von max scharnigg
E
s sind immer die gleichen Län-
der, von denen man auf einer
Möbelmesse Impulse erwartet:
Schweden und Schweiz, Nie-
derlande und Italien, Japan und
na ja, Berlin vielleicht. Kolumbien jeden-
falls war von den heiligen Hallen der Wohn-
kultur in Mailand, Paris und Köln lange
noch weiter entfernt als die knapp 9000 Ki-
lometer, die der Atlas angibt.
2016 änderte sich das schlagartig, denn
in diesem Jahr feierte das kleine Label
Ames seine Premiere auf der „Imm“-Mes-
se in Köln – und sorgte sofort für Unruhe
bei den arrivierten Kollegen. Was der
Stand zeigte, waren keine Möbel im eigent-
lichen Sinne sondern Teppiche, Decken
und ein paar Keramikgefäße, allesamt far-
benfroh und von exotischer Formgebung
und damit ein Hingucker im wohlgesetz-
ten Wohnpurismus ringsum.
Gegen die erste Skepsis hatten die neu-
en Nachbarn damals schon einen Trumpf
im Ärmel, um den sie jeder beneidete: Se-
bastian Herkner. Der Designer aus Offen-
bach war gerade zum Star der Szene aufge-
stiegen, durfte 2016 auch „Das Haus“ aus-
statten, die größte Ehre der Kölner Messe.
Und Ames hatte nicht nur Entwürfe von
Herkner im Sortiment – das Label konnte
sogar eine regelrechte Liebesgeschichte
mit dem Shootingstar vorweisen.
Die begann mit einem heimlichen
Wunsch von Ana María Calderón Kayser.
Die Kolumbianerin und Gründerin vom
Ames lebt seit Anfang des Jahrtausends in
Deutschland und betrieb schon länger ei-
nen kleinen, engagierten Stil-Import-Ex-
port zwischen den beiden Ländern. Zu-
nächst vertrieb sie ausschließlich Möbel ei-
nes deutschen Unternehmens in Richtung
Bogotá und brachte von den Geschäftsrei-
sen immer wieder Kunsthandwerk aus ih-
rer Heimat mit – eine private Sammellei-
denschaft. „Es waren wunderbare Sachen,
aber ich habe damals schon gemerkt, dass
die Objekte in Deutschland irgendwie
nicht so wirkten wie in Kolumbien.“
Je größer ihre Sammlung wurde, desto
größer wurde auch der Wunsch, die Euro-
päer auf diesen kulturellen Schatz auf-
merksam zu machen, auf die jahrhunderte-
alten Techniken der Handwerker zwischen
Anden, Karibik- und Pazifikküste. Was da-
zu fehlte, war jemand, der das Ethno-De-
sign behutsam in westlichen Geschmack
übersetzte. Schließlich lud sie auf Ver-
dacht Sebastian Herkner in ihr Haus ein
und präsentierte ihm ihre Sammlung. „Se-
bastian hat sich alles in Ruhe angesehen
und dann als Erstes gefragt: Kommt das
wirklich aus dem gleichen Land?“
Die Frage ist verständlich, denn die
Bandbreite der kolumbianischen Kunst-
handwerker ist groß: von filigranen Flecht-
körben über bullige, schwarze Keramik, ex-
trem aufwendige Webmuster oder simple,
unverwüstliche Ponchos in leuchtenden
Farben. Wo einst die spanischen Besatzer
Hochburgen hatten, herrscht eine ganz an-
dere Handwerkstradition als dort, wo sich
freigelassene Sklaven niederließen, und in
den Andentälern verwenden die Men-
schen andere Naturmaterialien als an den
Küsten. Herkners zweite Frage lautete:
„Wann fahren wir?“
Die Antwort war – bald. Die Arbeitsreise
des Designers nach Südamerika war eine
unübliche Vorgehensweise in der Branche.
Ohne konkrete Pläne klapperten die bei-
den damals vor Ort Handwerker und Manu-
fakturen ab und schauten erst mal nur,
wer was konnte, welche Materialien und
Techniken zum Einsatz kamen. Mit Vor-
schlägen und Ausprobieren näherte sich
Herkner dann vorsichtig an eine neue oder
veränderte Gestaltung der Sachen an. Es
war sozusagen Stand-up-Designarbeit.
„Dazu kam, dass die Handwerker in Kolum-
bien sehr stolz sind. Wer immer nur den
Stoff für die Ruana-Ponchos der Kartoffel-
bauern webte, ist nicht leicht zu überzeu-
gen, auch mal einen kleinen Teppich zu
probieren,“ sagt Calderón Kayser.
Trotzdem legten Herkners Forschungs-
aufenthalt und seine wiederholten Reisen
den Grundstein für die Aufmerksamkeit,
die Ames heute in der Branche genießt. Die
Teppiche und Decken in Köln waren dabei
nur der erste Schritt und auch der kompli-
zierten Logistik geschuldet. In Kolumbien
existiert keine belastbare Handelsinfra-
struktur, bis die Produkte von den Kleinst-
manufakturen eingesammelt, in Contai-
nern und auf dem Schiff sind, vergeht auch
heute noch eine unwägbare Zeitspanne. Ge-
nau übrigens wie beim Zoll in Hamburg,
wo man in Containern aus Kolumbien alles
Mögliche vermutet, aber keine hochwerti-
gen Wohnaccessoires.
Es ist der Energie von Calderón Kayser
und den kraftvollen Designs von Herkner
zu verdanken, dass aus dem Experiment
trotz dieser Hindernisse eine angesagte
Marke geworden ist – mit Sitz in Rhein-
landpfalz und sehr vielen kleinen Produkti-
onsstätten in ganz Kolumbien. Die werden
heute von einem Ames-Team in Bogotá ko-
ordiniert, was vor allem bedeutet, oft mit
den Arbeitern herumzusitzen und zu plau-
dern. „Die Handwerker legen sehr viel
Wert auf persönlichen Kontakt. Egal, was
ausgemacht ist, wenn man nicht alle paar
Wochen vorbeischaut und mit ihnen
spricht, stellen sie einfach beleidigt die Pro-
duktion ein,“ sagt Calderón Kayser, durch
deren Aufträge etliche Dorfgemeinschaf-
ten und Handwerkskollektive stabilisiert
und vor der Abwanderung in die Städte be-
wahrt wurden. Mehr noch als die fairen
Löhne motivieren dabei die Bilder von den
Produkten in Europa. „Wenn ich zum Bei-
spiel auf Instagram zeige, dass ihre Teppi-
che oder Stühle in einem tollen Hotel im
Einsatz sind, sorgt das für enorme persönli-
che Zufriedenheit bei den Handwerkern.“
Das ist das Besondere, im Gegensatz zu
den meisten Möbelfirmen bietet Ames kei-
ne industriellen Produkte, sondern tat-
sächliche Handarbeit, jedes Stück ein we-
nig anders, manche erst bei Nachfrage ge-
fertigt. Trotzdem ist das Sortiment schnell
gewachsen, was Calderón Kayser auf die
tief verwurzelte und vielfältige Handwerks-
kultur vor Ort zurückführt; Flechten ler-
nen die Kinder zum Beispiel immer noch
in der Grundschule. Im Falle der erfolgrei-
chen Serie „Caribe“ hat Herkner so eine re-
gionale Flechttechnik beispielsweise in
moderne Outdoormöbel umgesetzt – mit
Farben und Formen, die zwar die tropische
Herkunft betonen, aber auch in Stockholm
und Paris verstanden werden. Mehr noch,
Ames hat mit seinen Aktivitäten einen
Boom von starken Farben und Flechtästhe-
tik maßgeblich angeschoben. In heutigen
Messehallen ist jedenfalls viel mehr Süd-
amerika zu spüren als früher.
Hin und weg
Weltdesign: Die deutsche Firma Ames
macht Handwerk aus Kolumbien populär
Rund, bunt und von einheimischen Handwerkern hergestellt:
Die Kollektion „Caribe“ (oben) gehört zu den auffälligsten
Entwürfen im Ames-Sortiment. Unten: Sebastian Herkner prüft
bei einem Besuch in Kolumbien den neuen Loungechair
„Maraca“, zu dem er von traditionellen Hängematten
inspiriert wurde.FOTOS: ANDRES VALBUENA
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