Frankfurter Allgemeine Zeitung - 03.03.2020

(Michael S) #1

Frankfurter Allgemeine Zeitung


Verlagsspezial Automotive Trends 3. März 2^020


S


ie müsstenderTraumallerPendler,
Kraftfahrer und Vertriebler sein,
die autonomen Autos: statt sich
schaltend, kuppelnd und brem-
send durch Städte und über volle
Autobahnen zu quälen, einfach
abschalten und das Fahren dem Auto über-
lassen. Technisch ist das mittlerweile mög-
lich und in einigen Teilen der Vereinigten
Staaten in seiner vollen Ausbaustufe bereits
auch erlaubt. Taxis der Google-Schwester
Waymo kurven durch den amerikanischen
Bundesstaat Arizona, werden aktuell in
Kalifornien und demnächst in Florida
getestet. Sie sind zwar fahrer-, aber nicht
führerlos: Am Steuer sitzt eine KI-geschulte
Software, die sich mit Hilfe leistungsfähiger
Kameras und lasergestützter Radarsysteme
durch den Verkehr bewegt.
Auch im Massenmarkt ist ein Anfang
längst gemacht. Fahrassistenzsysteme sind
nicht mehr nur in der automobilen Ober-
klasse, sondern auch immer öfter in günsti-
geren Fahrzeugen zu finden. Der Tempomat
oder die Adaptive Cruise Control, die den
Abstand zu einem vorausfahrenden Fahr-
zeug automatisch einhält und dabei selbst-
tätigbremstoderbeschleunigt,sindBeispiele
für dieerstevonfünfStufendesautonomen
Fahrens.HierwieauchbeimÜberholassis-
tentenoderbeiderEinparkhilfe,diealsteil-
automatisiertesundzweitesLeveldesauto-
nomenFahrensgelten,müssendieFahrer
ständig bereitsein,ihrAutozukontrollieren.

Wer zahlt, wenn das autonome
Auto zu schnell fährt?

Erst mit dem dritten Level, dem hochauto-
matisieren Fahren, beginnt, was die meis-
ten unter autonomem Fahren verstehen.
Vorübergehend dürfen Fahrer sich mit ande-
ren Dingen beschäftigen, müssen aber bereit
sein, die Steuerung wieder selbst zu über-
nehmen, wenn das System sie dazu auffor-
dert. Hier stößt die aktuelle Technik noch an
ihre Grenzen: Audi hat das für 2019 geplante
hochautomatisierte Fahren im Topmodell A
wieder zurückgestellt. Neben technischen
Schwierigkeiten zeigen sich auch regula-
torische Herausforderungen: Wer kommt
für Bußgelder auf, wenn das Level-3-Auto

ein Tempolimit missachtet? Und: Gilt das
Handyverbot auch für den Fahrer solcher
Fahrzeuge?
Bei vierten Level, dem vollautomatisier-
ten Fahren, wird der Mensch zum Passagier,
kann nach Belieben telefonieren, lesen oder
sogar schlafen. Mehr noch, das Auto darf in
bestimmtenSzenariensogarohneInsassen
fahren, um beispielsweise Passagiere abzu-
holen. Dennoch muss der mitfahrende
Mensch noch selbst in der Lage sein, das
Fahrzeug zu lenken, wenn die Software es
verlangt. Folgt niemand den Aufforderungen
oder ist mangels Führerschein niemand
dazu in der Lage, steuert das Auto einen

Parkplatz an und stoppt. Erst beim echten,
dem autonomen Fahren in Level 5 sind keine
Fahrer mehr vorgesehen, auch Lenkrad,
Pedale oder Schaltungen werden fehlen.
Bevor Fahrer zu Passagieren werden,
sind noch einige Hürden zu nehmen. Die Ent-
wicklung des autonomen Fahrens ist teuer,
die Frage, mit welchen Geschäftsmodellen
die Kosten refinanziert werden sollen, nicht
geklärt. Selbst die größten Hersteller können
oder wollen diesen Weg deshalb nicht allein
gehen.Erst imJuli 2019hatsichVolkswagen,
weltgrößterAutohersteller nachStückzahlen,
beimfünftplaziertenundwesentlichkleineren
Rivalen Ford eingekauft, der zuvor für rund

eine Milliarde Dollar das Start-up Argo AI
übernommen hatte. Volkswagen beteiligt
sich mit einer halben Milliarde Euro und hat
eine weitere Milliarde für die Weiterentwick-
lung bereitgestellt. Auch BMW und Daimler
kooperieren beim Thema, dann wieder
Daimler und Bosch ebenso wie BMW und
der chinesische Internetkonzern Tencent,
der die populäre App WeChat betreibt.
Doch nicht nur technische Hürden und
die mangelnde Regulatorik stehen dem
tiefenentspannten Fahren im Weg, sondern
auch die Einstellung der Fahrer und Passa-
giere. Die Angst fährt mit, und sie steigt mit
dem Automatisierungsgrad der Fahrzeuge,

das zeigte eine Studie des TÜV Rheinland.
Fast die Hälfte der Befragten äußerten ihre
Sorge, dass sich mit zunehmender Automa-
tisierung die Sicherheit im Straßenverkehr
verschlechtere, nur ein Drittel erwartet eine
Verbesserung.
Tatsächlich ist die Technologie noch
immer optimierungsbedürftig. Das zeigen
abseits tödlicher Unfälle, in die Tesla und
Uberverwickelt waren,auchdiesogenannten
„Disengagement“-Reports der Hersteller.
Demnach musste bei der Google-Schwester
Waymo alle 11 0 00 Meilen der Fahrer ein-
greifen,bei„Cruise“, demProjektvonGeneral
Motors, etwa alle 50 00 Meilen und bei Apple
während jeder gefahrenen Meile. Alle Unter-
nehmen, die das autonome Fahren in den
Vereinigten Staaten testen, berichten so an
das Department of Motor Vehicles, die staat-
liche Zulassungsstelle. Die Aussagekraft
dieser Reports gilt allerdings als beschränkt,
da sie auf ungeprüften Meldungen der Unter-
nehmen beruhen.

Die Angst vor Hackern fährt im
vernetzten Auto mit

Die zweite große Sorge, die Fahrer umtreibt,
ist die Cyberkriminalität. Drei Viertel der
Deutschen sorgen sich um ihre Daten, die
Hälfte befürchtet Zugriffe auf das Fahrzeug
von außen. Ganz unbegründet sind sol-
che Ängste nicht. Bereits 2015 hatten zwei
amerikanische Hacker gezeigt, wie sie ein
ganz normales Auto unter ihre Kontrolle
bringen konnten, das per Mobilfunk am Netz
hing. Aus der Ferne bedienten sie Bremsen,
Gaspedal u nd L enkrad nach Belieben.
WiebeiComputernistauchbeiAutos
dasInternetdasEinfallstorfürAngriffe.
Schonheute sindFahrzeugezunehmend
vernetzt,Expertenrechnen damit, dassbis
2025 nahezualleNeuwageneinenInternet-
zuganghaben.WennmitKryptowareauf
demeigenenComputer persönlicheoder
betrieblicheDatenverschlüsseltundnur
gegenLösegeldwiederfreigegebenwerden,
dannistdasauchbeihochvernetztenauto-
nomenAutosdenkbar:„ZahlenSieeinen
Bitcoin,dannreaktivierenwirdieBremse
wieder“–sokönntenbeiTempo1 60 die
Drohungenlauten.

Im Zweifeldie Hände ansLenkrad


Ob schon im kommenden Jahr oder erst in zehn Jahren, klar ist: Früher oder später w ird sich das autonome Fahren auf den Straßendurchsetzen.


Vorher sind neben vielen technischen auch regulatorische Hürden zu überwinden. Und die zukünftigen Mitfahrer müssen überzeugt werden. Von Michael Hasenpusch


Vorerst weiterhin Handarbeit: Das selbstfahrende Auto bleibt für den Individualverkehr derzeit noch ein Zukunftstraum. FOTOSASINPARAKSA/ISTOCK

VERBRENNER: DERKLASSIKER
MITZUKUNFT

Stickstoff-, CO 2 - und Feinstaubschleuder:
Nicht erst seit dem Diesel-Skandal ist der Ruf
desVerbrennungsmotorsangeschlagen.Doch
der Klassiker unter den Antrieben – mal mit
Diesel, mal mit Benzin, selten mit Gas betrie-
ben – ist dank seiner Vorteile noch immer
unangefochtener Marktführer. Die Ferti-
gungstechnik ist ausgereift, die Infrastruk-
tur in Form eines gut ausgebauten Tank-
stellennetzes umfassend. Mit dem Benziner
oder Diesel kommt man praktisch überall
hin, ohne sich über die Reichweite Gedan-
ken machen zu müssen. Wäre da nur nicht
das Treibhausgas CO 2 , das beim Verbrennen
fossiler K raftstoffe entsteht.
Dennoch könnten Verbrennungsmotoren
auch weit über den derzeit diskutierten zeit-
lichen Horizont hinaus eine Zukunft haben:
indem sie mit synthetischen Kraftstoffen
betrieben und damit grün werden. Diese
auch Powerfuels genannten Kraftstoffe sind
quasi ein Nebenprodukt der Energiewende.
Überschüssiger Ökostrom aus Windparks
wird dazu genutzt, Wasser per Elektrolyse
in Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten.
Der Wasserstoff wird dann durch Zugabe
von CO 2 oder anderen Kohlenstoffquellen
wie etwa Bioabfall zu synthetischem Benzin
oder Diesel weiterverarbeitet. Beim Verbren-
nen wird nur genau so viel CO 2 freigesetzt,
wie bei der Herstellung verwendet wurde


  • der Kraftstoff wäre damit vollständig
    treibhausgasneutral.


ELEKTROMOTOR: DERNEUEMIT
LADEHEMMUNG

Wenn das, was die Autobranche derzeit
erlebt, mehr ist als nur ein Hype, könnte
Elektromotoren die automobile Zukunft
gehören. Rund um die Welt investieren
Automobilkonzerne Milliarden in die neue
Antriebstechnologie, reihenweise kommen
neue Elektroauto-Modelle auf den Markt.

Zugleich investiert der Staat in den Ausbau
der Ladeinfrastruktur, fördert die Entwick-
lung neuer Batterietechnologien mit Milli-
ardensummen und hat eine staatliche Kauf-
prämie für Elektroauto-Käufer ausgelobt.
Trotzdem sind Elektroautos noch immer
Exoten auf Deutschlands Straßen: Ihr Markt-
anteil belief sich Ende 2019 auf 1,8 Prozent.
Allerdings holen sie auf – ein bisschen: Im
Januar 2020 waren von den über 246 0 00 in
diesem Monat neu zugelassenen Pkw knapp
7500 Elektrofahrzeuge, immerhin rund
3 Prozent. Elektroautos haben vielfältige
Nachteile gegenüber klassischen Verbren-
nern. Allen voran die Batterie, die nicht nur
teuer ist, sondern auch die Reichweite limi-
tiert. Auch das Nachladen dauert je nach
Modell einige Stunden, was gerade auf Fern-
reisen lange Zwischenstopps nach sich zieht.
Zudem sind Ladesäulen noch immer eher rar
gesät, vor allem im ländlichen Raum. Ihre
Vorteile – vor a llem natürlich den lokal emis-
sionsfreien Betrieb – können Elektroautos
daher bislang vor allem auf der Kurzstrecke
sowie im Stadtverkehr ausspielen.

BRENNSTOFFZELLE:DIE SAUBERE,
ABERTEURE LÖSUNG

Das mit Wasserstoff betriebene Brennstoff-
zellenauto vereint prinzipiell die Vorteile
von Elektro- und Verbrennungsmotoren
miteinander: Es gleitet ruhig wie ein Elektro-
auto über die Straßen, stößt als „Abgas“
lediglich Wasser aus. Dabei hat es eine
hohe Reichweite und lässt sich innerhalb
kürzester Zeit nachtanken. Allerdings ist
es auch so teuer wie ein Elektroauto und
eines mit Verbrennungsmotor zusammen:
Rund 80000 Euromussmanetwafüreinen
Toyota Mirai auf den Tisch legen, die Modelle
von Hyundai, Honda und Mercedes sind
kaum günstiger. Und das ist nicht der ein-
zige Grund dafür, dass sich bislang nur eine
dreistellige Zahl von Brennstoffzellenautos
auf deutschen Straßen verliert: Es gibt kaum
Möglichkeiten, sein Fahrzeug zu betanken.

Von einem „Tankstellennetz“ kann man bei
wenigen Dutzend über Deutschland verteil-
ten Wasserstofftankstellen kaum sprechen.
Branchenkenner gehen dennoch davon aus,
dass die Wasserstofftechnik eine Zukunft
hat – und zwar bei Nutzfahrzeugen und
Bussen. Hier ist die Brennstoffzellentechnik
demherkömmlichen,mitAkkubetriebenen
Elektromotor überlegen. Je größer und
schwerer die Fahrzeuge sind, desto höher ist
ihr Energiebedarf – und desto weniger sind
Batterien für den A ntrieb geeignet.

HYBRIDMOTOREN: VOLL ODER
MILD –DIE MISCHUNGMACHT‘S

Hybridfahrzeuge haben einen klassischen
Verbrennungsmotor, einen Elektromotor
und einen Akku an Bord. Daraus lassen sich
unterschiedliche Fahrzeugkonzepte ent-
wickeln, beispielsweise den Voll-Hybrid,
den Mild-Hybrid und den Plug-in-Hybrid.
Sie unterscheiden sich in drei Aspekten: wie
die beiden Motoren zusammenarbeiten, wie
die Akkus aufgeladen werden und schließ-
lich wie weit sich das Fahrzeug – wenn
überhaupt – rein elektrisch bewegen lässt.
Beim Mild-Hybrid wird der Akku durch die
Rekuperation aufgeladen, also durch die
Umwandlung der mechanischen Energie, die
beim Bremsen entsteht, sowie durch über-
schüssige Energie des Verbrennungsmotors.
DerElektromotor nutztdiese Energie,
um den Verbrenner beim Anfahren und
Beschleunigen zu unterstützen, kann aber
dasFahrzeugaufgrunddergeringenKapazität
des Akkus nicht rein elektrisch bewegen.
Mild-Hybrid-Systeme gelten als technisch
relativ einfach in bestehende Fahrzeugent-
würfe integrierbar und sparen dennoch
Kraftstoff und Emissionen in nennens-
wertem Umfang. Sie sind mittlerweile in
zahlreichen Fahrzeugen anzutreffen, wie
imFiat 50 0Hybrid,imSuzukiSwiftHybrid,
im V W Golf 8 oder auch im BMW 32 0d. Beim
Voll-Hybrid wird der Akku wie beim Mild-
Hybrid geladen, auch hier unterstützt der

Elektromotor den Verbrenner. Der Unter-
schied liegt in der Kapazität des Akkus,
der leistungsfähig genug ist, um das Auto
zumindest ein paar Kilometer weit rein elek-
trisch voranzubringen, der Verbrennungs-
motor darf währenddessen pausieren. Für
abgasgeplagte Innenstädte mag das einen
punktuellen Fortschritt darstellen, der
große Wurf in Sachen Klimaschutz ist ein
solches Hybridauto nicht, denn der Löwen-
anteil der Energie stammt immer noch vom
Verbrennungsmotor.

PLUG-IN-HYBRID:FÄHRT MIT
LADENUND TANKEN

Audi hat mit dem A3 e-tron einen im Ange-
bot, VW mit dem Passat GTE, BMW mit
dem 53 0e oder auch Hyundai mit dem Ioniq
PHEV. Den Käufern von Plug-in-Hybriden
wird von den Herstellern das Beste aus
drei Welten versprochen. Wie die anderen
Hybridfahrzeuge hat ein Plug-in-Hybrid
einen Verbrennungsmotor, einen Elektro-
motor und eine Batterie an Bord. Im Unter-
schied zu den vorigen Hybriden kann diese
auch an der Steckdose geladen werden – und
nicht nur beim Rekuperieren oder über den
Verbrenner.
In der Praxis werden bei Plug-in-
Hybriden größere Batterien als bei einem
Voll-Hybrid verbaut, mit einer Leistung
von etwa 10 bis 14 statt nur einer bis drei
Kilowattstunden. Das sorgt für eine rein
elektrische Reichweite von etwa 30 bis 60
Kilometern und ermöglicht somit lokal emis-
sionsfreies Fahren auf der Kurzstrecke. Vor
allem im Stadtverkehr spielt die Technologie
ihre Stärken aus. Es ist aber auch ein Misch-
wie auch ein reiner Verbrenner-Betrieb
möglich, so dass auch lange Strecken ohne
lästige Ladepause bewältigt werden können.
Nachteil gegenüber den Hybriden ohne Ste-
cker ist der höhere Preis, der insbesondere
dem größeren Akku geschuldet ist. Aber mit
dem technischen Fortschritt dürften sich die
Preise i n Zukunft Stück für Stück a ngleichen.

Vorankommen–bloßwie?


Benziner oder Diesel? So lautete früher die Standardfrage beim Autokauf. Mit Elektro-, Hybrid- sowie Brennstoffzellenantrieben sind neue Optionen hinzugekommen,


die Wahl des nächsten Wagens ist deutlich komplizierter geworden. Die fünf w ichtigsten A ntriebsarten im Überblick. Harald Czycholl


Selbst die größten


Hersteller können


oder wollen diesen


Weg nicht alleine


gehen.


Diesel


Diesel Premium


LKW-Diesel


Super E


Super E


SuperPlus


Erdgas


Autogas


Wasserstoff


Elektro


AdBlue


1.27^9


1.32^9


1.
9

1.
9

1.46^9


1.
9

1.
9

0.65^9


9.
0

0.
0

0.59^9


ILLUS

TR

ATION

YO

US

T/ISTO

CK/

F. A.Z. CRE

ATIVE SOL

UT

IONS
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