktische Prüfung spektakulär. Da
musste Vettel seinem damaligen Teamkol-
legen Kimi Räikkönen in der letzten Quali-

fying-Runde Windschatten geben. Zwei
bis drei Zehntelsekunden sind so zu gewin-
nen, erzählt Cardile, eine halbe Sekunde
pro Runde insgesamt. Aber: „Windschat-
ten ist ein gefährliches Spiel.“ Vor allem,
wenn man es so spielt wie Ferrari im ver-
gangenen Jahr. Denn Räikkönens Pole Po-
sition kompromittierte Vettels Weltmeis-
terschaftschancen, im Rennen tags darauf
schlug Hamilton sofort zu, verdrängte Vet-
tel. Dessen Konter endete mit einem Dre-
her in der zweiten Schikane. Hamilton ge-
wann, Vettel wurde Vierter, ein For-
mel-1-Rennen hat er seither nicht mehr ge-
wonnen. Der Mann, der dafür verantwort-
lich war, dass Vettel Räikkönen zog, Team-
chef Maurizio Arrivabene, begründete die
Entscheidung damit, dass Ferrari Fahrer
und nicht Butler beschäftige.
Arrivabene ist längst abgelöst durch
Mattia Binotto, doch die Weltmeister-
schaft ist auch in diesem Jahr außer Sicht
für Ferrari, viel früher als 2018. Und doch,
es wirkt auf den ersten Blick erstaunlich
angesichts der Tatsache, dass Mercedes
zehn von 13 Rennen gewonnen hat in die-
ser Saison: Favorit in Monza ist Ferrari.
Die Italiener haben das Auto mit der
stärkstenpotenzaim Feld, und dass der
kräftigste Motor auf der „schnellsten“ Stre-
cke den größten Vorteil bietet, ist auch
ohne Grundstudium im Ingenieurwesen
zu verstehen. Hamilton schwant Unge-
mach: „In Spa waren sie“, sagte er am Don-

nerstag in Monza, „auf den Geraden eine
Sekunde schneller als wir.“
Bei 84 Prozent liegt der Vollgasanteil
im Autodromo Nazionale, im Schnitt sind
es sonst 60 Prozent. Die Durchschnittsge-
schwindigkeit liegt bei Tempo 260, 40 Ki-
lometer pro Stunde höher als der Mittel-
wert. Und am vergangenen Sonntag, über-
schattet vom Tod des 22 Jahre alten franzö-
sischen Nachwuchsfahrers Anthoine Hu-
bert in der Formel 2, gewann Vettels Team-
kollege Charles Leclerc in Belgien, auch
ein Hochgeschwindigkeitskurs. Endlich
der erste Saisonsieg für Ferrari. Zudem lie-
ßen die Italiener die Kunden Alfa Romeo
und Haas die jüngste Ausbaustufe des An-
triebsaggregats testen, auf dass an diesem
Wochenende in der Lombardei nichts
schiefgehe, dass der Sonntag von einem
Sieg gekrönt werde.
Schon die Tage vor dem Rennen sind an-
gelegt wie eine Festwoche. Piazza Duomo,
Mailand, am Mittwoch: Die ACI, der italie-
nische Automobilklub, und die Scuderia
Ferrari feiern „90 Jahre Emotionen“. Die
Fans jubeln, als sie hören, dass die Formel
1 wenigstens bis 2024 in Monza fahren
wird. Wie ein „wichtiger, schwer erkämpf-
ter Sieg“ fühle sich das an, sagte ACI-Präsi-
dent Angelo Sticchi Damiani, wie ein Sieg
so wertvoll wie „fünf Meisterschaften“.
Vor allem aber sind sie auf der Piazza, weil
sie Vettel und Leclerc sehen wollen, die Pi-
loten des Teams, dessen Grundstein der
Firmengründer vor neunzig Jahren legte.
Enzo Ferrari ließ am 16. November 1929
das Rennteam unter eigenem Namen in
der Kanzlei des Notars Alberto Della Fon-
tana in Modena eintragen. Ende des Mo-
nats war es zum Zweck des „Kaufs von
Rennwagen der Marke Alfa Romeo und
der Teilnahme mit denselben an den Mo-
torsportrennen“ zugelassen. In der For-
mel 1 gab es ab 1950 15 Fahrer- und 16
Konstrukteurstitel, 236 Rennen wurden

von Piloten in Ferrari gewonnen. Doch im
Jubiläumsjahr finden sich nach dem Ren-
nen in Monza kaum Strecken im Kalen-
der, auf denen die Scuderia als favorisiert
gelten darf. In der WM ist Vettel Vierter
(Rückstand auf Hamilton: 99 Punkte), Lec-
lerc Fünfter (111). Und so geht es in Mon-
za nicht nur um den Sieg, sondern auch
um die Frage, ob der 21 Jahre alte Leclerc
dem viermaligen Weltmeister Vettel den
Rang im Team abläuft. Leclercs Sieg in
Francorchamps musste Vettel absichern,
indem er früh zum Boxenstopp gerufen
wurde, Hamilton ein paar entscheidende
Runden lang aufhielt.
Schon im Qualifying, in dem die Über-
legenheit der Ferrari weit ausgeprägter
ist als im Rennen, weil der Motor bis zu
40 PS mehr generiert, wie das Fachblatt
„Auto, Motor und Sport“ schreibt, war
Vettel fast acht Zehntel langsamer als Lec-
lerc. Wieder hatte der Monegasse weit we-
niger Probleme mit dem SF90H, während
Vettel wieder das richtige Gefühl vermiss-
te, den Grip nicht fand. Auf die abschlie-
ßende Presserunde im roten Motorhome
verzichtete der Deutsche. In Monza am
Donnerstag war wieder Harmonie ange-
sagt. „Für das Team ist wichtig, dass wir
zusammenarbeiten und nicht gegeneinan-
der“, sagte Vettel. Leclerc behauptete, bei-
de hätten den richtigen Kompromiss ge-
funden „zwischen Wettkampf und Zusam-
menarbeit“. Das sagt sich leicht als Auf-
steiger des Jahres. In Monza könnte Vet-
tel immerhin der Kern der Vorlesung von
Cardile und Mekies zugutekommen: We-
niger Abtrieb bedeutet weniger Probleme
mit den Reifen. Motorleistung wird durch
nichts zu ersetzen sein. Wer dann wohl
wen zieht in diesem Jahr beim Qualify-
ing? Noch mit einem Abstand von acht
bis zehn Sekunden, sagte Mekies am ver-
gangenen Samstag, sei in Monza ein
Windschatteneffekt messbar.

Plötzlich unbeschwert:


DieHoffnung lebt


Basketballteam gewinnt bei WM 96:62 gegen Jordanien


D


er neue Tag war fast schon eine
Dreiviertelstunde alt, als Rafael
Nadal die Aufgabe mit einem
Rückhand-Volley zu Ende brachte. Und
die Art, wie er das Spiel gleich danach zu-
sammenfasste, war zu hundert Prozent er
selbst. „Drei Sätze, große Herausforde-
rung“, sagte er mit hochgezogener Augen-
braue, als wolle er den Leuten noch mal
ins Gedächtnis rufen, dass auch ein Er-
folg in drei Sätzen nicht in die Rubrik Kin-
derspiel gehört. Zwei Stunden und 46 Mi-
nuten brauchte er zum Sieg gegen Diego
Schwartzman aus Argentinien (6:4, 7:5,
6:2). An diesem dampfigen Abend floss
der Schweiß in Strömen, und zweimal ver-
spielte er eine deutliche Führung. Doch
er kam durch. Novak Djokovic hatte in
der vierten Runde verletzt aufgegeben,
Roger Federer verlor eine Runde später
angeschlagen, aber er, der Letzte aus dem
großen Trio, ist weiter im Spiel.
An diesem Freitag wird der Spanier
zum 32. Mal in seiner Karriere im Halbfi-
nale eines Grand-Slam-Turniers spielen,
zum siebten Mal in New York, und natür-
lich ist er der Favorit. Aber die Konstella-
tion um ihn herum sieht anders aus, als
sich das vorher viele vorgestellt hatten.
Seit Jahren fragt sich die Tenniswelt, wer
der Erste aus der jüngeren Generation
sein wird, der einen Grand-Slam-Titel ge-
winnt. Alexander Zverev galt längere Zeit
als Anwärter Nummer eins, ehe er in die-
sem Jahr in Untiefen geriet. Die anderen
wie der Grieche Stefanos Tsitsipas oder
die Kanadier Shapovalov und Auger-Ali-

assime sind noch nicht so weit. Doch in
New York meldet sich der Jahrgang 1996.
Zuerst landete Daniil Medwedew im
Halbfinale, der an diesem Freitag gegen
Grigor Dimitrov, Jahrgang 91, spielt.
Dann folgte der Italiener Matteo Berretti-
ni im vielleicht nicht besten, aber bisher
aufregendsten Spiel des Turniers. Mit
dem fünften Matchball gegen Gael Mon-
fils aus Frankreich machte er die Sache in
fünf wechselvollen Sätzen klar, danach
lag er platt auf dem blauen Boden und
meinte später, das müsse man verstehen.
„Das ist mein erstes Halbfinale, und ich
habe vor diesem Jahr noch nie ein Spiel
bei den US Open gewonnen – das habe
ich nicht erwartet. Das finde ich ziemlich
aufregend, ehrlich gesagt.“ Mit größter
Bereitschaft ließ er sich von den Landsleu-
ten feiern für eine historische Tat. Italiens
bis dato letzter Halbfinalist in New York
war Corrado Barazzutti anno 77, den der
Nachfolger nicht nur deshalb gut kennt,
weil der Ältere Italiens Davis-Cup-Kapi-
tän ist. Auch mit dem Erfolgreichsten al-
ler Italiener, Adriano Panatta, der die
French Open 1976 gewann, steht Berretti-
ni in engem Kontakt, von Römer zu Rö-
mer sozusagen.
Nach der erfolgreichen Phase in den
70er Jahren dauerte es vier Jahrzehnte,

bis Italiens Männer nun wieder eine Rolle
spielen, in der Zwischenzeit waren es die
Frauen, die Titel gewannen, auch die
größten.
Nirgendwo in den Vereinigten Staaten
leben mehr Italiener und Amerikaner mit
italienischen Vorfahren als im Bundes-
staat New York und speziell in New York
City. Die größten Tennistage erlebten sie
vor vier Jahren, als Roberta Vinci mit List
und Slice zuerst im Halbfinale völlig über-
raschend gegen Serena Williams gewann,
einer der größten Kracher in der Ge-
schichte dieses Sports. Zwei Tage später
spielte Vinci im Finale gegen Flavia Pen-
netta um den Titel, und in Little Italy lie-
fen die Fernseher heiß. Pennetta gewann,
erklärte bei der Siegerehrung, dass sie zu-
rücktreten werde, und das alles fand in
sehr italienisch gelöster Stimmung statt.
Prosecco-Stimmung, sozusagen.
Die glückliche Siegerin heiratete ein
Jahr später die Nummer eins des italieni-
schen Männertennis, Fabio Fognini, die
beiden erwarten in diesem Jahr ihr zwei-
tes Kind. Matteo Berrettini erzählte nach
dem Sieg zum einen, das Finale der Frau-
en seinerzeit habe ihn inspiriert, und zum
anderen, dass Fognini eine Nachricht ge-
schickt habe, die sich wohl mit „Forza Ita-
lia“ zusammenfassen lässt. Wortspiele

mit Namen sind ja eigentlich nicht er-
laubt, aber weil es zu schön ist, sei der des
Coaches des Halbfinalisten erwähnt: Der
Mann heißt Vincenzo Santopadre. Der
siegende heilige Vater – was soll passie-
ren, wenn man so einen Mann an der Sei-
te hat?
Die Entwicklung des italienischen Män-
nertennis in jüngster Zeit lässt sich auch
in der Weltrangliste mit sieben Leuten un-
ter den ersten hundert ablesen; Deutsch-
land hat fünf, zumindest von der kommen-
den Woche an, wenn Dominik Köpfer
zum ersten Mal offiziell zu dieser Gruppe
gehört. Bei den French Open im vergange-
nen Jahr landete Marco Cecchinato nach
einem Sieg gegen Novak Djokovic im
Halbfinale, diesmal übernimmt nun also
Berrettini, der mit diesem Erfolg in der
Wertung für die ATP Finals übrigens Alex-
ander Zverev überholt und auf Platz zehn
verdrängt hat.
Ob er im Halbfinale gegen Rafael Na-
dal eine Chance haben wird? Schwer vor-
stellbar, aber natürlich nicht unmöglich.
Die beiden haben noch nie gegeneinan-
der gespielt, doch der italienische Heraus-
forderer hat selbstredend eine Idee, was
ihn erwarten wird. Er sagt, die Einstel-
lung des Spaniers im Spiel liege nahe an
der Perfektion. „Egal, ob er 0:5, 0:40 zu-
rückliegt, er ist immer da. Und das ist kei-
ne Kleinigkeit. Also bravo.“ Das Wort bra-
vo kommt im Wortschatz der meisten Ten-
nisspieler nicht allzu oft vor; nennen wir
es einfach die italienische Komponente
für die letzten Tage der US Open in New
York. DORIS HENKEL

Potenza

superiore

Auf der Piazza Duomo:Ferrari-Pilot Charles
Leclerc (Mitte), Teamchef Mattia Binotto und
Sebastian Vettel begrüßen die Tifosi.
Foto AFP

Forza Italia


Matteo Berrettini steht für die Entwicklung des italienischen Tennis. Ob ihm das gegen Rafael Nadal hilft?


Rafael Nadal Foto EPA Matteo Berrettini Foto EPA


Ferrari hat das Auto mit dem stärksten Motor.


Auf dem Vollgas-Kurs in Monza ist das ein


entscheidender Vorteil. Alles spricht in der


Lombardei für die Scuderia, vor allem für Leclerc.


Von Christoph Becker

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