Der Stern - 08.08.2019

(Ann) #1
„Kommando­
anwärter“ be­
kommen das
Wolfsabzeichen

Eine Übung mit
Flecktarn und
Gefechtshelm im
Dezember 2017
in Fulda

Der Anführer war ein Elitesoldat. Er nennt sich „Hannibal“, wie der Feldherr in der Antike


Indirekte Sympathie für das NS-Regime
zeigte sich jedenfalls im November 2018
auf der öffentlichen Facebook-Seite von
Uniter. Dort mokierte sich ein Mann über
„die Italiener unter Waffen“, die „seit 1943
immer zur Wankelmütigkeit und Oppor-
tunismus“ geneigt hätten. 1943 war
das Jahr, in dem Italien Adolf Hitler das
Achsen-Bündnis aufkündigte. Der Itali en-
Kritiker scheint für Uniter kein un-
erwünschter Besucher der Seite gewesen
zu sein. Noch im Juni 2019 nahm ihn ein
führender Uniter-Aktivist in die Facebook-
Gruppe „Germany West“ auf.
Laut Bundesinnenministerium haben
die Sicherheitsbehörden inzwischen mög-
liche Vorwürfe gegen Uniter überprüft –
man bittet jedoch um „Verständnis dafür,
dass wir die Ergebnisse der Überprüfun-
gen nicht veröffentlichen können“. Aber
was, wenn die Behörden den Verein unter-
schätzen? Und was, wenn einige Mitglie-
der es inzwischen geschafft haben, Schlüs-
selstellen in der Sicherheitsbranche oder
sogar in Behörden zu besetzen?
Dem stern wurde jetzt das ausführliche
Protokoll einer bislang unbekannten Uni-
ter-Whatsapp-Gruppe zugespielt. Es zeigt,
dass Mitglieder noch bis vor Kurzem regel-
mäßig auf Aufträge von Behörden und aus
dem Umfeld großer Firmen wie RWE hof-
fen konnten. Bis mindestens Ende Juni 2019
tauschten sich in dem Chat Dutzende Mit-
glieder über mögliche Jobs in der Sicher-
heitsbranche aus – von der Aufgabe als La-
dendetektiv auf der Schwäbischen Alb bis
zu Einsätzen in Mailand, Monaco und dem

irakischen Basra. Neben „Hannibal“ war in
dem Chat auch ein Mann mit dem Spitzna-
men „Reaper“ – Sensenmann – aktiv, außer-
dem mischten mit: ein „Mini Hulk“ und ein
„Punisher-Kev“. Administriert hat den Chat
der „Security Consultant“ und Ex-Soldat
Marco D’Arcangelo (Spitzname „Darc Ange-
lo“), der im Mai 2019 als „Hannibals“ Nach-
folger zum „Landesdistriktleiter“ für
Deutschland aufgestiegen ist. „Nur an Mit-
glieder“ würden die hier angebotenen Jobs
vergeben, mahnte er im Chat.

A


nfang Juni 2019 suchte „Darc Angelo“
Security-Personal für den Energiekon-
zern RWE und die „verdeckte Über-
wachung des äußeren Ringes des Geländes
von RWE“ in Garzweiler. Ende Juni demons-
trierte dort ein Aktionsbündnis gegen den
Braunkohleabbau. Uniter-Leute kamen in
der Tat über eine mit dem Verein verbun-
dene Firma zum Zuge. Sie arbeitete dort
dem RWE-Sicherheitsdienst zu und hatte
laut RWE die Aufgabe, „Aktivisten vor
einem Eindringen in den Tagebau zu
warnen“.
Auch von Behörden gab es offenkundig
Security-Aufträge. Für drei Tage, vom 7. bis


  1. Juni 2018, suchte D’Arcangelo zwei „be-
    waffnete Kräfte für einen behördlichen
    Auftrag in Norddeutschland“. Laut Uniter
    sollten die Kräfte „die Behörden bei einem
    Staatsempfang eines afrikanischen Diplo-
    maten unterstützen“.
    Und im April 2018 suchte der Security-
    Mann namens „Punisher-Kev“ nach einem
    Mitarbeiter für die Landeserstaufnahme-


stelle für Asylbewerber im baden-würt-
tembergischen Sigmaringen. „Hallo Män-
ner“, schrieb er im Chat, er brauche jemand
Neues für die „Stellvertretung in der LEA
in Sigmaringen“, für sechs bis zwölf Mona-
te. Es sei „recht dringend“.
„Punisher-Kev“ heißt im bürgerlichen
Leben Kevin D. Er arbeitet bei einer Sicher-
heitsfirma in Ravensburg und war dort
zumindest zeitweise für gleich mehrere
Flüchtlingsheime in Baden-Württemberg
zuständig. In einem dieser Heime im All-
gäu gingen die Flüchtlinge im Februar 2016
nach einem Angriff selbst auf Streife, weil
sie das Gefühl hatten, dass die Leute von
Kevin D. zu passiv seien – ein Vorwurf, den
die Firma zurückwies.
Bei Uniter sei er inzwischen ausgetreten,
versicherte er nun dem stern. Zumindest
bis April 2019 war er aber noch in der Job-
börse des Vereins dabei. Auf stern-Anfrage
distanzierte sich der Chef der Ravensbur-
ger Sicherheitsfirma „entschieden“ von
„Gruppierungen wie Uniter“. Von der Job-
börse habe die Firma nichts gewusst.
Dieser Vermittlungsdienst, so erhoffte
sich Uniter, sollte nicht nur den Mitglie-
dern zugute kommen, sondern auch den
Einfluss des Vereins stärken. Im April 2019
forderte „Hannibal“ im Chat dazu auf, ge-
zielt Stellen in Unternehmen zu besetzen:
„Gute Positionen in der Wirtschaft sollten
unbedingt im Kreise der ‚Liebsten‘ bleiben
um langfristig einen Mehrwert für das
Netzwerk zu erzeugen.“ Uniter, so das Ziel,
solle zu einem „Qualitätssiegel der Sicher-
heitsbranche werden“. 4
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