Handelsblatt - 31.07.2019

(Steven Felgate) #1

Christoph Schlautmann Düsseldorf


E


uropas Airline-Marktführer Lufthansa
kommt nicht aus den roten Zahlen.
Nach einem desaströsen ersten Quartal
brachten auch die Monate April bis Juni
nicht genügend Ertrag, dem Kranich-
Flieger den nötigen Rückenwind zu verpassen.
So blieb auch in den ersten sechs Monaten un-
term Strich ein Minus von 116 Millionen Euro –
nach einem Konzerngewinn von 713 Millionen Eu-
ro im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Deutlich
gestiegene Kerosinpreise und ein harter Preis-
kampf auf der Kurz- und Mittelstrecke ließen zu-
dem das Betriebsergebnis (Ebit) der Lufthansa im
ersten Halbjahr um 60 Prozent einbrechen.
Die Verfassung von Europas größter Airline ist al-
les andere als robust. Im zweiten Quartal erwirt-
schaftete der Dax-Konzern bereinigt 754 Millionen
Euro, womit er zwar leicht über den Erwartungen
der Analysten lag, die von 735 Millionen ausgegan-
gen waren. Aus Sicht der Aktionäre entwickelte
sich das Ergebnis je Aktie aber enttäuschend. Mit
0,48 Euro lag es im zurückliegenden Quartal er-
heblich unter dem Vorjahreswert von 1,59 Euro.
Analysten hatten das Quartalsergebnis auf 1,14 Eu-
ro geschätzt, dabei aber nicht mit einer Rückstel-
lung für Zinsen auf Steuernachforderungen gerech-
net, die Lufthansa nun überraschend in Höhe von
146 Millionen Euro buchen musste.
Schon Mitte Juni hatte Lufthansa-Chef Carsten
Spohr seine Ertragsaussichten für das laufende
Jahr stark reduziert. Demnach rechnet er nun für
2019 nur noch mit einem bereinigten Ertrag vor
Zinsen und Steuern (Ebit) von zwei bis 2,4 Milliar-
den Euro. Zuvor war man im Konzern noch von
2,4 bis drei Milliarden Euro ausgegangen.
Überraschend trübe sieht es auch im Frachtflug-
geschäft aus. Weil vor allem zwischen China und
Europa die Aufträge einbrachen, hinterließ Luft-
hansa Cargo im zurückliegenden Quartal einen be-
reinigten Betriebsverlust von neun Millionen Euro.
Im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres hatte
man noch 55 Millionen Euro verdient.
Hinzu kommen Preissteigerungen beim Spritein-
kauf. So gab der Konzern im ersten Halbjahr fast ei-
ne halbe Milliarde Euro mehr für Treibstoff aus als
im Vorjahr – ein Kostenplus von 16 Prozent.
Als größter Verlustbringer aber erweist sich die
Billigtochter Eurowings. Alarmierte die Kölner Air-
line im ersten Halbjahr 2018 bereits mit einem be-
reinigten Ebit von minus 220 Millionen Euro, flog
sie nun noch tiefer in die roten Zahlen. Zum 30. Ju-
ni 2019 fehlten 273 Millionen Euro zu einem ausge-
glichenen Betriebsergebnis.
Schuld ist ein branchenweiter Kampf um Markt-
anteile im Low-Cost-Segment, in dem Eurowings
allein mit Dumpingangeboten mithalten kann. So
vergrößerte sie das Sitzplatzangebot um 3,8 Pro-
zent, und sogar die Auslastung nahm um 0,9 Pro-
zentpunkte auf 80,7 Prozent zu. Doch harte Preis-
nachlässe auf der Kurz- und Mittelstrecke ließen
die Durchschnittserlöse erodieren. „Der Markt ist
geprägt durch Überkapazitäten, aggressive Preis-
kämpfe und eine preissensible Nachfrage“, berich-
tete Lufthansa-Finanzchef Ulrik Svensson am
Dienstag. Namentlich nannte er dabei die Rivalen
Easyjet und Ryanair.

Ryanair in den schwarzen Zahlen


Auch letztere Airline bekommt dies zu spüren. Wie
die Iren einen Tag zuvor mitteilten, verdienten sie
bei einem deutlich ausgebauten Angebot von April
bis Juni gut ein Fünftel weniger als im Vorjahres-
zeitraum. Allerdings schafften sie – anders als Euro-
wings – mit 243 Millionen Euro Ertrag weiterhin ei-
nen Betrieb in den schwarzen Zahlen.
Die Enttäuschung unter den Anlegern ist gewal-
tig. Während der Pleite von Air Berlin vor zwei Jah-
ren hatten viele gehofft, dass der Lufthansa-Kon-
zern wie kein zweiter vom Ausfall des direkten
Konkurrenten profitieren würde. Damals schossen
die Kurse auf über 30 Euro nach oben, inzwischen
haben sie sich wieder mehr als halbiert.
Ein Rezept gegen den Abwärtstrend aber scheint
Lufthansa nicht zu finden. Dem Umbau in eine Hol-
ding jedenfalls verpasste Svensson am Dienstag ei-

Turbulente

Zeiten für die

Lufthansa

Rote Zahlen bei der Billigtochter Eurowings und


überraschende Verluste im Frachtgeschäft haben den


Betriebsgewinn des Branchenriesen mehr als halbiert.


Doch Pläne, um die Misere zu lindern, landen


offenbar wieder in der Schublade.


Lufthansa-Jet am
Flughafen München:
Zahl der Flugausfälle
geht zurück.

Bloomberg

Unternehmen

& Märkte

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MITTWOCH, 31. JULI 2019, NR. 145


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