P.M. History - 09.2019

(nextflipdebug2) #1

Korea


ÜBERLEBENDE Wie viele ehemalige .Trostfrauen" schwieg Kim Bok-dong lange über
ihre Erlebnisse. Erst sehr viel später forderte sie öffentlich eine Entschuldigung

Arthur an und schlugen die russische
Flotte im darauffolgenden Jahr vernich­
tend in der Seeschlacht bei Tsushima.
Der Triumph Japans ging dabei weit
über einen militärischen Sieg hinaus -
schließlich hatte sich damit zum ersten
Mal ein asiatisches Land im Krieg gegen
eine europäische Großmacht durch­
gesetzt. Das Inselreich fühlte sich nun
noch stärker und in seinem aggressi­
ven Vormachtstreben bestätigt. Korea
wurde zunächst dem "Schutz" und der
"Aufsicht" Japans unterstellt. Als sich

der koreanische Premier weigerte, den
Protektoratsvertrag im bereits umzin­
gelten Palast in Seoul zu unterschrei­
ben, zerrten ihn japanische Soldaten
aus dem Raum. Auch Kaiser Gojong ver­
weigerte seine Unterschrift. Vergeblich.
Am 22. August 1910 annektierte Ja­
pan Korea endgültig und errichtete eine
brutale Militärdiktatur. 1919 fanden
mehr als 7500 koreanische Aufstän­
dische den Tod, die Halbinsel wurde
faktisch zur Kolonie. Die koreanische
Sprache wurde an den höheren Schulen

ENTWURZELT Der US-Schriftsteller
Jack Lenden fotografierte im Jahr
1904 diese koreanische Familie, die
vor den vorrückenden Japanern floh

verboten, Fabrikarbeiter mussten Muni­
tion herstellen, Koreaner in der japani­
schen Armee dienen.
Als Japan am 7. Dezember 1941 die
US-Pazifikflotte in Pearl Harbor angriff,
wurden die Koreaner im Rahmen der
Generalmobilmachung zur Zwangsar­
beit verpflichtet. Es gab kein Entkom­
men. Auch für Kim Bok-dong nicht. "Ich
dachte, wenn ich in einer Fabrik arbei­
te, würde ich wenigstens nicht sterben",
sagt die 92-Jährige im Interview. Doch
was folgte, war noch weitaus schlimmer.

V

on den Soldaten wurde Kim Bok­
dong zu einem Hafen im korea­
nischen Busan gebracht, dann
mit einer Fähre nach Shimonoseki in
Japan. Dort warteten schon 30 ande­
re junge Frauen, etwa 19, 20 Jahre alt.
"Ich war definitiv die Jüngste", sagt Kim
Bok-dong. Über Taiwan wurden die
Mädchen weiterverschifft, bis in die von
den Japanern besetzte chinesische Pro­
vinz Guangdong. Hochrangige Beamte
nahmen sie in Empfang und schickten
sie zum Arzt.
Danach fanden sich die Mädchen
in einem fabrikähnlichen Gebäude mit
vielen Zimmern wieder. Kim Bok-dong
erinnert sich, dass man sie in einen der
Räume führte, dass man sie verprügel­
te, um sie gefügig zu machen. Und dann
vergewaltigte. "Das ganze Laken war
voller Blut." Als sie in den Schlafsaal
zurückwankte, traf sie dort auf zwei
andere weinende Mädchen, denen man
gerade dasselbe angetan hatte.
Kim Bok-dong beschloss, sich um­
zubringen. Von dem Geld, das ihre
Mutter ihr für Essen mitgegeben hatte,
besorgte sie sich hochprozentigen Alko­
hol. Zusammen mit den beiden anderen
Mädchen leerte sie eine ganze Flasche
und verlor das Bewusstsein. Doch die
Japaner entdeckten sie, pumpten ihr
den Magen aus und schickten sie wie­
der zurück.
"So habe ich beschlossen, am Le­
ben zu bleiben, um zu erzählen, was
geschehen ist." Dass die japanischen
Streitkräfte vor und während des Zwei­
ten Weltkrieges 200 000 Frauen und
Mädchen aus 17 Ländern raubten, vor
allem aus Korea, aber auch aus China,
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