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17.08.19 Samstag, 17. August 2019DWBE-HP
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2 FORUM DIE WELT SAMSTAG,17.AUGUST
W
enn ich als Amerikaner
in Europa eines nicht
vermisse, dann ist es
die Dauerberieselung
durch Profisport in der
Mainstream-Kultur der
USA. Den Sportnach-
richten entkommt man nirgends, man wird von
ihnen bombardiert, und das fängt schon an, sobald
man aus seinem Transatlantikflug ausgestiegen
ist. Kaum bin ich im Flughafen, laufe ich vorüber
an Restaurants und Bars mit riesigen Monitoren,
die drei, vier Events des Profisports simultan
ausstrahlen, oder – schlimmer noch – Sport-Talk-
shows mit abgehalfterten Ex-Sportlern. Auf den
Minibildschirm im Taxi geht es weiter, in den
Medien bei jedem Besuch, bei der Begegnung all
der Leute in Trikots und Basecaps ihrer Lieblings-
mannschaft.
Doch jetzt, in der Ära Trump, habe ich erkannt,
welch wichtige Rolle die Allgegenwart dieses Phä-
nomens haben kann, insbesondere was Baseball
betrifft. Er ist quasi zum Kitt, zum Alleskleber
geworden für das Land, aus dem ich komme. Er
hält Freundschaften, Familien ja, die Zivilgesell-
schaft zusammen. In ihrer Leidenschaft für Base-
ball sind die Pro- und Anti-Trump-Fraktionenauf
eine Weise verbunden, die sonst kaum noch an-
zutreffen ist. Tatsächlich stellt Sport inzwischen
fast das einzige Thema dar, über das sich die bei-
den Lager ohne politische Anspannung austau-
schen können.
Unlängst konnte ich das wieder deutlich erfah-
ren, auf Besuch bei meiner Familie im Hinterland
von New York. Mein Sohn ist ein großer Fan von
erneuerbaren Energien, begeistert zeigte er aus
dem Zugfenster auf Solarmodule, die er draußen
sah. Sie gehörten zu einem Lagerhaus in New
Jersey, und der Junge wollte vielleicht meine Be-
hauptung widerlegen, dass die USA energietech-
nisch Europa hinterherhinken. Kaum hatte er
seine Freude über die Solarmodule geäußert, als
ein weißer Herr mittleren Alters neben uns un-
aufgefordert einwarf, diese Dinger seien „wert-
loser Schrott“.
Da wir eine schlaflose Nacht hinter uns hatten
und ich keinen Ärger anzetteln wollte, entschied
ich mich, dazu vorerst zu schweigen, doch jetzt
lag Gereiztheit in der Luft. Der Mann suchte nun
freundlich zu sein, und stellte sich als Zahnarzt
aus Colorado vor. Ich witterte einen Trump-Wäh-
ler, wollte aber, erst recht in Gegenwart meines
Sohnes, kein Streitgespräch, und erwiderte: „Ah,
ich wette Sie sind ein Rockies-Fan! Wie machen
die sich in dieser Saison?“ Nur zu gern ging der
Mann aus Colorado darauf ein und führte aus, das
Los der Rockies sei derzeit leider nicht viel besser
sei als das der Mets – „mein“ New Yorker Team.
Beide bedauerten wir das Pech unserer Mann-
schaften, tauschten noch ein paar Baseball-Sprü-
che aus und hielten dann wohlweislich den Mund.
Das unangenehme Gefühl, das sich vorher breit
gemacht hatte, verflog – eins zu null für Baseball.
Ich habe auf dieser Reise im Sommer den Ein-
druck bekommen, dass sich Amerika der sozialen
Brückenfunktion des Sports bewusster ist, als man
zugeben will. Genau wegen dieser Rolle des
Sports, so vermute ich, sind öffentliche Räume
wie Flughäfen, Shopping-Malls oder Taxis so von
der Allgegenwart des Sports geflutet. Hier haben
wir ein kollektives Thema, das die wenigsten Leu-
te beleidigt und die meisten interessiert. Dass es
diese gewaltige Dimension annimmt, verhindert
zerreißende politische Dispute – es verhindert
allerdings auch, mit dem „anderen Lager“ über-
haupt ins Gespräch zu kommen.
Vermutlich sind sich manche Sportfunktionäre
und andere Sportakteure der zentralen Funktion
ihrer Sache für die Einheit Amerikas sogar durch-
aus bewusst. Auch deshalb vielleicht werden bei
Baseballübertragungen im Fernsehen weder Poli-
tik noch Rasse erwähnt – ganz im Gegensatz zu
anderen beliebten Sportarten. Es scheint, als hät-
ten wir mit dem Baseball eine unantastbare Meta-
ebene, als könne in der Welt des Baseballs des
Rest des uns allen Gemeinsamen weit über den
Launen von Politik und Alltag schweben.
Derart gespalten ist das aktuelle Amerika, dass
Baseball nun der wohl einzige Sport ist, der den
Anspruch verkörpert, neutral oder unpolitisch zu
sein (was er freilich beides auch nicht ist). Foot-
ball jedenfalls, Amerikas zweitbeliebteste Sport-
art, wurde am Vorabend der Wahl 2016 „korrum-
piert“, als der Star-Quarterback und der Trainer
der New England Patriots öffentlich verkündeten,
sie würden für Trump stimmen. Politisiert wurde
Football auch durch die Weigerung einer Handvoll
afroamerikanischer Spieler wie Colin Kaepernick,
bei der Nationalhymne aufzustehen.
Ihr Protest galt der Polizeigewalt gegen Schwar-
ze – doch er nahm der Mannschaft die Möglich-
keit, so wie Baseball ein einigendes Wohlfühl-
Potenzial zu entwickeln. Ebenso verlor der pro-
fessionelle Basketball seinen Anspruch auf Neu-
tralität, als afroamerikanische Spieler wie der
Superstar LeBron James sich offen gegen Ras-
sismus aussprachen. Schon lange vor Trumps
politischem Aufstieg hatte ich übrigens weiße
Männer abschätzig von Basketball als „afrikani-
schem Handball“ reden hören. Basketball war
ihnen „zu schwarz“.
Mit anderen Worten: Der Gesamtgesellschaft
bleibt im Moment nur der Baseball. Andere Sport-
arten haben längst ihre Unschuld verloren. Auto-
rennen, Golf und Hockey sind Domänen echter,
rechter Republikaner. Fußball, Leichtathletik und
Tennis sind typisch „demokratische“ Sportarten,
viele ihrer Fans interessieren sich heutzutage
sogar für die Frauenligen. Jüngster Beleg für die
politische Kluft in der Sportwelt waren die Verbal-
angriffe der Fußballerin Megan Rapinoe– nach
dazu eine Lesbe! – gegen Präsident Trump. Das
war das endgültige Aus für die Karriere des Frau-
enfußballs bei den Republikanern – obwohl die
Frauen-Nationalmannschaft nachgerade emblema-
tisch für amerikanischen Stolz stehen könnte, weil
sie die internationale Konkurrenz bezwingt, und
das Jahr für Jahr.
Vergangene Woche, auf der Rückreise nach
Berlin, bot sich mir als letztes Bild vor dem Ein-
steigen ins Flugzeug ein überaus friedliches: Eine
Sportbar am Flughafen mit vier Fernsehern, die
vier Baseball-Spiele parallel zeigten, entspannt
davor die aufmerksamen Zuschauer. Der Frieden
war trügerisch, gewiss. Aber die Illusion, dass es
ihn geben könnte, war einfach schön. Fazit dieser
Reise im Sommer 2019: Das Einzige, was noch
schlimmer ist als zu viel Baseball in den USA, ist
zu wenig Baseball.
TPaul Hockenos, 56, ist ein US-Politikwissen-
schaftler und Journalist, der seit den 80er-Jahren
in Europa lebt. Er ist Autor von vier Büchern und
Fan von Baseball, Lacrosse und Eisschnelllauf.
ESSAY
Baseball geht immer
PAUL HOCKENOS
In den USA gibt es
Sportarten, die vor
allem Republikaner
lieben, und jene, für die
meistens Demokraten
schwärmen. Nur beim
Baseball können sich
beide Lager ohne
politische Anspannung
austauschen
US-Präsident Donald Trump weiß um die Popularität des Baseballs – und versucht sie für sich zu nutzen
PA / DPA/ NEWSCOM
/ MOLLY RILEY
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Stv. Chefredakteur: Robin Alexander
IMPRESSUM
Zeit für eine Klimapolitik
mit kühlem Kopf
MICHAEL VASSILIADIS
S
elten war die Lücke zwischen
Anspruch und Wirklichkeit in
einer politischen Debatte so groß
wie in der aktuellen Frage der klimage-
rechten Transformation unserer Indus-
triegesellschaft. Einerseits verliert sich
die Gesellschaft in immer schrilleren
Enthaltsamkeitsforderungen. Kraftwerke
sollen möglichst sofort abgeschaltet,
Inlandsflüge verboten, bestimmte Auto-
modelle mit Strafabgaben versehen wer-
den. Auf der anderen Seite bekommen
wir es nicht einmal hin, den Ausbau der
Alternativen voranzutreiben. Sowohl bei
Stromleitungen wie auch bei Gleismo-
dernisierungen wie auch bei Ladestatio-
nen für Elektroautos ist der Fortschritt
eine Schnecke.
Es wird Zeit, dass wir die Klimadebat-
te mit kühlem statt mit hochrotem Kopf
führen. Nur so können wir unseren Bei-
trag zum Pariser Klimaabkommen er-
bringen und die deutschen Klimaziele
einhalten. Immer hitzigere Aktionen
oder gar politische „Klimastreiks“ sind
kein zielführendes Mittel. Es kann nicht
sein, dass die radikalste Protestidee den
Meinungsmarkt bestimmt. Für mich als
Gewerkschafter wird damit auch der
Streikbegriff insgesamt diskreditiert.
Inhaltlicher Diskurs ist wichtig, will man
bei so fundamentalen Herausforderun-
gen den besten Weg finden. Daher ist
das Engagement der Protestbewegung
„Fridays for Future“ zu begrüßen, zumal
dadurch die öffentliche Debatte über
den Klimaschutz an Fahrt gewonnen hat.
Aber die vielen politischen, technischen
und wirtschaftlichen Herausforderungen
sind damit nicht bewältigt. Wir müssen
endlich vom Proklamieren ins Umsetzen
kommen.
Es geht um mehr als die Frage, wann
welches Kraftwerk abgeschaltet, wie
hoch eine CO 2 -Steuer ausfallen oder
welche Abwrackprämie für Ölheizungen
gezahlt werden soll. Wir müssen den
Industriestandort in einem gesamt-
gesellschaftlichen Kraftakt auf allen
Sektoren zum Innovationsmotor klima-
gerechten Wirtschaftens machen, zu
einem globalen Technologieführer der
Transformation. Darin liegt die große
Chance für eine Zukunft mit guter In-
dustriearbeit, mit wettbewerbsfähigen
Unternehmen, mit neuem qualitativem
Wachstum. Und vor allem: für einen
wirklich spürbaren Klimaschutz. Denn
Deutschlands Einsparungen allein wer-
den die Welt vor den Folgen des Klima-
wandels nicht retten. Dafür ist unser
Ausstoß mit zwei Prozent an den Ge-
samtemissionen viel zu gering. „Es gibt
kein German Warming, es gibt nur Glo-
bal Warming“, brachte es unlängst der
Professor für Energiepolitik an der Uni-
versität Oxford, Dieter Helm, auf den
Punkt. Im vergangenen Jahr hat
Deutschland seine Emissionen um fünf
Prozent gesenkt – weltweit sind sie
trotzdem um zwei Prozent gestiegen.
Nur indem wir klimaneutrale Innova-
tionen entwickeln, die weltweit Ab-
nehmer finden, und indem wir ein Ge-
sellschaftsmodell entwerfen, das Klima-
gerechtigkeit mit sozialer Gerechtigkeit
verbindet und so international Vorbild-
wirkung entfacht, können wir Deutschen
überhaupt etwas Spürbares zur Ein-
dämmung der globalen CO 2 -Emissionen
beitragen. Wir müssen uns an die Spitze
der Bewegung setzen. Machen wir „ma-
de in Germany“ zur globalen Marke für
klimaneutrale Spitzentechnologie. An-
dernfalls droht eine weitere Basisinnova-
tion über uns hinwegzurollen. Schon bei
Digitalisierung und Software sind wir
nur Getriebene, nun droht das Schicksal
ausgerechnet unserer Vorzeigebranche –
der Auto- und Zulieferindustrie.
Mit einer „schwarzen Null“ im Bun-
deshaushalt wird der Wandel nicht zu
bewältigen sein. Die klimagerechte
Transformation des Industriestandorts
wird das wahrscheinlich größte und
teuerste Unterfangen seit Bestehen der
Bundesrepublik. Politik, Unternehmen,
Gewerkschaften, Umweltverbände: Alle
sind gefragt. Wenn wir hier zaudern und
zögern, ist nicht nur unsere Klimabilanz,
sondern auch unser Wohlstandsmodell
in Gefahr.
In der Kommission für Wachstum,
Strukturwandel und Beschäftigung ha-
ben alle Seiten bewiesen, dass sie kon-
sensfähige Kompromisse finden können.
Am Ende stand neben einem Konzept
für einen klimagerechten Umbau der
Energieversorgung auch die Einigung auf
eine milliardenschwere Neuausrichtung
der betroffenen Regionen und auf ein
engmaschiges Sicherheitsnetz für die
Zehntausenden betroffenen Beschäftig-
ten. Das Papier liegt auf dem Tisch des
Klimakabinetts und wartet darauf, eins
zu eins umgesetzt zu werden. Es kann
zudem als Blaupause für die Transforma-
tion weiterer Sektoren dienen.
Der Staat muss in Vorleistung gehen.
Ein politisch gewollter Wandel wird über
den Markt allein nicht zu organisieren
sein. Wir brauchen einen Investitions-
turbo, um die Dekarbonisierung der
Produktion voranzutreiben. Hier gibt es
erste ermutigende Projekte, etwa mit
Wasserstoff. Sie zum Industriestandard
zu machen wird Jahre brauchen und
viele Milliarden Euro kosten. Es bedarf
eines ausgeklügelten Systems des För-
derns und Forderns. Das beginnt bei
steuerlicher Absetzbarkeit von For-
schungs- und Entwicklungsvorhaben
oder von Rückstellungen für klimaneu-
trale Großprojekte und reicht bis zum
Staat als (Co-)Investor.
AAAber auch die Unternehmen sind inber auch die Unternehmen sind in
der Pflicht. Seit Jahren fahren sie satte
Gewinne ein und geizen dennoch bei
Investitionen an den Heimatstandorten.
Das muss sich dringend ändern. Sie müs-
sen jetzt vorsorgen für treibhausgasneu-
trale Produkte und Produktionsverfah-
ren. Wir werden ihnen klarmachen: Kli-
magerechte Modernisierung hat zuerst
an inländischen Standorten stattzufin-
den. Das alles wird nicht funktionieren,
wenn wir gar nicht genug CO 2 -neutrale
Energie produzieren. Genau danach sieht
es im Moment aber aus. Ausgerechnet im
Jahr der lautesten Klimaproteste ist der
AAAusbau der für die Energiewende unver-usbau der für die Energiewende unver-
zichtbaren Windanlagen und Stromnetze
quasi zum Erliegen gekommen. Im ers-
ten Quartal 2019 wurden laut Bundes-
netzagentur 21 Kilometer Leitungen
gebaut. Wir brauchen bis 2030 aber noch
6 600 Kilometer. So viel zum Delta zwi-
schen Anspruch und Wirklichkeit. Wenn
wir so weitermachen, ist das Zwischen-
ziel von 65 Prozent CO 2 -freien Stroms
2 030 in Gefahr.
Wir brauchen dringend einen Energie-
pakt, mit dem wir die Ausbauhürden aus
dem Weg räumen: Dazu gehören zum
Teil absurde politische Vorgaben bei der
Flächenvergabe genauso wie vielfältige
Klagen von Denkmal-, Wald- und Tier-
schützern. Hier müssen sich die Um-
weltverbände endlich entscheiden, wo
eigentlich ihre Prioritäten liegen sollen.
Der Stillstand ist auch eine Folge der
völlig vermurksten Energiewende 1.0, die
uns Stromkunden seit 2000 weit mehr
als eine halbe Billion Euro gekostet und
Wind- wie Solarinvestoren die Taschen
vollgemacht hat. Heute kommen wir
zwar auf gut 40 Prozent erneuerbaren
Strom, zahlen aber auch die höchsten
Preise Europas. Gleichzeitig darben die
heimischen Hersteller: Die Solarbranche
liegt am Boden, nun droht der Windkraft
ein ähnliches Schicksal.
Wir müssen aus diesen Fehlern lernen
und es diesmal besser machen. Kaum
eine Industrienation hat bessere Voraus-
setzungen dafür, globaler Technologie-
führer der Transformation zu werden.
Unsere Kolleginnen und Kollegen in der
Industrie sind hier schon viel weiter als
die Politik. Es ist an ihr, nun gemeinsam
mit allen relevanten gesellschaftlichen
Gruppen die richtigen Rahmenbedingun-
gen zu setzen, damit daraus ein öko-
logisches, ökonomisches und soziales
Erfolgsmodell wird. Krempeln wir die
Ärmel hoch und schaffen wir die Grund-
lagen für ein neues deutsches Wirt-
schaftswunder.
TDer Autor ist Vorsitzender
der IG Bergbau, Chemie, Energie.
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