Zwei deutsche Ko-Produktionen
bekommen Preise in Locarno
Zum Finale des 72. Internationalen Film-
festivals in Locarno ist der Goldene Leo-
pard an den Film „Vitalina Varela“ von
Regisseur Pedro Costa aus Portugal ge-
gangen. Das gab die Jury unter Vorsitz
der französischen Regisseurin Catherine
Breillat am Samstag bekannt. Als beste
Schauspieler geehrt wurden die von den
Kapverden stammende Vitalina Varela,
die sich im Gewinnerfilm selbst spielt,
und der Brasilianer Regis Myrupu in der
brasilianisch-französisch-deutschen Ge-
meinschaftsproduktion „A Febre“ („Fie-
ber“) in der Rolle eines indigenen Arbei-
ters. Zum besten Regisseur kürte man
den Franzosen Damien Malivel für „Les
Enfants d'Isadora“ („Die Kinder von Isa-
dora“). „Pa-go“ („Die Höhe der Welle“),
ein gesellschaftskritischer Krimi von Re-
gisseur Park Jung-bum (Südkorea) bekam
den Spezialpreis der Jury.
Deutschland kann sich neben dem „A Fe-
bre“-Erfolg noch über den Hauptpreis im
Wettbewerb der Sektion „Pardi di do-
mani („Leoparden von morgen“) freuen.
Die türkisch-deutsche Ko-Produktion
„Siyah Günes“ („Schwarze Sonne“)
wurde als bester Film mit einem „Pardino
d'oro“(„Kleiner GoldenerLeopard“) aus-
gezeichnet. dpa
Will man ein Festival rein an der Starpo-
wer messen, hatte Salzburg dieses Jahr
mehr Glück als Bayreuth. Erst streicht
Anna Netrebko aus gesundheitlichen
Gründen ihr Debüt auf dem Grünen Hü-
gel, während sie an der Salzach immerhin
einetriumphalekonzertante „Adriana Le-
couvreur“ gesungen hat. Dann sagt Va-
lery Gergiev sein „Tannhäuser“-Dirigat
am 13. August ab, und natürlich ist die
Frage groß: Kommt er nach Salzburg?
Er kommt. Vielleicht liegt es auch an
seinem Trauerfall im engsten Familien-
kreis, dass er bei der Premiere von Giu-
seppe Verdis „Simon Boccanegra“ mit
den Wiener Philharmonikern im Großen
Festspielhaus einen Klang von existen-
zieller Dichte und Tiefe schafft. Einen
Klang, der wie ein kontrolliertes Feuer
wirkt, aber dennoch durchdrungen ist
von Transparenz und Agilität. Der trotz
der immer etwas fahrigen Gestik von Va-
lery Gergiev punktgenau kommt und in
einem Wimpernschlag seinen Charakter
ändert. Etwa während der dramatischen
Intensität der Wiedererkennungsszene
von Boccanegra und seiner Tochter Ma-
ria.
Dirigent, Orchestermusiker und Sän-
ger retten diesen Abend. Und die Musik
natürlich. Stünde nicht der Name „Verdi“
drüber, würde heute kaum jemand diese
Oper aufführen. So wie im Stück ein
Fluch eine gewisse Rolle spielt, lag auch
auf „Boccanegra“ selbst kein Segen.
Schonbeider Uraufführung 1857im Tea-
tro La Fenice in Venedig nicht, obwohl
das Libretto von Francesco Maria Piave
stammt (nach einem Schauspiel von An-
tonio García Gutíerrez). Schon damals
war dem Publikum die Handlung zu fern.
Der Zeitsprung von 25 Jahren zwischen
Prolog und erstem Akt erweist sich bis
heute als unlösbares Problem.
Inder Republik Genua des14. Jahrhun-
derts, dem Konkurrenten Venedigs,
herrscht Bürgerkrieg zwischen Plebejern
und Patriziern, Simon Boccanegra ist ei-
gentlich ein gewöhnlicher Korsar, wird
aberzum Dogen gewählt.Im gleichenAu-
genblick stirbt seine Geliebte Maria, weil
ihr Vater, sein Erzfeind Fiesco, sie gefan-
gen hält, um eine Heirat zu verhindern.
Auch die gemeinsame Tochter gleichen
Namens verliert er, sie verschwindet und
taucht ein Vierteljahrhundert später als
„Amelia Grimaldi“ wieder auf. Beim Ver-
such Boccanegras, der immer noch Doge
ist, sie mit seinem Minister zu verheira-
ten, entdecken beide, dass sie Vater und
Tochter sind. Maria (alias Amelia) liebt
aber den Edelmann Gabriele Adorno, der
nach einigen weiteren Wirrungen – unter
anderem vergiftet Paolo seinen Herrn
Boccanegra, der sich im Tod mit Fiesco,
dem Großvater Marias, versöhnt –
schließlich neuer Doge wird. Alles klar?
Verdis wirre Libretti sind legendär,
aber wie beim „Troubadour“ von genia-
lisch-süffigen melodiösen Einfällen ge-
stützt. Die melodischen Bögen fehlen
hier; trotzdem ist die Partitur von „Simon
Boccanegra“ ein Wunderwerk an Kolorit
und musikalischer Genauigkeit. Verdi
überarbeitete sie nach fast 25 Jahren, die-
ses Mal mit Arrigo Boito als Librettist.
Dieauch in Salzburg gespielte zweite Fas-
sung wird 1881 an der Mailänder Scala
ein Erfolg. Dem reifen Verdi, der zu die-
sem Zeitpunkt zehn Jahre nichts mehr ge-
schrieben hatte, dürfte bewusst gewesen
sein, dass seine Funktion mittlerweile als
nationales Denkmal dabei geholfen ha-
ben mag. Immerhin, „Simon Boccane-
gra“ wurde zum Auslöser für sein Alters-
werk, für „Otello“ und „Falstaff“.
Regisseur Andreas Kriegenburg und
seinBühnenbildnerHarald B. Thor wuch-
ten gerne turmhohe Bauten auf die Bret-
ter,in Berlin etwain„Otello“ander Deut-
schen Oper, vor zwei Jahren in Salzburg
in „Lady Macbeth von Mzensk“, zuletzt
an der Berliner Staatsoper in „Babylon“.
Dieses Malsuchensieihr Heilin nüchter-
nerer Architektur, die von Zaha Hadid
oder David Chipperfield stammen
könnte. Glatte, teuer aussehende,
schmucklose Betonwände, dazu Säulen
wie von der Berliner James-Simon-Gale-
rie: Kriegenburg sucht das blendende
Weiß, die totale Neutralität, damit sich
die verschlungene Geschichte ohne Ab-
lenkung erzählen lässt. Ein grünes Bam-
buswäldchen durchbricht die Strenge.
Als Hinweis darauf, dass immer ein Rest
von Unkontrollierbarem bleibt?
Die Sänger – in dieser Männerveran-
staltung, vom fantastischen Chor (Ernst
Raffelsberger) mal abgesehen, gibt es nur
eine Frau – nutzen das leere Forum. René
Pape als Fiesco ist sensationell gut: Die-
ser Bass sorgt für Herzklopfen, geht
durch Mark und Bein, ist anschmiegsam,
wendig, anpassungsfähig. Luca Salsi in
der Titelrolle weist leichte Schwächen
auf, singt aber mit ansprechendem Bari-
ton. Leidenschaft und Erotik kommen
mit dem schlanken, feurigen Tenor von
Charles Castronovoins Spiel, AndréHey-
boer holt das Mögliche aus seiner kleinen
Rolle des Paolo heraus, lässt den viel grö-
ßeren, ja größten Fiesling der Opernge-
schichtedurchschimmern,dersichspäter
nochaus dieser Figur entwickelt: Jago.
Marina Rebeka schlägt sich wacker mit
manchmal etwas schrillem Sopran in der
einzigen Frauenrolle der Maria/Amelia,
zeichnet sie als selbstbewusste Kämpfe-
rin. Und trotzdem: wie hoffnungslos tra-
ditionell ist diese Rolle! Kriegenburg un-
terstreicht das noch mit konventioneller
Personenführung. Warumdürfensich Va-
ter und Tochter nicht beim Wiedererken-
nen in die Arme fallen? Umso heller
strahlte der Stern von Eurydike in Offen-
bachs Ur-Operette „Orpheus in der Un-
terwelt“, die Barrie Kosky in Salzburg am
Vortag präsentierte, die fast im gleichen
Jahr (1858)wie „SimonBoccanegra“ent-
stand und eine radikal anderes Frauen-
bild präsentiert.
Völlig neutral will Andreas Kriegen-
burg diese Geschichte nicht erzählen.
Fürihnwiederholen sich bisheutedie im-
mergleichen Muster von Rechtspopulis-
mus. DasJahr2019wird durchSmartpho-
nes in die Inszenierung hineingeholt.
Alle tippen auf ihnen herum, mit gesenk-
tem Kopf, Twitternachrichten werden
groß eingeblendet: „Make Genua great
again.“ Matteo Salvini ist wohl auch ge-
meint, und wer denkt nicht an
Hans-ChristianStrache,wenn im Twitter-
hagel die Message aufblitzt: „Ich würde
mein Vaterland verkaufen für die
Macht“? Das geht in Ordnung, liegt nahe
- originell ist es nicht.
Kirill Serebrennikovhatschon 2016 an
der Komischen Oper aus Rossinis „Bar-
bier von Sevilla“ eine Smartphone-Oper
gemacht. Aber Kriegenburg führt es
nicht konsequent durch, die Idee verplät-
schert, irgendwann zückt eben niemand
mehr sein Handy. Darüber hinaus geht
das Konzept weitgehender Zurückhal-
tung und Neutralität nicht auf – weil sich
„Simon Boccanegra“ eben nicht von al-
leine erzählt, weil dadurch die Längen
und Schwächen der Geschichte nur noch
deutlicher hervortreten. Weil diese Oper
eben kein Geniestreich wie „Rigoletto“
ist, in der fast im Stil von Georges Sime-
non in kürzester Zeit, mit knappsten An-
deutungen,dramatische,grundstürzende
Geschehnisse erzählt werden. So löst die
Regie keine großen Emotionen aus, das
Team bekommt ratlosen Applaus, der
überbordendeJubelgehört,zuRecht,den
Sängern und dem MannamPult.
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EFNACHRICHT
Tod eines Dogen.Simon Boccanegra (Luca Salsi) wird Opfer eines Attentats. Seine Tochter heiratet den Nachfolger. Foto: dpa / Barbara Gindl
Herzschmerz in Beton
Andreas Kriegenburg inszeniert bei den Salzburger Festspielen Verdis konfuse Oper „Simon Boccanegra“
Gut drei Wochen vor Prozessbeginn will
die New Yorker Staatsanwaltschaft die
Anklageschrift gegen den ehemaligen
Hollywood-Mogul Harvey Weinstein än-
dern und einen weiteren Vorwurf sexuel-
ler Gewalt in die Anklage aufnehmen.
Über eine Änderung der Anklage muss
die Geschworenen-Jury entscheiden.
Wenn sie einer Änderung zustimmt,
könnte sich der Prozessbeginn verzö-
gern. Mehr als 80 Frauen werfen Wein-
steinsexuelleBelästigung oder Vergewal-
tigung vor, darunter auch prominente
Schauspielerinnen wie Ashley Judd oder
Angelina Jolie. Angeklagt ist der ehema-
lige Filmproduzent aber bisher nur in
zwei Fällen. Sollte die Grand Jury den
neuen Fall aufnehmen, will Weinsteins
Verteidigung die Einstellung des Verfah-
rens beantragen,da dieÄnderungderAn-
klageschrift kurz vor Prozessbeginn „ver-
fassungswidrig“ sei. dpa
VonUdoBadelt
Dritte Klägerin im
Prozess gegen
Harvey Weinstein
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