Handelsblatt - 23.08.2019

(Rick Simeone) #1
stellt werden. Zudem können Patien-
ten das E-Rezept auch in der Apothe-
ke vor Ort einlösen, nicht nur beim
Medikamentenversender.
Walter Oberhänsli, CEO von Zur
Rose, zeichnet in der aktuellen Fir-
menpräsentation zwei Szenarien auf:
Danach könnte das E-Rezept den Ver-
sandhandel mit verschreibungspflich-
tigen Arzneimitteln von aktuell 1,
Marktanteil auf fünf oder sogar zehn
Prozent treiben, was den Umsatz von
Zur Rose in diesem Bereich auf bis zu
1,9 Milliarden Euro Umsatz erhöhen
könnte. „Ein Anteil von zehn Prozent
muss nicht das Limit sein“, sagte
Oberhänsli bei der Präsentation der
Halbjahreszahlen am Mittwoch.
Shop-Apotheke-Finanzchef Ulrich
Wandel spricht beim E-Rezept von
der „Wachstumspriorität Nummer
eins“. Um die Expansion des Ge-
schäfts finanzieren zu können, hat
das Unternehmen in diesem Jahr
noch einmal 110 Millionen Euro
durch eine Kapitalerhöhung einge-
nommen und sieht sich jetzt mit ei-
ner Cashposition von 158 Millionen
Euro erst einmal durchfinanziert.
Beim E-Rezept werden künftig vie-
le Kosten entfallen, zum Beispiel für
das Öffnen der Umschläge, in denen
Patienten bisher ihre Rezepte ver-
schicken. Weil Shop Apotheke dann
auch weniger Geld für Kundenwer-
bung ausgeben will, geht Wandel da-
von aus, die Profitabilität weiter stei-
gern zu können. Für 2020 ist der
Break-even auf Ebene des Gewinns
vor Zinsen, Steuern und Abschrei-
bungen (Ebitda) angepeilt.
DocMorris bündelt Logistik
Auch Zur Rose legt nach einer sehr
expansiven Phase mit hohen Ausga-
ben jetzt den Fokus stärker auf profi-
tables Wachstum: Bis 2022 soll der
Umsatz von zuletzt 1,2 Milliarden
Schweizer Franken verdoppelt wer-
den. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern
und Abschreibungen (Ebitda), der
Ende 2018 noch bei minus 12,5 Millio-
nen Franken lag, soll bis 2022 auf 120
bis 150 Millionen Franken steigen
und damit eine Ebitda-Marge von
fünf bis sechs Prozent erreichen.
Ende dieses Jahres wird der Ver-
sandstandort Hamburg der 2018 ge-
kauften Versandapotheke Apo-Rot
geschlossen, was 80 Mitarbeiter be-
trifft. Die Logistik wird am DocMor-
ris-Standort in Heerlen gebündelt,
der weiter ausgebaut wird.
Die Prognose für 2022 hat Zur Rose
bei der Vorlage der Halbjahreszahlen
erneut bestätigt, obwohl noch nicht
klar ist, ob die Boni auf Rezepte, die
ausländischen Versandapotheken
deutschen Patienten geben dürfen,
verboten werden. Das entsprechende
Gesetzesvorhaben von Gesundheits-
minister Jens Spahn (CDU) ist zur Ab-
stimmung in die EU-Kommission ge-
geben worden. Eine Entscheidung
steht noch aus.
Viele Marktbeobachter erwarten,
dass das Vorhaben auf europäischer
Ebene wegen wettbewerbsrechtli-
cher Bedenken scheitern wird. Auch
Shop-Apotheke-Finanzchef Wandel
und Zur-Rose-Chef Oberhänsli gehen
davon aus.
Im Herbst 2016 hatte der Europäi-
sche Gerichtshof entschieden, dass
die deutsche Preisbindung gegen EU-
Recht verstößt und die Regelung,
auch ausländische Versandapotheken
zur Einhaltung zu verpflichten, eine
nicht gerechtfertigte Beschränkung
des freien Warenverkehrs darstellt.
Für den Fall, dass das Boni-Verbot
doch kommt, hat DocMorris schon ju-
ristische Schritte angekündigt.


Kommentar Seite 22



Autoindustrie


Niedersachsen lockt Tesla


In Emden oder im
benachbarten Emsland
könnte die erste
europäische Fertigung des
US-Unternehmens entstehen.

J. Koenen, M. Murphy Frankfurt


D


as Land Niedersachsen
könnte einer der Profiteure
des Expansionsstrebens von
Tesla-Chef Elon Musk werden. Nach
Angaben des niedersächsischen Wirt-
schaftsministeriums interessiert sich
der Pionier für Elektromobilität für
eine Fertigung im Norden der Repu-
blik. Die Landesregierung stehe seit
Längerem in Kontakt mit Tesla. Auf
der Grundlage des Anforderungspro-
fils des Unternehmens habe man nun
potenzielle Standorte in Niedersach-
sen präsentiert.
Details will das Ministerium auf An-
frage nicht nennen. Man habe „weit-
gehende Vertraulichkeit“ verein-
bart. Auch sei nicht bekannt, wann
Tesla eine Entscheidung fällen wer-
de. Aber der niedersächsische Wirt-
schaftsminister Bernd Althusmann
(CDU) sieht gute Chancen für einen
Zuschlag: „Eine gute Lage im euro-
päischen Verkehrsnetz samt Hafen-
anbindung, eine dynamische For-
schungslandschaft und erneuerbare
Energien vor der Haustür: Nieder-
sachsen ist eine der weltweiten Top-
regionen der Automobilwirtschaft,
das ist auch Tesla bekannt.“ Er würde
sich über ein Engagement des Unter-
nehmens freuen. „Wir werden die
Suche Teslas weiterhin positiv beglei-
ten und für Niedersachsen als inno-
vativen Automobil-Standort werben.“
In Branchenkreisen werden vor al-
lem Emden und die benachbarte Re-
gion Emsland als mögliche Standorte
genannt. Emden bietet nicht nur die
enge Anbindung an den Hafen. Dort
betreibt auch Volkswagen ein großes
Werk mit rund 9 000 Beschäftigen.
Dieses soll komplett auf die Fertigung
von Elektrofahrzeugen umgerüstet
werden. In der ostfriesischen Hafen-
stadt wird also große Kompetenz in
Sachen E-Mobilität aufgebaut.

Musk schätzt Deutschland
Was genau Tesla vorhat, ist nicht be-
kannt. Unternehmensgründer und
-chef Musk hatte vor etwa einem Jahr
erklärt, dass er in Europa zwei Stand-
orte für sogenannte Giga-Fabriken su-
che. Das sind Fertigungsstätten, in
denen Batterien und Autos gebaut
werden. Innerhalb von Europa favo-
risiere er Deutschland. Offen ist aller-
dings, ob Tesla in Deutschland sofort
eine Giga-Fabrik errichten würde.
Musk muss sich um zahlreiche Bau-
stellen kümmern.
Die Produktion des Model 3, mit
dem Tesla den Massenmarkt erobern
will, läuft noch nicht rund. Es gibt
Klagen über die Fertigungsqualität.
Gleichzeitig muss Tesla seine Produk-
tion globalisieren. Das noch recht
junge Unternehmen hängt zu sehr
am Standort USA. Die Nachteile wer-
den dem Management immer wieder
vor Augen geführt – etwa durch den
Streit zwischen den USA und China.
Tesla wäre extrem von immer höhe-
ren Strafzöllen betroffen. Zudem ist
für eine profitable Massenfertigung
eine global verteilte Produktion zwin-
gend notwendig. Das zeigen die etab-
lierten Autokonzerne.

Als einen ersten Schritt hat Musk
deshalb den Bau einer Giga-Fabrik in
China gestartet. Ob er parallel dazu
noch den Bau einer zweiten Giga-Fa-
brik in Deutschland beginnen wird,
ist offen. In Branchenkreisen wird
deshalb davon ausgegangen, dass das
US-Unternehmen hier mit einer eher
kleineren Fertigung beginnen würde.
Zumal Musk noch einige andere
drängende Aufgaben erledigen muss:
Die Produktion muss kostengünstiger
werden. Der Druck ist gewaltig, spä-
testens seit den jüngsten Quartals-
zahlen. So fiel das Ergebnis des zwei-
ten Quartals mit einem bereinigten
Verlust von 1,12 Dollar pro Aktie und
einem Umsatz von 6,35 Milliarden
Dollar deutlich schlechter aus als im
Vorjahr. Der Nettoverlust lag bei 408
Millionen Dollar.
Als Musk diese Daten Mitte Juli ver-
kündete, brach die Tesla-Aktie um
über zehn Prozent ein. Das zeigt: Die
Investoren erwarten, dass das Unter-
nehmen endlich nachhaltige Erträge
erzielt. Seit dem Börsengang 2010
hat Tesla fast acht Milliarden Dollar
eingesammelt. Nun pochen die Kapi-
talgeber auf einen „Return“. Die
jüngsten Zahlen seien demoralisie-
rend, klagte Analyst Garrett Nelson
von CFRA kürzlich. Rekordabsätze
würden nichts bringen, wenn die Au-
tos nicht profitabel gebaut werden
könnten.
Das Model 3 wirft weniger Marge
ab als die beiden Varianten Model S
und Model X. Je mehr Tesla davon
verkauft, desto stärker wird der Pro-
fit verwässert. Verstärkt wird diese

Entwicklung dadurch, dass die Nach-
frage nach den margenstarken Mo-
dellen zuletzt deutlich gesunken ist.
Laut den Analysten von Dominion
Enterprises verzeichnete das Model S
im zweiten Quartal 54 Prozent weni-
ger Zulassungen, beim Model X wa-
ren es 40 Prozent weniger.
Dahinter dürfte auch Musks Ehr-
geiz stehen, das Produktionsziel von
bis zu 400 000 Fahrzeugen in die-
sem Jahr zu schaffen. Tatsächlich
konnte das Unternehmen im zweiten
Quartal 95 200 Wagen ausliefern,
deutlich mehr als die 63 000 im ers-
ten Quartal. Doch der Lieferrekord
ist teuer erkauft – etwa über Rabatte.
Musk hat deshalb versprochen, die
Produktionskosten zu senken. Dazu
sollen die Arbeitsstunden pro Fahr-
zeug sinken, ebenso die Logistikkos-
ten und der Aufwand für die Materi-
albeschaffung. Große Fortschritte
verspricht sich der CEO von dem
Start der Produktion des Model 3 in
China Ende des Jahres. Dort sollen
die Kosten deutlich niedriger sein.
Damit könnte ein Standort in
Deutschland wohl kaum punkten.
Ein weiterer Indikator dafür, dass
Tesla hierzulande erst einmal klein
beginnen wird. Dennoch wäre ein
Zuschlag ein Erfolg. Seit 2016 wird
immer wieder über eine Ansiedlung
von Tesla in Europa gesprochen – zu-
nächst als Standort für die Batterie-
zellenfertigung. Zuletzt hatte sich
Wirtschaftsminister Althusmann im
vergangenen September in einem
Brief an Musk gewandt, um auf die
Standortvorteile hinzuweisen.

Niedersachsen
ist eine der
weltweiten
Topregionen
der Automobil-
wirtschaft.
Bernd Althusmann
Wirtschaftsminister
Niedersachsen

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Unternehmen & Märkte
WOCHENENDE 23./24./25. AUGUST 2019, NR. 162^19

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