Beobachter - 13.09.2019

(nextflipdebug5) #1
Vorgang und sei schon im antiken Athen
erprobt worden. Das damalige System
verfügte über mehrere Kammern. So
war es möglich, dass die meisten Bürger
mindestens einmal im Leben als Par­
lamentarier dienten. Das legitimierte
nicht nur deren Entscheidungen, son­
dern habe auch das Verständnis für
politische Prozesse und für die Gegen­
seite gefördert, meint Van Reybrouck.
Nur, taugt in modernen Ländern,
was im antiken Stadtstaat Athen funk­
tionierte? Sind die Themen heute nicht
zu komplex, die Geschäfte zu zahlreich?
Und können wirklich alle mit allen
über alles reden – können das die Bots,
wie sie der Physiker César Hidalgo vor­
schlägt, nicht besser?
Die deutsche Piratenpartei versucht
es seit ein paar Jahren mit einem ande­
ren System: mit Liquid Democracy. Das
ist eine softwarebasierte Mischform
von direkter und repräsen tativer
Demokratie. Die Idee: Entweder wählt
man selber oder delegiert sein Stimm­
recht an einen Vertreter mit mehr Wis­
sen zum fraglichen Thema. Bei Abstim­
mungen geben die Delegierten neben
ihrer eigenen so viele Stimmen ab, wie
ihnen übertragen wurden. So erhalten

Experten und Vertrauensleute mehr
Gewicht. Liquid Democracy soll ermög­
lichen, dass alle Initiativen starten,
kommentieren und ändern können.
Aber auch dieser Ansatz lässt Fragen
offen. Zum Beispiel, ob die Stimmabga­
be verschlüsselt oder nachverfolgbar
sein muss. Vor allem aber funktionieren
solche digitalen Landsgemeinden nur
mit viel persönlichem Engagement.
Wenn nur wenige mitmachen, droht die
Diktatur der Aktiven.

Workshop fürs Volk. In der Schweiz
backen die Demokratiereformer bisher
nur kleine Brötchen. In Sitten VS läuft
ein Pilotversuch der Universität Genf.
Ein Gremium aus Nicht­Politikern soll
für die nationalen Abstimmungen im
nächsten Februar einen Bürgerbericht
verfassen. 2000 Bürgerinnen und Bür­
ger wurden nach dem Zufallsprinzip
zur Teilnahme an einem Workshop ein­
geladen. Aus den Interessierten sollen –
gewichtet nach Alter, Einkommen,
Bildung und politischer Ausrichtung –
20 Personen ausgewählt werden.
Die Gruppe wird die Abstimmungs­
vorlage an zwei Wochenenden evaluie­
ren. Verfechterinnen und Gegner wer­

den ihre Argumente vorbringen, Exper­
tinnen ihr Fachwissen beisteuern. Er­
kenntnisse und Empfehlungen sollen
kurz und knapp in einem Bürgerbericht
zusammengefasst werden. Die Initian­
ten der Universität Genf hoffen, dass sie
so mehr Menschen motivieren können,
sich mit politischen Themen auseinan­
derzusetzen und an die Urne zu gehen. 
Im US­Bundesstaat Oregon gehören
solche Bürgerkomitees bereits zum
Polit betrieb. In Irland hat 2013 ein
ausgelostes Gremium zusammen mit
Politikern eine Verfassungsänderung
zur gleichgeschlechtlichen Ehe ausge­
arbeitet, die an der Urne überraschend
gut angenommen wurde. Im Osten Bel­
giens haben die Bürger diesen Frühling
eine Verfassungsänderung angenom­
men, welche die Bürgerkammer zum
Bestandteil des Politbetriebs macht. Sie
wird demnächst zum ersten Mal tagen.
Vielerorts in Europa sind ähnliche
Bestrebungen im Gang. Immer geht es
darum, der Politik normale Bürgerinnen
und Bürger zur Seite zu stellen. Sie
sollen demo kratische Prozesse besser
machen. Bis es so weit ist, bleibt uns
nichts anderes übrig, als selber wählen
zu gehen.

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