Der Spiegel - 31.08.2019

(lily) #1

SPIEGEL:Frau Ministerin, Sie haben an-
gekündigt, die Demokratie wehrhafter
zu machen. Wie muss man sich das vor-
stellen?
Lambrecht:Viele Bürgerinnen und Bürger
sehen, dass es massive Angriffe auf die De-
mokratie gibt. Sie werden im Netz, aber
auch persönlich angegriffen und fragen
sich, ob der Staat sie genug schützt.
SPIEGEL:Und tut er das?
Lambrecht:Genau das will ich prüfen, auf
allen Ebenen. Tun wir genug gegen Hass
in den sozialen Netzwerken? Unterneh-
men wir alles, was möglich ist, um politisch
motivierte Gewalt zu verhindern? Ich höre
von ganz vielen Kommunalpolitikern:
»Ich werde so heftig attackiert, dass ich
mir überlege, ob ich mich überhaupt noch
für unsere Gesellschaft engagieren möch-
te.« Das kann nicht sein. Der Staat muss
sich wehren.
SPIEGEL:Dass die Angst der Kommunal-
politiker begründet ist, zeigt der Fall des
im Juni ermordeten Kasseler Regierungs-
präsidenten Walter Lübcke. Ein Tatver-
dächtiger hatte eine Waffenbesitzkarte, ob-
wohl er als Rechtsextremist bekannt war.
Wie wollen Sie solche Fälle künftig ver-
hindern?
Lambrecht:Wir müssen ans Waffenrecht
ran. Es gibt bereits einen Gesetzentwurf,
der sich noch im parlamentarischen Ver-
fahren befindet. Ich unterstütze, dass die-
ser Gesetzentwurf weiter verschärft wird –
beispielsweise soll die Mitgliedschaft in ei-
ner extremistischen Gruppierung oder Par-
tei ausreichen, um eine Waffenerlaubnis
zu verweigern. Außerdem sollen Länder
und Kommunen künftig einfacher verbie-
ten können, dass Waffen wie zum Beispiel
Messer an bestimmte Orte mitgeführt wer-
den. Doch das reicht noch nicht aus.
SPIEGEL:Was wollen Sie darüber hinaus
ändern?
Lambrecht:Wir müssen unsere Waffen-
behörden in die Lage versetzen, eine Re-
gelabfrage beim Verfassungsschutz durch-
zuführen, bevor sie eine solche Erlaubnis
erteilen. Wir müssen verhindern, dass
Rechtsextremisten wie im Fall Lübcke an
Waffen kommen. Bei den Beschuldigten
haben die Ermittler 46 Schusswaffen ge-
funden.
SPIEGEL:In diesem konkreten Fall hatte
die zuständige hessische Waffenbehörde
sogar beim Verfassungsschutz angefragt.
Dieser könnte aber seine Erkenntnisse für


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»Der Staat muss sich wehren«


RechtJustizministerin Christine Lambrecht, 54, will die Waffengesetze verschärfen und härter gegen


Hass im Internet vorgehen. Den sozialen Netzwerken droht sie mit hohen Bußgeldern.


HERMANN BREDEHORST / DER SPIEGEL
SPD-Politikerin Lambrecht: »Den Nährboden für Gewalttaten konsequent bekämpfen«
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