38 reader's digest 08.2019
Mehrfach wurde ich operiert. Ein-
mal kam ich zu mir, kurz vor Beginn
einer OP. Ich sah helles Licht und über
mir mit Mundschutz bedeckte Gesich-
ter. Meine Brust hob und senkte sich,
obwohl ich selbst nicht atmen konnte.
Ich spürte starke Schmerzen, doch
wie sehr ich mich auch anstrengte, es
gelang mir nicht, mich verständlich zu
machen oder mich zu bewegen – au-
ßer meine Finger.
„Ihre Finger haben sich gerade be-
wegt“, sagte jemand.
„Das kann nicht sein; sie schläft tief
und fest“, kam die Antwort.
Ich wollte schreien: „Ich bin hier,
ich kann euch hören!“
„Wahrscheinlich ein Krampfanfall.“
Ein anderes Gesicht erschien direkt
vor meinem. Ich erinnere mich noch
an einen seltsamen Geruch, ehe mir
wieder schwarz vor Augen wurde.
In meiner Krankenhaus akte wurde
„leichter Krampfanfall“ vermerkt.
Viele denken, in einem künstlichen
Koma verliere der Patient gänzlich
das Bewusstsein, dass er nichts hört,
nichts sieht und auch sonst nicht re-
agiert. Aber das stimmt nicht. In den
Wochen nach meinem Unfall war ich
wie in einem Albtraum gefangen. Ich
war in meinem Körper eingesperrt.
Die meiste Zeit war ich bewusstlos,
aber manchmal befand ich mich in
einem Zustand, der sich nicht ohne
Weiteres beschreiben lässt.
Auch wenn ich mich auf nichts
konzentrieren konnte, nahm ich Ge-
räusche und andere Sinneseindrücke
wahr. Die ganze Zeit über war mir un-
glaublich heiß. Ich entwickelte Wahn-
vorstellungen und träumte, in einem
kühlen Wasserbad zu liegen.
Hin und wieder hörte ich eine ver-
traute Stimme, was ich als tröstlich
empfand. Wenn Sean zu mir ins Zim-
mer kam, sagte er: „Hallo Schatz, ich
bin’s.“ Das weiß ich, weil er es mir er-
zählt hat, nicht, weil ich mich daran
erinnere. Oft hätte ich daraufhin die
Augen geöffnet und im Zimmer um-
hergeschaut, ohne ihn jedoch wirklich
zu sehen. Ich war zu benebelt, um zu
begreifen, dass es Sean war, der zu mir
sprach, aber ich spürte, dass jemand
Vertrautes im Raum war. Ich genoss es
auch, wenn jemand meine Hand hielt,
mir über den Kopf strich oder meine
Haare kämmte. Das waren die guten
Momente.Schlimm waren dagegen die
Träume, die mich heimsuchten. Wie-
der und wieder träumte ich davon,
angegriffen zu werden. Heute weiß
ich, dass diese Träume immer dann
kamen, wenn die Pflegerinnen und
Pfleger meine Wunden versorgten.
Trotz der starken Betäubung schnellteHIN UND WIEDER
HÖRE ICH EINE
VERTRAUTE STIMME,
WAS ICH ALS
TRÖSTLICH EMPFINDE