Frankfurter Allgemeine Zeitung - 02.09.2019

(lily) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Feuilleton MONTAG, 2. SEPTEMBER 2019·NR. 203·SEITE 9


Kein Bürgerprotest diesmal in Sachsen ge-
gen die Bundeskanzlerin, stattdessen Ap-
plaus im Stehen zur Begrüßung und gene-
rell große Oper. Die Handelshochschule
Leipzig (HHL) hat ihre diesjährige Ab-
schlussfeier eigens ins Opernhaus der
Stadt verlegt, um auf der Bühne nicht nur
die Diplome an 189 Graduierte dieses
Jahrgangs zu übergeben, sondern dort
auch Angela Merkel zu begrüßen, die von
der privaten Elitehochschule die Ehren-
doktorwürde zugesprochen bekam. Es ist
bereits ihre siebzehnte und die zweite
Leipziger, denn die Universität der Stadt
hatte ihre ehemalige Physikstudentin
2008 auch schon so geehrt. Trotzdem ist
der bislang jüngste Titel etwas Besonde-
res: Frau Dr. Dr. h. c. mult. Merkel ist nun
auch Dr. rer. pol. oec. h. c. Oder in etwas
weniger Akademikerlatein: ehrenpromo-
vierte Wirtschaftswissenschaftlerin.
Den Anlass besingt im Opernhaus kein
Geringerer als Ronaldo Villazón passend
mit „Ya mis horas felices“ (Und meine
glücklichen Stunden), einer Romanze aus
Reveriano Soutillos und Juan Verts Zar-
zuela „La del Soto del Parral“ aus dem
Jahr 1927 – ein Stück, das man auf deut-
schen Bühnen nie gesehen hat. Villazón,
der gerade in Leipzig seine Inszenierung

von Donizettis „Liebestrank“ vorbereitet
(ein Stück, das man auf deutschen Büh-
nen oft gesehen hat), tritt nicht mehr häu-
fig als Tenor auf, aber für seine Freundin
Angela Merkel macht er eine Ausnahme.
Und deren Dank für das unbekannte
Ständchen fällt besonders herzlich aus,
als der Sänger ihr entgegeneilt. Die Politi-
kerin liebt klassische Musik, und Villazón
trägt ja nicht nur Lieder vor, die der Kanz-
lerin spanisch vorkommen müssen, son-
dern hat in London auch schon einmal
eine Nebenrolle in Merkels Lieblingsoper
von Richard Wagner gesungen.
Das sind nicht „Die Meistersinger von
Nürnberg“, wie man vermuten sollte, weil
das Gewandhausorchester deren Ouvertü-
re zu Beginn der Leipziger Ehrenpromoti-
on spielt, sondern „Tristan und Isolde“,
wie eine andere gute Freundin der Geehr-
ten erläutert: Christine Lagarde, noch Ge-
schäftsführende Direktorin des Internatio-
nalen Währungsfonds, aber bald Chefin
der Europäischen Zentralbank, durchaus
auch von Merkels Gnaden. Kanzlerin und
Direktorin sind per du, wie man nun
weiß, und angesichts der musikalischen
Vorlieben der zu Lobenden hält Christine
Lagarde ihr eine Laudatio in D-Dur. „Di-
plomacy, diligence, determination, duty“

(heutzutage muss es ja Englisch sein, und
noch ist Madame Lagarde nicht nach
Frankfurt umgezogen) machen demnach
das politische Wesen der Bundeskanzle-
rin aus, also Diplomatie, Fleiß, Zielstrebig-
keit und Pflichtbewusstsein. All das kom-
biniert sich nach Lagardes Einschätzung
zu einem Führungsstil, den sie in Anleh-
nung an den Berühmtesten aller Leipzi-
ger, Johann Sebastian Bach, als „wohltem-
periert“ bezeichnet.
Die kommende Zentralbankdirektorin
als Laudatorin zu gewinnen war ein Coup
der Hochschule. Sie in Unkenntnis davon
zu lassen, dass der Zuerkennung der Eh-
rendoktorwürde mehrere Gutachten über
die wirtschaftswissenschaftlichen Leistun-
gen von Angela Merkel vorausgegangen
waren, war ein Wagnis. Denn was, wenn
die Praktikerin Christine Lagarde zu ganz
anderen Schlüssen gelangt wäre als die
vier akademischen Gutachter aus Har-
vard, München und Leipzig? Anderer-
seits: Hätte die Französin mit dem Begriff
„Merkel-Führungsraute“, den der an der
HHL lehrende Wirtschaftspsychologe
Timo Meynhardt eigens geprägt hat, et-
was anfangen können? Zwar beruht auch
die Führungsraute auf vier Eckpunkten:
Humanismus, Pragmatik, Gemeinwohl,

Authentizität. Nur klingt das weitaus weni-
ger musikalisch als Lagardes sangliche
Lobrede.
Das „Meistersinger“-Vorspiel gibt dann
Angela Merkel das Leitmotiv für ihre Dan-
kesrede: Das berühmteste Zitat des Libret-
tos, „Verachtet mir die Meister nicht“,
prägt sie um zu „Verachtet mir die Kom-
promisse nicht“. Für die Frau, die den Be-
griff „alternativlos“, wenn auch nicht po-
pulär, so doch allgegenwärtig gemacht
hat, ist das ein verblüffendes Bekenntnis,
aber man darf es wohl so verstehen, dass
Politik kompromisslos kompromissbreit
zu sein habe. Wie ja auch schon die freund-
lichen Worte der Geehrten an die aus 65
verschiedenen Staaten stammenden Gra-
duierten der HHL, die nun von Leipzig
aus in alle Welt zurückkehren werden, ein
Meisterstück der Kompromissbereitschaft
sind: „Wir nehmen Sie hier immer wieder
gern als Gast auf.“ Nicht weniger, aber
auch nicht mehr. Die sächsische Landtags-
wahl am folgenden Tag mit ihren unhar-
monischen nationalistischen Beiklängen
verstimmt da für einen Satz die Grundme-
lodie der Dankesrede.
Ansonsten hat nur der sächsische Minis-
terpräsident Michael Kretschmer den
Druck der nahenden Ereignisse hörbar

werden lassen, als er in seiner Begrüßung
die HHL lobt – und die eigene Politik für
die Förderung einer derart renommierten
Einrichtung. Dabei will er das Lob auch
weitergeben an seine Staatsministerin für
Wissenschaft und Kunst, doch deren
Name fällt ihm zunächst partout nicht
mehr ein. Ein Aussetzer, gewiss, doch
Eva-Maria Stange gehört der SPD an.
Man kann sich des Eindrucks nicht erweh-
ren, dass Kretschmer in Gedanken längst
bei einem ganz anderen Kabinett ist.
Die HHL jedenfalls darf sich freuen:
über die Zusage des Ministerpräsidenten,
ihren Ausbau weiterhin staatlich zu för-
dern, und über die scherzhaft als Drohung
verpackte Ankündigung ihrer neuen Eh-
rendoktorin, in Zukunft häufiger hier auf-
zutreten. Und mehr als das: „Alle Univer-
sitäten, die mir den Ehrendoktor gegeben
haben, werden noch von mir hören, wenn
ich nicht mehr Bundeskanzlerin bin.“ Das
Publikum applaudiert wieder im Stehen,
vorzeitiger Auszug von Frau Dr. Dr. h.c.
mult. Merkel, draußen immer noch keine
Proteste, die „Akademische Festouvertü-
re“ von Brahms zum Abschluss der Feier-
stunde erklingt von der Bundeskanzlerin
ungehört. Wagnerianerin sein, das ver-
pflichtet. ANDREAS PLATTHAUS

VENEDIG,1. September

E


in Müllabfuhrstreik hat die Stadt
den Ratten geöffnet. Ihre Ord-
nung stirbt. Der Nahverkehr we-
nigstens fährt noch auf gerader
Schiene, der Film zeigt das mehrfach,
aber in den Waggons herrscht bald auch
kein Frieden mehr. Ein lachender Irrer
wird den Bürgern der Stadt bald das vor-
werfen, was sie von Ratten unterscheidet:
„Ihr entscheidet, was Gut und Böse ist,
auf genau die Art, auf die ihr entscheidet,
was lustig ist und was nicht.“
Der Irre heißt wie der Film, „Joker“.
Diesen Joker haben große Schauspieler
verkörpert, Jack Nicholson, Heath Led-
ger, zuletzt Jared Leto. Jetzt heißt er Ar-
thur Fleck und lebt im Leib von Joaquin
Phoenix, zunächst als armer Clown zum
Mieten, auf der Straße, mit einem Ausver-
kaufsschild. Jugendliche stehlen das
Schild, er setzt ihnen durch den Verkehr
nach, weil dieser Film seinen Gegner, den
Rächer Batman, vermisst, während Fleck
zeigt, dass er über dessen Anlagen ver-
fügt wie über seine eigenen, also auch Rä-
cher ist (wie der andere auch Irrer). Die
Diebe schlagen ihn zusammen. Sein Le-
ben ist Erniedrigung: Als Kind wurde er
vernachlässigt; seine Mutter, die er um-
sorgt, lügt ihn an.
Grün angeschimmelt leuchtet der Film,
dann wieder blau wie verlöschendes Kühl-
schranklicht. Weder Kunst noch Pop hel-
fen den Figuren: Frank Sinatra singt für
sie, Charlie Chaplin macht Witze, aber

das Leben hier friert vor Angst. Arthur
Fleck nimmt sieben verschiedene Psycho-
pharmaka und muss lachen, wenn ihm
gar nicht danach ist. Es klingt wie ein Er-
sticken beim Weinen, aber die Augenrän-
der glänzen nur ein bisschen (sein
Schmerz ist, wie sein Spaß, zu trocken für
diese Welt). Wer ihm zusieht, verstrickt
sich in seine Widersprüche.
Eine Nachbarin (mit dem freundlich in-
telligenten Gesicht von Zazie Beetz)
scheint die einzige Person zu sein, die ihn
sieht; in Wahrheit sieht er sie nur so, als
sähe sie ihn. Ein Komiker, den er anhim-
melt – Robert De Niro, der hier die Rolle
hat, die Jerry Lewis in Martin Scorseses
„The King of Comedy“ (1982) spielte, wor-
in De Niro eine Art Joker darstellte –,
macht sich lustig über ihn. Erklärt das al-
les, warum aus Arthur Fleck der Massen-
mörder wird, den alle kennen? Woher er
die Fratze habe, fragen viele Comics und
Filme. Heath Ledgers Joker bietet in Chris-
topher Nolans „Dark Knight“ (2008)

gleich mehrere Erklärungen an, in „The
Killing Joke“ (1988) von Alan Moore und
Brian Bolland wird eine weitere illustriert,
die wiederum nicht zu der Diagnose einer
Psychiaterin in Grant Morrisons und Dave
McKeans „Arkham Asylum“ (1989) passt,
eigentlich sei er nicht verrückt, sondern
im Gegenteil hyperrational, gefangen im
idealen Geisteszustand für unsere Städte.
All diese Herkunftserzählungen sind
dazu gedacht, ihn von uns zu unterschei-
den – ihm soll etwas widerfahren sein,
das uns nicht passieren darf, deshalb ist
er „so geworden“. Dabei kommen mitten
aus unserem Gemeinwesen, das mit ihm
nichts gemein haben will, Leute wie Alek
Minassian, der 2018 in Toronto Men-
schen tötete, weil ihm, wähnte er, die Ge-
sellschaft ein erfülltes Liebesleben vorent-
hielt, oder jener Joker-Imitator, der 2012
in Aurora, Colorado, Kinogäste erschoss,
die einen Batman-Film sehen wollten.
Von einer Welt, in der es das gibt,
kann man nicht aus der Perspektive von

Helden erzählen, wohl aber aus der von
Irren. Das Kino der Siebziger und frü-
hen Achtziger hat dies oft getan, dafür
stattet der Regisseur Todd Phillips in sei-
nem „Joker“-Film diesem Kino vielfach
referenzengesättigten Dank ab, von Scor-
seses schon erwähntem „King of Come-
dy“ bis zu Miloš Formans „Einer flog
über das Kuckucksnest“ (1975). Seiner-
zeit riskierten auch Comics den Blick in
den Zivilisationszerfall – es gab von
1975 bis 1976 eine kurzlebige, sehr gute
„Joker“-Serie. Mit deren chaosbedräng-
tem Zeitgefühl hat der Phillips-Film
mehr zu tun als mit allen derzeit virulen-
ten Kinohits über die Avengers oder die
Justice League. „Joker“ spielt „damals“;
das macht sein Gesellschaftsbild präzi-
ser, als es eine eilfertige Aktualisierung
des Stoffes hätte leisten können. Denn

Analysen, die etwa da, wo sie Twitter be-
greifen wollen, nur aufs Medium starren
und nicht kapieren, dass es eher um die
scheußliche gesellschaftliche Dynamik
„Dorfklatsch“ geht, werden das Terror-
system „globales Dorf“ nicht verstehen.
Der Joker aber weiß Bescheid, dieses
Dorf ist seine Bühne. Das Festival in Ve-

nedig ist diesmal reich an sozialpolitisch
gemeinten Filmen, von Steven Soder-
berghs Geldwäscher-Galgenhumorglanz-
leistung „The Laundromat“ bis zum
flachen Griechenland-Schuldendrama
„Adults in the Room“ von Costa-Gavras.
Der Joker als Politikum funktioniert indi-
rekter, perverser: Wenn er am Filmende
tanzt und tötet, als wäre beides dasselbe,
drehen sich seine Arme und Beine um
mehr und asozialere Achsen, als der
menschliche Körperbauplan eigentlich
kennt. Was ihn mit unserer Wirklichkeit
verbindet, findet man in deren Vorge-
schichte: Ein unauffälliger Bürger na-
mens Bernhard Goetz schoss 1984 in
der New Yorker U-Bahn auf vier schwar-
ze Jugendliche, von denen er sich be-
droht glaubte. Der Joker begeht bei Phil-
lips seine erste Gewalttat auch in der
Bahn: Er tötet drei Männer, die ausse-
hen, als könnten sie mit Bernhard Goetz
befreundet sein.
Ob ein Angepasster einige Verlierer
angreift oder ein Verlierer ein paar
Angepasste, ist nicht entscheidend. Im
globalen Dorf zählt, ob die Tat bejubelt
wird. Wenn ja, hört für den Täter
die Zeit auf, in der er sich fragen muss,
ob es ihn gibt, wie Fleck einmal seiner
Sozialfürsorgerin gesteht, die schließlich
von der städtischen Austeritätspolitik
einkassiert wird. Jetzt, als Mörder, gibt
es ihn, und wir erkennen, woher er seine
Fratze hat: Sie stammt von uns, dem
Publikum. Wir haben sie ihm, bewegt
von Abscheu wie Anbetung, ins Gesicht
gestarrt. DIETMAR DATH

76.FILM
FESTSPIELE
IN
VENEDIG

DieStiftung Preußischer Kulturbesitz
hat das Haus Bastian gegenüber der
Berliner Museumsinsel als Bildungs-
zentrum der Staatlichen Museen Ber-
lin in Betrieb genommen. Der Kunst-
sammler Heiner Bastian hatte das von
dem britischen Architekten David
Chipperfield errichtete Eckhaus am
Kupfergraben im vergangenen Jahr der
Preußenstiftung geschenkt. In dem Ge-
bäude sollen in Zukunft Schülergrup-
pen und erwachsene Besucher auf vier
Etagen mit insgesamt zweitausend
Quadratmeter Nutzfläche mit der Ar-
beit und den Sammlungen der Museen
vertraut gemacht werden. Außerdem
steht der Bau für Arbeitskreise und Ta-
gungen mit Kultur- und Bildungsexper-
ten zur Verfügung. Der laufende Be-
trieb des Hauses Bastian wird in den
kommenden zehn Jahren vom Kurato-
rium Preußischer Kulturbesitz finan-
ziell unterstützt. F.A.Z.

S


eine Königliche Hoheit ist in-
digniert. Die Vermögensberater
sind auch nicht mehr das, was sie ein-
mal waren. Zugegeben, was die Hohen-
zollern alles besitzen, besessen haben
und vor allem wieder besitzen wollen,
das ist ein weites und vor allem ein
schwer zu überblickendes Feld:
Schloss Cecilienhof, Schloss Lindstedt,
die Villa Liegnitz, Immobilien, Möbel,
Porzellan, Textilien, Familienmuseum,
Hausbibliothek, Hausarchiv, die Toten-
maske vom Alten Fritz und etwa sie-
bentausend Kunstwerke! Aber auf
Köln hätten die Consultants, um dem
Anspruch Nachdruck und der Zivilliste
Gewicht zu geben, gleich kommen
müssen. An die Stadt, die den Hohen-
zollern unendlich viel zu verdanken
hat, der Dom wäre ohne sie bis heute
ein Torso, stellen sie nun auch Forde-
rungen. Sie wollen den Ring zurück,
den Hohenzollernring. Der ist ein
Schmuckstück oder war es zumindest
mal, als Josef Stübben die Stadt, die da-
für den inneren Befestigungsring abge-
rissen hatte, wie Wien aussehen lassen
wollte. Gründerzeitstolz, 687 Meter
Grand-Elysée-Atmosphäre. Da muss,
auch wenn die Maximalforderung
Rückgabe übers Ziel hinausschießt,
doch was zu holen sein. Im Kölner Rat-
haus ist das Schreiben des Adels-
anwalts wie eine Granate aus einer
preußischen Haubitze eingeschlagen,
die Oberbürgermeisterin soll auf den
Schreck hin leise „Kölle Du uns Stadt
am Rhing“ – das „h“ hört ja keiner –
von den „Bläck Fööss“ angestimmt ha-
ben. Mitten in die Beratungen über den
Doppelhaushalt hinein und während ih-
rer Überlegungen, sich der Wieder-
wahl zu stellen, hat ihr das gerade noch
gefehlt: „Das ist in etwa so, wie wenn
der Effzeh gleich wieder absteigen und
das Richter-Fenster aus dem Dom nach
Berlin verfrachtet würde“, soll ihr im
vertraulichen Kreis der Dezernenten
herausgerutscht sein: „Die Ubier ha-
ben sich auch schon gemeldet.“ Das
Stadtoberhaupt befürchtet einen Domi-
noeffekt. Denn Ubier, Karolinger, Sach-
sen, Salier, Hohenstaufen, Habsburger
sind hier ebenfalls vertreten, sie alle ha-
ben in Köln einen Ring. Der Leiter des
Rechtsamts hat die OB zu trösten ver-
sucht: „Seien Sie doch froh, dass es
nicht auch noch einen Welfenring gibt.
Haben Sie nicht mitbekommen, was da
mit der Marienburg läuft, nein, nicht
mit unserem Villenviertel, sondern mit
dem Schloss bei Pattensen?“ Berlin um
Beistand zu bitten kommt, vorerst zu-
mindest, nicht in Frage. So wach ist das
antimonarchistische Selbstbewusstsein
in Köln dann doch noch. Auf die Haupt-
stadt ist man hier nicht gut zu spre-
chen, aus Tradition nicht und in jüngs-
ter Zeit schon gar nicht. Erst verhan-
delt die Kulturstaatsministerin mit den
Hohenzollern, was ja konzediert, dass
es etwas zu verhandeln gibt, dann ho-
fiert sie mit einem Erbschaftsteuerdeal
Gerhard Richter, um ihm Werke abzu-
schwatzen, wo Köln seinem Ehrenbür-
ger doch ein eigenes Museum hinstel-
len wollte. Und jetzt auch noch der
Ring! Ihn zurückzugeben, darüber be-
steht in Köln ausnahmsweise Einig-
keit, würde nicht den Hohenzollern,
aber dem Fass, das sie aufgemacht ha-
ben, die Krone aufsetzen. aro.

Die amerikanische Fotografin Nan
Goldin hat sich gegen ein außergericht-
liches Abkommen mit dem Schmerz-
mittelhersteller Purdue Pharma ge-
wandt, bei dem die Familie Sackler,
der der Konzern gehört, insgesamt
etwa zehn Milliarden Dollar an die
rund zweitausend Kläger auszahlen
will. Goldin verlangt, die Sackler-Fami-
lie vor Gericht zu stellen, weil sie opi-
umhaltige Schmerzmittel wie Oxycon-
tin aggressiv beworben, die Suchtge-
fahr heruntergespielt habe und damit
für die Rauschgiftsucht und den Tod
Hunderttausender Amerikaner verant-
wortlich sei. Der Sackler-Familie wird
vorgeworfen, die „Opioid-E.“ in Ameri-
ka angeheizt und aus ihr Profit geschla-
gen zu haben. F.A.Z.

Haus Bastian
Bildungszentrum in Berlin eröffnet

Frau Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. usw.


Angela Merkel bekommt in Leipzig ihre siebzehnte Ehrendoktorwürde, und Christine Lagarde hält ihr eine Laudatio in D-Dur


Verstrickt und zugeschaut

Hohenzollernring


Inakzeptabel
Goldin gegen Sackler-Vergleich

Filme mit gesellschaftskritischen Anliegen gibt es


im Wettbewerb von Venedig diesmal viele, auch


Todd Phillips’ „Joker“ hat eines. Er zeigt das Chaos


urbanen Verfalls, zusammengefasst in einem


schrecklichen Mann, den Witz und Schmerz


entstellen, bis er das Zerrbild der Stadtseele wird.


Nur das Echo der Welt kann die existentiellen Zweifel des Täters beenden: Joaquin Phoenix spielt den „Joker“ im gleichnamigen Film von Todd Phillips. Foto Warner Bros./Nico Tavernise
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