Handelsblatt - 23.08.2019

(Rick Simeone) #1

Maike Telgheder Frankfurt


S


eit Jahren bauen die beiden
niederländischen Online-
Apotheken DocMorris und
Shop Apotheke ihre Prä-
senz im Versandhandel mit
Medikamenten in Deutschland und
Europa aus. Börsengänge und diverse
Kapitalerhöhungen brachten der Ven-
loer Shop Apotheke und der DocMor-
ris-Mutter Zur Rose aus der Schweiz
das nötige Kapital, um mit Zukäufen
und hohen Werbegeldern neue Kun-
den und Märkte zu erobern.
Jetzt arbeiten die beiden Unterneh-
men an einer neuen Wachstumsstory.
Die hat einige Gemeinsamkeiten. Mög-
lichst stark von der Einführung des
elektronischen Rezepts in Deutschland
zu profitieren ist ein Teil der Strategie.
Ein weiterer, den Onlineversand von
Medikamenten um neue Angebote wie
einen Marktplatz nach dem Vorbild
von Amazon zu erweitern.
Künftig sollen Drittanbieter über
die Plattformen von Zur Rose und
Shop Apotheke beispielsweise auch
Medizin- und Sanitärprodukte von
Kontaktlinsen bis zu Rollatoren ver-
kaufen können. Zur Rose geht sogar
noch einen Schritt weiter und will ei-
ne integrierte E-Health-Plattform auf-
bauen mit Gesundheitsservices von
Patienteninformation bis hin zu Tele-
medizin. Diese sollen in Kooperation
mit Partnern angeboten werden.
Noch müssen viele dieser Pläne
mit Leben gefüllt werden. Aber beim
elektronischen Rezept zeichnet sich

das Potenzial schon ab. Als „Game
Changer“ bezeichnet Ulrich Wandel,
Finanzchef von Shop Apotheke, die
geplante Einführung in Deutschland.
Das Gesetz ist verabschiedet, Modell-
versuche laufen bereits, im kommen-
den Jahr sollen Versicherte die ersten
elektronischen Verordnungen einlö-
sen können.
„Das E-Rezept ist eine unglaubliche
Wachstumschance. Wir rechnen da-
mit, dass sich unser Umsatz mit ver-
schreibungspflichtigen Medikamenten
um den Faktor vier oder fünf erhöhen
wird“, sagt Wandel. Rund 30 Prozent
des Umsatzes in der Region Deutsch-
land, Österreich und Schweiz entfal-
len bei Shop Apotheke auf verschrei-
bungspflichtige Medikamente. Das
entspricht im ersten Halbjahr 2019 ei-
nem Umsatz von rund 90 Millionen.

Aktien unter Druck
Solche Perspektiven könnten den
beiden Versandapotheken Impulse
auch an der Börse geben. Die Aktie
von Zur Rose liegt mit aktuell weni-
ger als 95 Franken deutlich unter
dem Ausgabekurs von 140 Franken
beim IPO Anfang Juli 2017. Und Shop
Apotheke, die im Oktober 2016 an
die Börse ging, ist mit gut 28 Euro
pro Aktie weniger als die Hälfte als
noch Ende 2017 wert.
Beim Umsatz ging es dafür Jahr für
Jahr bei beiden Unternehmen zwei-
stellig nach oben, so auch im ersten
Halbjahr 2019. Shop Apotheke

Europe steigerte den Umsatz von Ja-
nuar bis Juni um 32 Prozent auf 338
Millionen Euro und will am Jahres -
ende bei 700 Millionen Euro landen.
Die DocMorris-Mutter Zur Rose
wuchs im ersten Halbjahr um elf Pro-
zent auf 771,8 Millionen Schweizer
Franken (rund 711 Millionen Euro),
wobei das deutsche Geschäft mit ei-
nem Wachstum von knapp 15 Pro-
zent rund 377 Millionen Franken bei-
steuerte. Das Geschäft der im Januar
erworbenen deutschen Versandapo-
theke Medpex eingerechnet, will Zur
Rose in diesem Jahr ihren Nettoum-
satz um mehr als 30 Prozent auf 1,
Milliarden Franken steigern.
Laut Zahlen des Marktforschungs-
instituts IQvia wuchs der deutsche
Apothekenmarkt im vergangenen
Jahr um fünf Prozent auf knapp 36
Milliarden Euro. Rund 1,2 Milliarden
davon entfielen auf den Versandhan-
del mit Medikamenten, der um sechs
Prozent zulegte.
„Das E-Rezept wird das Wachstum
des Versandhandels beschleunigen“,
ist auch Tobias Brodtkorb, Geschäfts-
führer von Sempora Consulting,
überzeugt. „Diejenigen Online-Apo-
theken, die das professionell anbie-
ten, werden neue Kunden erreichen.
Die werden vermutlich nicht nur ihr
Rezept einlösen, sondern zusätzlich
auch freiverkäufliche Produkte mit
einkaufen“, sagt Brodtkorb.
Die Folge: Der Anteil der Versand-
apotheken im Geschäft mit verschrei-

Online-Apotheken


Wachstumstreiber E-Rezept


Die DocMorris-Mutter Zur Rose und die Konkurrentin Shop Apotheke wollen sich mit Hilfe
der Rezeptreform zur umfassenden Gesundheitsplattform entwickeln.

Logistikzentrum von
Shop Apotheke: Die
Medikamentenversender
erweitern ihr Angebot.

Shop-Apotheke


bungspflichtigen Arzneimitteln wird
steigen – zulasten der stationären Apo-
theken. DocMorris und Shop Apothe-
ke dürften die beiden größten Profi-
teure des elektronischen Rezepts sein,
dominieren sie laut einer Analyse von
Sempora mit einem Marktanteil von
zusammen rund 65 Prozent den Medi-
kamentenversand in Deutschland.
Wie schnell und wie breit sich das
E-Rezept in Deutschland durchsetzen
wird, ist allerdings noch nicht klar.
Das hängt von der Akzeptanz der
Ärzte und der Patienten ab, denn
grundsätzlich dürfen Verordnungen
auch weiterhin in Papierform ausge-

Online-
Apotheken,
die das
E-Rezept
professionell
anbieten,
werden neue
Kunden
erreichen.
Tobias Brodtkorb
Geschäftsführer
Sempora Consulting

Versandapotheken
Bruttoumsatz in Deutschland 2018
inkl. Mehrwertsteuer in Mio. Euro

92
490
169
165
125
245

Zur Rose
Shop-Apotheke
Apo-Discounter
Medikamente-per-Klick
Apotal
Sonstige

HANDELSBLATT


1) U. a. Doc Morris, Medpex, Apo-Rot, Eurapon;
2) Shop-Apotheke u. Europa Apotheek; 3) U. a.
Apo-Discounter, Juvalis, Versandapo; 4) Volks-
versand, MyCare, Sanicare, Aponeo
Quelle: Sempora Research

18 Unternehmen & Märkte WOCHENENDE 23./24./25. AUGUST 2019, NR. 162


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