Der Stern - 29.08.2019

(Tina Meador) #1
strafrechtlich relevant sein könnte.
Das FBI wird vermutlich darauf be-
stehen, dass Prinz Andrew zur Sache
aussagt. Es ist ein bisschen kompli-
ziert. Generell genießt er diploma-
tische Immunität, aber bei privaten
Unternehmungen, zu denen der Be-
such von Orgien sicher zählte, eher
nicht – so regelt es das Haager Be-
weisübernahme-Abkommen von
1970, das sowohl die USA wie auch
Großbritannien unter-
zeichnet haben.
Der Ansehensverlust
der Royals im eigenen
Land ist schon jetzt
beträchtlich. Das Boule-
vardblatt „Daily Mail“
veröffentlichte ein Video,
das Andrew dabei zeigt,
wie er eine Tür von Ep-
steins herrschaftlicher
Stadtvilla von innen öffnet und im
Morgengrauen eine brünette Frau
verabschiedet und ihr verzückt
hinterherwinkt. Angeblich die
Tochter eines früheren australi-
schen Premiers.

D


as ist kein Verbrechen, aber zu
einem Zeitpunkt aufgenom-
men, als Jeffrey Epstein bereits
rechtskräftig wegen sexuellen Miss-
brauchs an Minderjährigen ver-
urteilt war. Überhaupt wirken all die
Beteuerungen von Clinton, Trump
und Windsor, keinen Hauch der Ah-
nung von Epsteins Treiben gehabt
zu haben, nicht sonderlich glaub-
würdig, liest man einige der Inter-
views, die dieser gegeben hatte. Etwa
vor einem Jahr erzählte Epstein
einem Reporter der „New York
Times“ freimütig, dass er Minder-
jährige zur Prostitution angestiftet
habe, und er tut so, als bildeten Pä-
dophile nur eine weitere sexuelle
Minderheit, die wie Homosexuelle
früher oder später akzeptiert werde.
Recht unwahrscheinlich, dass Ep-
stein solche Ansichten seinen
Promifreunden vorenthielt.
Zudem geht es nicht nur um eine
gesellschaftliche Nähe zu Men-
schen, mit denen man sich besser
nicht abgibt. Es geht ebenso um
wirtschaftliche Verstrickungen des
Prinzen, erhebliche finanzielle
Zuwendungen – um daraus resul-
tierende Abhängigkeiten. Da wäre
etwa die fragwürdige Entscheidung,
sein früheres Zuhause Sunninghill
Park für drei Millionen Pfund über
dem Marktwert an einen gewissen
Timur Kulibajew zu verkaufen, den

Schwiegersohn des kasachischen
Präsidenten. Und immer wieder
auch die maßlosen Bedürfnisse
seiner Ex-Frau Sarah Ferguson mit
zweifelhaften Kontakten zufrieden-
zustellen, etwa der Zuwendung von
200 000 Pfund an diese durch den
Hongkonger Tycoon Johnny Hon für
„Marketing und Werbung“.
Dieser Generation von Royals
scheint das Gespür zu fehlen,
dass die Zukunftsfähig-
keit ihres Geschäftsmo-
dells stark davon abhängt,
von der eigenen Bevölke-
rung gemocht zu werden.
Die Windsors tun in-
dessen, was sie am bes-
ten können: Sie winken
freundlich. Queen Eliza-
beth zeigte sich demons-
trativ mit dem in Verruf
geratenen Sohn in der königlichen
Limousine auf dem Weg zur Kirche
in Balmoral. Auf Mummy ist Verlass,
bloß in einem hat sie offenbar
gründlich versagt: die Koordinaten
ihres eigenen Erfolgs wenigstens
in Ansätzen an die eigenen Kinder
weiterzuvermitteln.
Dabei hatte ausgerechnet Andrew
als jener der drei Söhne gegolten, der
dieses Leben an unverschuldet öf-
fentlicher Position am besten zu
meistern weiß. Er trat meist fesch
auf und schien mit einem sonnig-
selbstbewussten Naturell ausge-
stattet, das nicht von allzu auffälli-
ger Intellektualität getrübt werden
könnte. Als Berufssoldat in der Ro-
yal Navy schaffte er es im Einsatz
auf den Falklandinseln sogar zum
Kriegshelden – im Gegensatz zum
jüngeren Bruder Edward, der nicht
einmal die Ausbildung zum Mari-
nesoldaten durchstand.
Es folgte jene Phase, die ihm den
Ruf einbrachte, „Randy Andy“ zu
sein, und auf deren Verfilmung sich
die Macher der Netflix-Serie „The
Crown“ über die royale Familie si-
cher bereits freuen. Unter anderem
trat in dieser Zeit auf: ein Softpor-
no-Star namens Koo Stark als kecke
Freundin des Prinzen.
Nach der Hochzeit mit Sarah Fer-
guson und der Geburt zweier Töch-
ter sah aber alles wieder herrlich
aus. Wäre da nicht jene tödliche
Langeweile gewesen, dieses Gefühl
der eigenen Sinnlosigkeit, die offen-
bar viele derer befällt, die einer die-
ser Familien angehören, in der nur
einige wenige dazu ausersehen sind,
dem vorbestimmten Beruf nachzu-

ANDREW, AUCH


GENANNT, TRAT


HÖCHSTE KREISE
Auch Bill Clinton, US-Präsident
von 1993 bis 2001, verkehrte
mit Jeffrey Epstein. Er beteuert,
keine Ahnung von dessen Ma-
chenschaften gehabt zu haben

2001 wurde
Andrew mit der
damals 17-jähri-
gen Virginia
Roberts fotogra-
fiert, die von
Epstein als Sex-
sklavin gehalten
worden sein soll.
Rechts im Bild:
Ghislaine Max-
well, die Ep stein
sehr junge Frau-
en zugeführt
haben soll

90 29.8.2019
Free download pdf