Frankfurter Allgemeine Zeitung - 05.03.2020

(vip2019) #1

SEITE 2·DONNERSTAG, 5.MÄRZ2020·NR.55 FPM Politik FRANKFURTER ALLGEMEINEZEITUNG


Alsgezielte Desinformation hat Griechen-
land am Mittwochtürkische Berichte zu-
rückgewiesen, laut denengriechische
Grenzschützer einen Migranten in der
Türkei durchSchüsse getötetund mehre-
re weitereverletzt haben sollen.„Wosie
vorher vonVerletzten sprachen,reden sie
nun vonToten. DieFake News haben
kein Ende, es gibtkeinen solchenVorfall
mit Schüssenvongriechischen Beamten“,
sagteRegierungssprecherStelios Petsas
in Athen. MehrereJournalistenund ande-
re Anwesende auf der türkischen Seite
schlossen sichjedochder türkischen Dar-
stellun gan. Im Internetkursie renAufnah-
men, die das Opfer zeigen sollen.
Der Gouverneur der türkischen Grenz-
provinz Edirne hattedie Nachricht ver-
breiten lassen, dassgriechische Grenz-
polizistennahe Pazarkule das Feuer auf
sechs Migranten eröffnethätten. Fünf
vonihnen seienverletzt worden, der
sechs te sei an den Schusswunden in sei-
ner Brustgestorben. In denTagenzuvor
hattedie Türkei bereits Griechenland be-
schuldigt, zwei Migranten bei einem ille-
galen Grenzübertrittgetö tetzuhaben.
Davonwar nun nicht mehr dieRede. Die
Lageander türkisch-griechischen Gren-

ze waramMittwoc hdennochweiter das
beherrschende Thema des türkischen
Staatsfernsehens.WiederholtkamVize-
präsidentFuat Okt ay zu Wort,der sagte,
für die Mentalität, an der Grenze aufUn-
schuldigezuschießen,gebe es nur den
Begriff Barbaren. Alternierend mit
Kriegsszenen aus der syrischen Provinz
Idlib wurden BildervomGrenzübergang
Pazarkule gezeigt, wo Migranten vergeb-
lichversuchten, über die mitStachel-
draht befestigteGrenze zugelangen.
Unbestritten ist, dassdie griechische
Polizei abermalsTränengas, Blendgrana-
tenund Wasserwerfer einsetzte, um Mi-
granten am Grenzübertritt zu hindern.
GriechischePolizistensagten, sie seien
vontürkischer Seiteihrerseits mitTrä-
nengas beschossenworden. Filmaufnah-
men sollen zeigen, wie türkischePolizis-
tengriechische Einsatzkräfte mit Tränen-
gasbeschießen.
In derTürkeiwartenimGebietvon
Edirne nachAngaben ausverschiedenen
Quellen mehr als 10 000 Menschen dar-
auf, in Griechenland den Boden eines
EU-Staates betreten zu können. Dort
wird inzwischenauchMilitärzum Grenz-
schutz eingesetzt.Mit Lautsprechernaus-

gerüstete MilitärfahrzeugeimGrenzge-
bietübertragenvorallem in arabischer
Sprache dieNach richt, das sdie Grenze
geschlossen sei.Auch auf dengrie-
chischen Inselninder Ägäis, wo die ir re-
guläreMigration über das Meer im Ge-
gensatz zur Landgrenze nicht so einfach
aufzuhaltenist,bleibt die Lagehöchs tan-
gespannt. Die griechischeRegierung ent-
sandteamMittwoch ein Schiffder Mari-
ne nachLesbos, um mehrerehundertin
den vergangenenTagenneu angekomme-
ne Migranten an Bordzun ehmen.Sie
sollen lautgriechischer Darstellung aller-
dings keine Gelegenheit erhalten, einen
Antrag auf Asylzustellen, sondernbei
erster Gelegenheit in ihre Herkunftslän-
der abgeschobenwerden.
In Ankaraforder te der EU-Außenbe-
auftragteJosep Borrell die Türkei zu rEin-
haltung des Flüchtlingsabkommens aus
dem Jahr 2016 auf. Ein erhöhter Druck
an der Grenze zur EU und unilaterale
Handlungen liefertenkeine Antworten,
sagteernachGesprächen mit Präsident
Tayyip Erdogan,Vizepräsident Oktay so-
wie den Ministern für Äußeres undVertei-
digung, Mevlüt Cavusoglu und Hulusi
Akar .Die gegenwärtigen Entwicklungen

verschärften die Probleme nur.Erverlang-
te vonder Türkei, das ssie Flüchtlinge
und Migranten nicht länger ermutige, in
Richtung der EU zu ziehen. Erdogan habe
darauf erwidert, dieTürkei ermutige nie-
manden, an die Grenze zureisen, siekön-
ne aber auchniemandendavon abhalten,
sagteBorrell vorseiner Abreise.
DieNachrichtenagenturAnadolube-
richtete, Vizepräsident Oktay habe Bor-
rell aufgefordert, die Zusagen der EU aus
dem Flüchtlingsabkommen endlich zu er-
füllen und einen „fairen Anteil an den
Verantwortung“ zu übernehmen.Auch
Cavusoglu habe Borrell darauf hingewie-
sen, dassdie EU ihreVersprechen nicht
eingehalten habe und dieTürkei die Las-
tennicht mehr allein tragenkönne. 2016
sei die Lageind er syrischen Provinz Idlib
nicht abzusehengewesen, sagteBorrell.
Sie er forderefortgesetzteHilfeder EU .In
einer Erklärung der EU-Delegation in An-
kara heißt es, die Situation in Idlib sei
„kritisch“. Dasgemeinsame Interesse der
EU und derTürkei sei es, den Krieg in Sy-
rien zu beenden. Die EU sagteneue Mit-
telvon 170 MillionenEurofür die Bedürf-
tigsten in Syrien zu,vorallem imNord-
westen des Landes. tens./Her.

Vonder griechischen Grenzpolizeibeschossen?


H


orst Seehofer fühlt sichmiss-
verstanden. Am Rande der
Fraktionssitzung am Dienstag
hatteervor Journalistenge-
sagt, dassersichinEuropa dafür einset-
zen wolle, Kinder aus den Flüchtlingsla-
gernaufdengriechischenInselnaufzuneh-
men. Er hattehinzugefügt, dassdies aber
nicht im Alleingang Deutschlandsgesche-
hen dürfe,sondernals gemeinsamer euro-
päischer Ansatz, und dies aucherst, wenn
die„Ordnung wiederhergestelltist“. Diese
Einschränkungenwarenzum Teil etwas
unter gegangen. Undsostand Seehofer da
alsjemand,derdenFlüchtlingendie Hand
ausstreckt. Das warihm nichtrech t. Das
Bundesinnenministerium schob deshalb
am Mittwoch eine Erklärung nach. Die
Voraussetzungen, unter denen eineAuf-
nahmevonFlüchtlingen in Betrachtkom-
me, seien nicht erfüllt, hieß es darin.We-
der gebe es eine Einigung auf europäi-
scher Ebene, nochsei die Ordnung an der
Außengrenze gewährleistet.
In derFraktionssitzung am Dienstag
hatteSeehofernachAngabenvonTeilneh-
merntatsächlichdie Aufnahmevon
Flüchtlingenkaum thematisiert, sondern
einen großen Teil seinerRede daraufver-
wendet, dafürzuwerben, dassFlüchtlin-
ge,die illegal bis an die deutsche Grenze
vordringen, zurückgewiesen werden.
Wenn dieAußengrenzen nicht halten,
müssten die Binnengrenzen geschützt
werden. In SeehofersLogik schließen
sichGrenzschutz undAufnahme beson-
dersschutzbedürftiger Flüchtlingenicht
aus. Seit Monaten schon heißt sein Man-
tra: Humanität und Ordnung–wobei Hu-
manität bei ihm Ordnungvoraussetzt.
Für SeehofersKursgibt es trotzdem
eineErklärung.Zunächs tgehtesihmdar-
um,denGriechenvolleUnterstützungzu-
zusichern. Wenn er neben finanzieller
und logistischer Hilfenun dieAufnahme
vonFlüchtlingenvonden Inseln inAus-
sicht stellt, is tdas vorallem ein Signal an
Athen. AusdemselbenGrund hält sich

die Bundesregierung trotzrechtli cher Be-
denken auchmit Kritik an der Ankündi-
gung desgriechischen Ministerpräsiden-
tenzurück, einen Monat langkeine Asyl-
anträge zu prüfen.
In der deutschen Öffentlichkeit und
auchinder Union is tdiese Botschaftaber
geeignet,Irritationenhervorzurufen.Die-

se Er fahrung machteSeehofer schon, als
er sic himHerbstbereit erklärte,aus See-
notgerettete FlüchtlingeinDeutschland
aufzunehmen. Abgeordnete der Union
hattenvonder Basis damals zahlreiche
wütende Briefebekommen. Seehofer,der
selbstzuden lautestenKritiker nder
Flüchtlingspolitik in den Jahren 2015 und
2016 gehörte,will um jeden Preisverhin-
dern, dasssichabermals die Botschaftin
der Welt verbreit et,dassdie Tore nach
Deutschland offenstehen.Migrationspoli-

tik is tauchKommunikationspolitik,das
isteine der Lehrenaus der Flüchtlingskri-
se. Ausdiesem Grund hattesichdie Uni-
onsfraktion am Dienstagauchgeschlos-
sen gegenden Vorschlag vonAnnalena
Baerbock, der Ko-Vorsitzenden der Grü-
nen, ausgesprochen, den GriechenKon-
tingenteanzubieten.
Ende Dezember hattesichSeehofer
schon einmal zurAufnahmevonKindern
vondenInselngeäußert. DergrünePartei-
vorsitzendeRobertHabeckhatteinder
FrankfurterAllgemeinenSonntagszei-
tung gefordert, Kinder aus den Lagern
auf den Inseln zu holen. SeehofersAnt-
wort wardamals ähnlichwie jetzt, nur in
eineranderenReihenfolge.Er nannteHa-
becks Vorschlag „unredlichePolitik“ und
sprac hsichgegeneinendeutschenAllein-
gang aus. Die Humanität beschränkte
sichauchdamalsallerdings nicht auf die
LieferungvonHilfsgütern,Seehofer hatte
auchdarauf verwiesen, dassDeutschland
sichgegenüber dem Flüchtlingshilfswerk
der Vereinten Nationen bereit erklärt
habe, 5500 besondershilfsbedürftige
FlüchtlingeimRahmen des sogenannten
Resettlement-Programms aufzunehmen.
Inter nforder te Seehofer seithermehr-
malsdieEU-Kommissionauf,eineKonfe-

renzwilligerStaatenauszurichten,die be-
reit sind,etwa 5000 Kinder und Jugendli-
cheaus Griechenland zu übernehmen,
die ohne ihreElter nunter wegs sind. Er
stand einerseits unter dem Druckmehre-
rerKommunen und Bundesländer,die
sichdazu schon bereit erklärthaben. An-
dererseitswolltesichSeehofer politische
Rück endeckung holen, indem er andere
EU-Staaten mit ins Bootholte.
Genausowarerbei der Aufnahmevon
schiffbrüchigen Migranten vorgegangen.
Daran beteiligen sichinzwischen acht
Staaten, Deutschland nimmtein Viertel
der vonHilfsor ganisationen aus Seenot
Gerettetenauf. Allerdings hielt sichdie
EU-Kommissionhier wiedortausderAn-
gelegenheit heraus,weil es nicht um eine
gemeinsame Initiativealler Staaten ging.
Das ThemawaramMittwochabend auch
Thema im Bundestag. Para llel zu Ha-
becks öffentlichemVorstoßhattedie grü-
ne Bundestagsfraktion einen Antrag ein-
gebracht, mit dem die Bundesregierung
aufgefordertwird, imRahmen eines bun-
desweiten Relocation-Programms ein
Kontingentvon5000 besondersschutzbe-
dürftigen Menschen–unbegleiteteKin-
der,Schwangere, alleinreisendeFrauen,
Alleinerziehende und schwerTraumati-
sierte –aufzunehmen. DieFraktion hatte
dazueinenamentlicheAbstimmungbean-
tragt,wasoffenbarUnruhe in der SPD
hervorrief, wo es nicht nur Sympathien
für diesenVorstoßgibt.Der niedersächsi-
sche Ministerpräsident und SPD-Vorsit-
zendeStephanWeil forderte Seehofer am
Mittwoch auf, den Ländern eine Flücht-
lingsaufnahmezuermöglichen.
Neben Niedersachsen seien auchvier
andereLänder sowie einigeEU-Mitglied-
staaten bereit, besondersschutzbedürfti-
ge Kinder aus den überfüllten Lagernvon
der griechischen Insel Lesbosaufzuneh-
men, sagteWeil der Deutschen Presse-
Agentur.Allerdingsgehe das nicht ohne
die Zustimmung des Bundes. Der baden-
württembergischeMinisterpräsidentWin-
fried Kretschmann unterstützteden Vor-
stoß der Grünen in Berlin hingegen nicht
mit großer Leidenschaft: „Die Lageauf
den griechischen Inseln, insbesondere
Lesbos, istwirklic hunerträglich. DieFra-
ge,obwir einKontingentvonKindern,
Kran kenund S chwachen vondortaufneh-
men, können wir nicht entscheiden, das
istAngelegenheit des Bundes“, sagteer
dieserZeitung.„Wenn die Bundesregie-
rung ein solchesKontingent beschließt,
dann sind wir bereit, in Baden-Württem-
bergimEinvernehmen mit der Bundesre-
gierung,entsprechendunsererGröße, sol-
cheMenschen hier unterzubringen.“

Verletzt:MigrantentrageneinenManninderNähedesGrenzübergangszwischendemtürkischenPazarkuleunddemgriechischenKastanies. FotoReuters

BundesgesundheitsministerJens Spahn
(CDU) hat die Bevölkerung daraufvor-
bereit et,dasssichauchinDeutschland
immermehrPersonenmit dem neuarti-
genCoronavirus anstecken werden.
„Fes tsteht:Der HöhepunktderAusbrei-
tung istnoch nicht erreicht“, sagte
Spahn am Mittwoch in einer Regie-
rungserklärung im Bundestag. Ausder
Epidemie in China sei eineweltweite
Pandemiegeworden. In Europa seien
mehr als 3000 Infektionsfälle bekannt,
in Deutschlandrund 260, die Mehrzahl
in Nord rhein-Westf alen. Esgebe auch
guteNachrichten,etwa dassinden ver-
gangenen zweiWochen in allerWelt
mehrregistrierte Patientengenesensei-
en, als sichneu infizierthätten. Der Er-
regersei nachallem, wasman heute
wisse,weniger ansteckend als die Ma-
sern. Auch verlaufedie Krankheit zu-
meistmilde oderganz symptomfrei.
Noch aber könne mankeine abschlie-
ßendenEinschätzungen treffen. Des-
halb gelte: „Wir nehmendie Situation
sehr ernst.“
Unterdem Beifall derAbgeordneten
dankteSpahn dem medizinischenPer-
sonal, denWissenschaftlernund ande-
renHelfer nund äußerte großes Vertrau-
en in sie. Ergestand aber auchzu, dass
esnoc hMängel inderVersorgunggebe.
„Es dauertteilweise nochzulange, bis
Verdachtsfällegetestet werden.“ Man

versuche weiterhin, die Ausbreitung
des Viruszuunterbinden, müsse sich
aber auf eine „mögliche nächste St ufe“
vorbereiten. Diese bestehe darin, die
medizinischenKapazitäten aufPatien-
tenmit schweren Krankheitsverläufen
zukonzentrieren.Daskönne imSystem
zu „Stress“ führen und dazu, dassplan-
bareOperationen an anderenPatien-
tenverschobenwerden müssten. Spahn
erinnerte aber auchdaran, dassdie
Symptome der Erkrankung–etwaLun-
genentzündungen–inDeutschland „je-
den Tag“ behandelt würden und dass
das Gesundheitswesen während der
großen Grippewellen 2017 und 2018
neun Millionen zusätzliche Arztbesu-
chebewältigt habe.
Spahnwarb fürVerständnis dafür,
dasseszuEinschränkungen im Alltag
komme, dassesQuarantänefällegebe,
dassGroßveranstaltungen ausfielen
undöf fentlicheEinrichtungengeschlos-
sen würden: „Die Sicherheit der Bevöl-
kerung geht im Zweifelvor, auchvor
wirtschaftlichen Interessen.“Falschsei
es, in Panik zugeraten; verwerflichsei
es, diese nochzuschüren, etwa aus ge-
werblichen Interessen, um überteuerte
Schutzmasken zuverkaufen. „DieFol-
gender Angstkönnengrößer sein als
die desVirusselbst“,warnte der Minis-
ter. Die Sorge der Menschen, die sich
zum BeispielinHamsterkäufengeäu-
ßerthabe, sei zwarverständlich, doch
zeigten die meistenglücklicherweise
Besonnenheit: „Mit kühlem Kopf kön-
nen wir die Herausforderungen am bes-
tenbewältigen.“

DasMinisterium hortetjetzt
medizinische Schutzkleidung

Wichtig undrichtig sei es, dassBund,
LänderundKommunenengzusammen-
arbeiteten und dasseseine internatio-
nale Abstimmunggebe, auf europäi-
scher Ebenegenauso wie unter den sie-
ben größten Industrienationen.Dafür
traf sichSpahn nachder Bundestagssit-
zung mit den Gesundheitsministern
der Länder;andiesem Donnerstag tagt
in Brüssel der Ministerrat.UmEngpäs-
sen in den Arztpraxen, Krankenhäu-
sernund Behörden entgegenzutreten,
hat der Krisenstabdes Innen- und des
Gesundheitsministeriums am Dienstag
eine Ausfuhrbeschränkung für medizi-
nische Schutzausrüstungverhängt, ins-
besonderefür Schutzkleidung und Mas-
ken. SpahnsHaus wirddiese jetzt zen-
tralbeschaffenundbe vorraten.Der Mi-
nisterverwies darauf, dassder Engpass
auchdaran liege, dassinChina teilwei-
se die Produktionstillstehe.
Die Medizinerin SusanneJohna,die
Vorstandsvorsitzende der Ärztegewerk-
schaf tMarburgerBund, begrüßtedie
Maßnahmen des Krisenstabs. Es sei
höchs te Zeit,dieDringlichkeitderLage
richtig einzuschätzen:„Wenn wirkei-
nen ausreichenden Schutz für Mitarbei-
terund Mitarbeiterinnen im Gesund-
heitswesen haben,fällt es schwer,die
VersorgungderBevölkerung zugewähr-
leisten“, sagteJohna dieserZeitung.
Die DeutscheKrankenhausgesellschaft
äußertesichpositivzuSpahnsAnkündi-
gung, die Pflegepersonaluntergrenzen
außerKraftzusetzen.Beiderambulan-
tenPflegedeutetsichunterdessen ein
möglicherVersorgungsengpassan.Die-
ser könntedie BetreuungvonPflegebe-
dürftigen betreffen, die wegeneiner In-
fektion oder eines entsprechendenVer-

dachts unter häusliche Quarantänege-
stellt werden.
Nach Informationen dieserZeitung
fehlt es bei manchen Pflegedienstenan
der nötigen Schutzkleidung für Pfleger.
Man glaube nicht, dassPflegedienste
sichinsolchenFällen „so einfachaus
der Verantwortung stehlen“könnten,
hieß es beim Deutschen Berufsverband
für Pflegeberufe.Wieeine Lösung für
Betroffene aussieht, istallerdings un-
klar.Die Pflegebedürftigen in Heime
und Krankenhäuser einzuweisen sei
„die schlechteste Variante“, hieß es.
Der Bundesverband privater Anbieter
sozialer Dienste bestätigte, dassdie
Pflegediensteüber Notfallpläneverfü-
gen. Demnachmüssten den Pflegern
die „erforderlichen Schutzmaßnahmen
zur Verfügunggestellt werden“, sagte
ein Sprecher desVerbands.„Allerdings
istVoraussetzung, dassdiese auchver-
fügbar am Markt sind.“
Erstmals sind am MittwochzweiIn-
fektionsfälle in den EU-Institutionen
bestätigt worden. Betroffenist zum ei-
nen ein Beamterder EuropäischenVer-
teidigungsagenturinBrüssel.Diesersei
am23.Februar voneinerItalienreise zu-
rückgekommen,teilteeine Sprecherin
mit.ErhabevermutlicheinenMitarbei-
terdes EU-Ministerratsangesteckt .Die-
ser arbeitet in dem Gebäude, in dem
sichdie Minister der EU-Staaten tref-
fen. Es sei aber nichtvorgesehen, des-
halb in denkommendenTagenMinis-
tertreffenabzusagen,teiltedasGeneral-
sekretariat des Ministerrats mit.
Italien schließtwegen derVerbrei-
tung des Coronavirus die Schulen im
ganzen Land. Sie sollenvonDonners-
tagbi s15.Mär zgeschlossenbleiben,be-
stätigteSchulministerin Lucia Azzolina
am Mittwochabend.Vondem Schritt
sind landesweit knapp neun Millionen
Kleinkinder, Schüler undStudenten so-
wiederenFamilienbetroffen.In denbe-
sondersvon der Epidemie betroffenen
RegionenimNorden des Landessind
Kindergärten, Schulen und Hochschu-
len schon seit der letztenFebruar wo-
chegeschlossen.

Fußballspiele in Italien
vorleeren Rängen
SportministerVincenzo Spadaforasag-
te,dasssämtlicheSpieledererstenFuß-
ballligabis auf weiteres hinter ver-
schlossenen Türenausgetragen wür-
den. Die für Mittwochund Donnerstag
angesetztenRückspiele der Halbfinal-
begegnungen imPokalzwischen Juven-
tus Turinund AC Milan sowie zwischen
Neapel und Inter Mailand wurden auf
unbestimmteZeitverschoben. Auchan-
dereSportveranstaltungen sollen für
minde stens einenMonatohneZuschau-
erbeteiligungstatt finden. Italien istdas
am schwersten vonder Virus-Epidemie
betrof fene Land Europas. DieZahl der
Infiziertenwurde vonden Behörden
am Mittwochnachmittag mitrund 2300
angegeben, 80 Menschen starben an
der durch das VirusverursachtenLun-
genkrankheit.Inden Nord regionen
wurde nKlinikenangewiesen,Operatio-
nen möglichstaufzuschieben, um Bet-
teninisoliertenIntensivstationen be-
reitzustellen.
Israel verbietetwegen des Coronavi-
rusnun auchEinreisen aus Deutsch-
land, Frankreich, Spanien, Österreich
und der Schweiz. SeitTagenverweigert
Israel bereits Besuchernaus Italien,
China,Japan,Südkorea,Hongkong,Ma-
cau, Thailand und Singapur die Einrei-
se. NurMenschen mit israelischemPer-
sonalausweis sowie Ausländern, die
eine Möglichkeit nachweisenkönnen,
sichinIsrael in Quarantäne zu bege-
ben, soll die Einreise aus diesenLän-
dernweitererlaubtsein.Diese Maßnah-
me werdeind en kommendenTagenin
Kraf ttreten, teiltedas israelische Ge-
sundheitsministerium am Mittwoch
mit.Der amtierende Ministerpräsi dent
BenjaminNetanjahu sagte, aus diesen
Ländernwieder einreisende Israelis
müssten sic hfür 14 Tage in Quarantäne
begeben.„Wirbefindenuns mitten inei-
ner weltweiten Epidemie, die vielleicht
diegefährlichstedesJahrhundertsist“,
sagteNetanjahu in Jerusalem. In Israel
gibt es bislang 15 Infizierte,dochsind
keine Todesfälle bekannt.
Netanjahu wies die Israelis an, sich
nichtmehr dieHände zugeben. DieBe-
hördenverbietenVersammlungenvon
mehralsfünftausend Menschen,derJe-
rusalemer Marathon und alle interna-
tionalen Konferenzen werden abge-
sagt.Der kleineFlächenstaat Israel mit
seinen neun MillionenEinwohnern
wurdevergangenes Jahrvonrund vier
MillionenTouris tenbesucht, der Besu-
cherstromhat die Sorgenvor einerra-
schen Verbreitung des Coronavirusver-
größert. Der stellvertretende Direktor
des Gesundheitsministeriums Itamar
Grotto äußerte indes, dassesnochkei-
ne Israelisgebe, die sichnicht imAus-
land angesteckt hätten. Gleichwohl sei
eine Ausbreitung desVirusinIsrael un-
abwendbar,das Gesundheitsministeri-
um könne derzeit dieAusbreitung nur
verzögern. Berichten zufolgeplant die
FluggesellschaftElAlwegen Umsatz-
einbußen, Hunderte Mitarbeiter zu ent-
lassen.

Die grün-schwarzeKoalition in Baden-
Württemberghat sic hnachmonatelangem
Streit über dieAbschiebung gut integrier-
ter, abgelehnter Asylbewerber auf einen
Kompromissgeeinigt:Das Land bringt
eine Bundesratsinitiativezur Änderung
desAufenthaltsgesetze sein.Seitdem1. Ja-
nuar 2020gibt es in Deutschland die Be-
schäftigungsduldung. Damit sie erteilt
wird, mussder Flüchtling derzeit mindes-
tens zwölf Monategeduldetsein. Wegen
langwierigerAsylverfahren könnenviele
sozialversicherungspflichtigebeschäftigte,
gut integrierte Flüchtlingediese Zeiten
abernichtnachweisen.MitderBundesrats-
initiativesoll dieVorduldungszeit nun auf
sechsMonateverkürzt werden.Eine nText-
entwurfder Bundesratsinitiativegibt es al-
lerdings immer nochnicht.
Über strittigeFälle bei der Erteilung
vonBeschäftigungsduldungensoll eine
Härtefallkommi ssion entscheiden.Ruft
ein abgelehnter Asylbewerber oder sein

Arbeitgeber die Härtefallkommissionan,
wirddie Abschiebungzumindestausge-
setz t. BeiAsylbewerbernausGambia, de-
renAsylant räge größtenteils abgelehnt
werden,sollenkünftig diejenigen zuerst
abgeschobenwerden, die arbeitslos sind
und die nachdem August2018 eingereist
sind.Weiterhin sollen Ermessensduldun-
genausgesprochenwerden, dabeisoll
nachder „Papierstapellösung“gearbeitet
werden:Integ rierte As ylbewerber, die
aufgrund geringer Abschiebekapazitäten
nicht abgeschobenwerden können, sol-
len nachrangig behandeltwerden. Dem
Wunschder Grünen, Abschiebungen
nachAfghanistan auszusetzen,kamIn-
nenminister ThomasStrobl (CDU) nicht
nach. Viele mittelständischeUnterneh-
mer und die Grünenhattendie Abschie-
bung vongut integrierten Asylbewer-
bernimmer wieder kritisiert.ImGegen-
zug stimmen die Grünen einerNovellie-
rung desPolizeigesetzes zu. rso.

SeehofersSignale


VonHeleneBubrowski,
Berlin, ThomasGutschker,
Brüssel, undRüdigerSoldt,
Stuttgart

VonKim BjörnBecker,
Christian Geinitz,Werner
Mussler, MatthiasRüb und
Jochen Stahnke

Einigung beim Bleiberecht


DerInnen minister will


Griechenlandhelfen


undminderjährige


Migrantenaufnehmen.


Dochdie Unionist strikt


dagegen.


„Wir nehmen die


Situationsehrernst“


JensSpahn begründetExportverbote weg en


Corona/Einschränkungen in Italien und Israel

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