Handelsblatt - 31.07.2019

(Steven Felgate) #1

Moritz Koch Berlin


V


or ein paar Tagen hat
Bundesaußenminister
Heiko Maas seinem neu-
en britischen Kollegen
Dominic Raab zum
Amtsantritt gratuliert – via Twitter, so
wie das heute auch unter Diplomaten
üblich ist. „Du kannst dich darauf
verlassen, dass Deutschland weltweit
ein guter Freund und Partner für
Großbritannien bleibt“, schrieb
Maas. „Haben viele drängende The-
men anzupacken, am besten fangen
wir gleich an.“

Eines der Themen, das Raab in-
zwischen angepackt hat, ist die Mis-
sion zum Schutz von Handelsschiffen
im Persischen Golf – allerdings ohne
dabei auf Berlin zu warten. Die briti-
sche Regierung ist von ihrer bisheri-
gen Linie abgerückt, einen mögli-
chen europäischen Marineeinsatz
klar von der geplanten US-Operation
„Sentinel“ abzugrenzen, die eben-
falls die Offenheit eines der wichtigs-
ten Seewege der Welt sicherstellen
soll. Um die europäische Mission
„realisierbar und effektiv“ zu ma-
chen, wäre die Unterstützung der
USA wichtig, sagte Raab der BBC.
Der britische Kurswechsel deutet
darauf hin, dass sich die neue Regie-
rung stärker Richtung USA orien-
tiert. Die Verärgerung darüber dürfte
sich bei Maas jedoch in Grenzen hal-
ten. Denn zumindest innenpolitisch
kommt die Entwicklung ihm gele-
gen. Wäre Großbritannien dabei ge-
blieben, die europäische Initiative
eindeutig von den Planungen der
Amerikaner zu trennen, wäre es für
den deutschen Außenminister
schwierig gewesen, ein Hilfsgesuch
auszuschlagen. Maas, der einem ei-
genständigen europäischen Einsatz
offen gegenübersteht, hätte neuer
Ärger mit seiner Fraktion gedroht.
Dieser Ärger kündigte sich bereits
an, als sich der Auswärtige Aus-
schuss des Bundestags in der vergan-
genen Woche mit der Krise im Persi-
schen Golf befasste. Die Lage ist weit-
gehend unstrittig: Iranische
Revolutionsgardisten haben einen
britischen Tanker entführt. Mit die-
sem wollen sie einen iranischen Tan-
ker freipressen, der offenbar ver-
sucht hatte, das EU-Embargo gegen
Syrien zu unterlaufen, und deshalb
von britischen Marinesoldaten fest-
gesetzt worden war. Wie sollte
Deutschland reagieren? In der Aus-
schusssitzung diskutierte Maas mit
einem General und mit dem Aus-
schussvorsitzenden Norbert Röttgen

(CDU) darüber, auf welche Weise
Deutschland am besten Verantwor-
tung übernehme.
Nils Schmid, der außenpolitische
Sprecher der SPD, trug hingegen die
Bedenken der SPD-Fraktion vor.
„Maas saß da wie der sprichwörtli-
che begossene Pudel und die Große
Koalition als die handlungsunfähige
Truppe, die sie ist“, lästert Alexan-
der Graf Lambsdorff, Vizefraktions -
chef der FDP. Die Opposition wittert
ihre Chance.
Kritik an Maas übten auch die Grü-
nen: „Der Kern des derzeitigen Kon-
flikts in der Meerenge von Hormus
ist die amerikanische Aufkündigung
des Atomabkommens“, sagt der grü-
ne Außenpolitiker Omid Nouripour.

Maas hätte „früher, entschiedener
und substanzieller agieren müssen“,
um den Nukleardeal zu retten –
„nicht erst, wenn die Zeit für Ver-
handlungen abzulaufen droht“.

Zwist zwischen
Minister und Fraktion

Die Spannungen am Golf lassen die
Differenzen zwischen Union und SPD
in der Außen- und Sicherheitspolitik
immer deutlicher zutage treten. In
den Reihen der Sozialdemokraten
wächst der Widerstand gegen Aus-
landseinsätze der Bundeswehr, selbst
wenn diese in Bündnisstrukturen ein-
gebettet sind und elementare völker-
rechtliche Prinzipien wie die Freiheit
der Schifffahrt verteidigen sollen. Mit

Rolf Mützenich ist ein Parteilinker an
die Fraktionsspitze gerückt, der sich
entschlossen gegen eine „Militarisie-
rung“ der Außenpolitik stemmt. In
seiner jüngsten Bundestagsrede kriti-
sierte Mützenich die Budgetwünsche
des Verteidigungsministeriums scharf
und verwahrte sich gegen eine Si-
cherheitspolitik, die allein auf „Stärke
und Abschreckung“ setzt.
Der kommissarische SPD-Frakti-
onschef zielte auf die neue Verteidi-
gungsministerin, die CDU-Chefin An-
negret Kramp-Karrenbauer. Er traf
aber auch Maas. Denn Maas plädiert
ebenfalls dafür, dass Deutschland in-
ternational eine aktivere Rolle spielt,
zu seinen Bündniszusagen steht und
Militäreinsätze nicht prinzipiell
scheut. Der Außenminister hat sich
eine globale Allianz für den Multilate-
ralismus auf die Fahnen geschrieben.
„Es reicht nicht, die Zerstörung der
multilateralen Ordnung zu beklagen.
Wir müssen für diese Ordnung
kämpfen“, fordert Maas.
Allerdings kann der Außenminister
die eigenen Truppen dafür kaum
begeistern. Vieles deutete auf einen
Machtkampf zwischen Maas und der
SPD-Fraktion hin – bis die neuen
Signale aus London kamen. Nun
bietet sich ein Ausweg an. Überspitzt
gesagt: Deutschland kann Nein sa-
gen, weil die Brexit-Briten mit der
Trump-Regierung gemeinsame Sache
machen wollen, die die Krise am
Golf mit ihrer Iranpolitik des „maxi-
malen Drucks“ erst heraufbeschwo-
ren hat.

Golf-Krise


Ein einsamer


Minister


Außenminister Heiko Maas will für die regelbasierte


Weltordnung kämpfen – prinzipiell auch mit


Auslandseinsätzen. Doch seine SPD will sich lieber


als Friedenspartei profilieren.


SPD-Fraktionschef
Mützenich:
Skepsis bei der
Strategie der
Abschreckung.

dpa

Es reicht nicht,


die Zerstörung der


multilate ralen


Ordnung zu beklagen.


Wir müssen für diese


Ordnung kämpfen.


Heiko Maas
Bundesaußenminister

Wirtschaft & Politik
MITTWOCH, 31. JULI 2019, NR. 145

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