Die Welt - 21.02.2020

(Grace) #1
Heumarkt. Die Polizei bestätigte
WELT am frühen Donnerstagmorgen,
dass man den mutmaßlichen Täter in
einem Wohnhaus im Stadtteil Kessel-
stadt leblos aufgefunden habe – offen-
bar in seiner eigenen Wohnung, in der
auch die Leiche seiner Mutter gefun-
den wurde.
Am Donnerstagmittag sperrten Poli-
zisten das Gelände rund um das Wohn-
haus ab. R. wohnte in einer eher bürger-
lichen Gegend mit etlichen einstöcki-
gen Bungalows. Eine Nachbarin berich-
tete WELT, dass sie in der Nacht Schüs-

se gehört habe. Sie habe diese zunächst
für Feuerwerk gehalten.

DIE WAFFE


Mindestens zehn Menschen tötete der
Attentäter in Hanau. Weitere Personen
sind zum Teil schwer verletzt. Nach In-
formationen von WELT war R. im lega-
len Besitz von drei Pistolen, darunter
eine vom Kaliber neun Millimeter.
Entgegen anderslautender Berichte
besaß er keinen Jagdschein, sondern als
Sportschütze eine Waffenbesitzkarte.

Unklar ist bislang, inwiefern es sich da-
bei um eine der Tatwaffen handelt. R.
selbst gab in seinem Schreiben an, sich
bereits mehrfach in den vergangenen
Jahren an deutsche Sicherheitsbehör-
den gewandt zu haben. Diese müssen
sich nun fragen, inwiefern die Erteilung
einer Waffenerlaubnis überhaupt ge-
rechtfertigt war. R. ist als Sportschütze
nach Angaben seines Vereins nicht als
fremdenfeindlich aufgefallen. „Er war
total unauffällig“, sagte der Präsident
von SV Diana Bergen-Enkheim, Claus
Schmidt, der Nachrichtenagentur Reu-

ters. „Es gab nicht den geringsten Hin-
weis auf Rassismus oder Fremdenhass,
nicht einmal einen schrägen Witz.“

DIE VIDEOBOTSCHAFTEN


Erst Ende August 2019 hatte R. eine
Homepage auf seinen Namen regis-
triert. Das teilte Denic, die Domains mit
der deutschen de-Endung verwaltet, auf
Anfrage mit. Darauf hatte der mutmaß-
liche Täter neben PDF-Dokumenten
mehrere Videos hochgeladen. Ein
knapp einstündiges Video zeigt R. beim
Vorlesen des Bekennerschreibens.
Bereits am 14. Februar hatte R. eines
seiner Videos auf seinem Youtube-Kanal
veröffentlicht. Es bekam kaum Aufmerk-
samkeit und verstieß offenbar nicht ge-
gen die Richtlinien der Videoplattform.
Wie WELT erfuhr, gingen nach Bekannt-
werden des Namens des mutmaßlichen
Attentäters aus verschiedenen Quellen
Hinweise bei Google ein, auch Youtube
gehört zum Unternehmen. Daraufhin
löschte Youtube das Video von der Platt-
form. Durch die Eintragung dateispezifi-
scher Parameter wurde sichergestellt,
dass das Video dort nicht erneut hochge-
laden werden kann.

DER EINZELTÄTER


In den ersten Stunden nach den tödli-
chen Schüssen fahndete die Polizei
nach mehreren Personen. Manche Au-
genzeugen hatten von zwei möglichen
Tätern berichtet. Aktuell geht die Bun-
desanwaltschaft jedoch davon aus, dass
es sich in Bezug auf die konkrete Todes-
fahrt um einen Einzeltäter handelt.
Generalbundesanwalt Frank teilte
mit, man prüfe, ob der mutmaßliche Tä-
ter Mitwisser oder Unterstützer für sei-
nen Anschlag hatte. Wenn ja, wäre auch
das eine Parallele zum Attentäter von
Halle. Auch Stephan B. war im Auto
durch die Innenstadt gefahren und hat-
te aus rassistischen, fremdenfeindli-
chen Motiven Menschen getötet.
Der Generalbundesanwalt betonte,
das Ziel der Ermittlungen sei nun, ge-
nau das herauszufinden. Dabei gehe es
auch darum, mögliche Kontakte zu Per-
sonen ins Ausland zu prüfen. Die inter-
nationale Vernetzung des Rechtsextre-
mismus, gerade über soziale Netzwer-
ke, stellt Sicherheitsbehörden seit Jah-
ren vor große Probleme.
Nicht geklärt ist, ob sich R. in psycho-
logischer Behandlung befand. Laut ei-
ner Analyse von Europol weisen Perso-
nen, die Attentate allein durchführen,
auffällig häufig psychische Probleme
auf. Europol hält fest: „Rund 35 Prozent
der Täter im Rahmen von Einzeltäterat-
tacken, die zwischen 2000 und 2015
stattfanden, litten an einer psychischen
Störung.“ Mitarbeit: Uwe Müller und Martin Lutz

schossen. Unter den Toten sei ein
Freund Köses.
Tobias R., der als Finanzberater ar-
beitete und in einem Pamphlet auf sei-
ner eigenen Website seinen Verfol-
gungswahn und Rassismus offenbarte,
fffuhr den Erkenntnissen der Ermittleruhr den Erkenntnissen der Ermittler
zufolge in einem dunklen Mercedes
von einem Shisha-Café zum nächsten.
Große Mannschaftswagen stehen
Stunden später an diesem zweiten Tat-
ort in Kesselstadt, ein Feuerwehrzelt
wurde aufgebaut zur Spurensicherung,
die Gegend großräumig abgesperrt. Ei-
ne angrenzende Schule bleibt ge-
schlossen.
Kesselstadt ist ein typisches Wohn-
gebiet: Mehrfamilienhäuser stehen
neben einstöckigen Bungalows, in
Sichtweite auch höhere Plattenbau-
ten. Die Straßen tragen Namen be-
rühmter Philosophen. Kant. Schopen-
hauer. Schleiermacher. Unweit von
hier, keine 500 Meter vom „Arena Bar
&Café“, liegt auch die Wohnung, in
die sich Tobias R. nach den Schüssen
zurückzog. Gegen drei Uhr stürmten
Beamte des Spezialeinsatzkomman-

dos die Räume in der Helmholtzstra-
ße. Die Beamten fanden zwei Leichen:
die von R. und die seiner 72-jährigen
Mutter. Daneben eine Waffe, wie der
Generalbundesanwalt Peter Frank
später bestätigt.
Eine Nachbarin drängt sich an Jour-
nalisten vorbei in ein Auto. Zu der Fa-
milie will sie sich nicht äußern. Sie ha-
be die Schüsse gehört und sie für Feu-
erwerkskörper gehalten. Was passiert
sei, sei einfach nur grausam. „Zum
Glück habe ich jetzt erst mal Urlaub“,
sagt sie noch. Dann fährt sie weg.
Zu dem Täter will sich niemand äu-
ßern. Über die Opfer sprechen dage-
gen viele. Eine Gruppe Jugendlicher
sucht in dem Viertel nach einem
Freund, der sich nicht mehr gemeldet
habe. Er sei der kleine Bruder eines
Todesopfers. Die Polizisten vor Ort ge-
ben den jungen Männern die Nummer
der Hotline für Angehörige. „Wir
kannten alle, die gestorben sind“, sagt
einer aus der Gruppe. Es regnet, die
Kapuze hat er tief ins Gesicht gezogen.
Hamid Sadak, Lkw-Fahrer mit kur-
dischen Wurzeln, sagt, er habe vier der

Toten gekannt. „Sie waren Kurden,
zwischen 22 und 40 Jahre alt“, sagt er.
Er habe rund 400 Meter entfernt in ei-
nem anderen Café gesessen, als Tobias
R. das Feuer eröffnete. Wenige Minu-
ten später seien die Straßen voll mit
Sanitätern gewesen.
Dass der Täter es vor allem auf Kur-
den abgesehen hätte, glaubt er nicht.
„Er wollte einfach Ausländer töten“,
schätzt er. Dafür spricht auch das
Pamphlet, das R. im Internet veröf-
fffentlichte. Darin nennt er mehrereentlichte. Darin nennt er mehrere
„Rassen und Kulturen“, die er als „de-
struktiv“ betrachtet – „vor allem der
Islam“. R. ging gezielt vor. Neun seiner
Opfer haben einen Migrationshinter-
grund. Alle also bis auf die Mutter des
Täters.
Die Menschen, die an die Tatorte zu-
rückgekehrt sind, interessieren sich
vor allem für die Opfer, für die Men-
schen, die sie kannten. Erst langsam
verbreitet sich am Heumarkt die Nach-
richt, dass es sich beim Täter um einen
rassistischen Terroristen handeln soll.
Für die Menschen hier war der Täter
vor allem eines: „Ein Irrer.“

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21.02.20 Freitag, 21. Februar 2020DWBE-HP


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DIE WELT FREITAG,21.FEBRUAR2020** POLITIK 3


Sie von diesem Text behalten sollten,
dann, dass die Geburtenrate sich än-
dern muss. Selbst wenn wir alle Nicht-
europäer morgen vertreiben würden,
würden die Europäer noch immer in
den Verfall und irgendwann den Tod
abstürzen.“
Stephan Balliet, der Attentäter von
Halle, fasste es in seiner auf Englisch
gesprochenen Videobotschaft aus
dem Auto in diesen ersten Satz: „Fe-
minismus ist der Grund für die sin-
kenden Geburtenraten im Westen, die
als Grund für die Massenimmigration
herhalten, und die Wurzel aller dieser
Probleme ist der Jude.“ Nicht für alle
Täter gilt das; manche bleiben unpoli-
tisch. Ein nicht rechtsextremistischer,
aber ebenso einsamer Mörder, der
Amokschütze Seung-Hui Cho, der im
April 2007 in der Technischen Univer-
sität von Virginia 32 Menschen ermor-
dete, verfasste wirre Romane, in de-
nen ständig Lehrer vorkommen, die
den Fantasiehelden zu vergewaltigen
versuchen. Bei den rassistischen,
rechtsextremistischen Mördern aber
steht die Geburtenrate im Mittel-
punkt ihres Denkens, der Feminismus,
die moderne Frau und ihre angeblich
von geheimen Mächten betriebene
Verweigerung.
Das ARD-Magazin „Panorama“ hat-
te diesen Aspekt im Oktober vergan-
genen Jahres schon einmal themati-
siert. Michael Butter, Professor für
amerikanische Kulturgeschichte und
Literatur an der Universität Tübingen,
hat in seinem Buch „Nichts ist, wie es
scheint. Über Verschwörungstheo-
rien“ den Wunsch von Menschen ana-
lysiert, die eigenen Probleme und
Selbstzweifel anderen Menschen zu-
zuschreiben, sich selbst dadurch zu
exkulpieren, diesen anderen Men-
schen verdeckte Kräfte und überna-
türliche Fähigkeiten zuzuschreiben
und sich selber in die Rolle der Ver-
folgten, der einzigen möglichen Retter
der Menschheit zu fantasieren.
Nicht jede Verschwörungstheorie,
schreibt Butter, mündet in Gewalt,
nicht jede Theorie ist rassistisch oder
extremistisch. Aber es gibt Fälle, in de-
nen eine solche seelische Situation in
Gewalt münden kann – weil manche
Verschwörungstheorien darauf fußen,
dass man die Gefahr nur durch eine ei-
gene Tat bannen könne, und auf sol-
che Entschlusskraft allein komme es
in der Geschichte an. Ein soziologi-
sches, kulturelles Weltbild, das Zufäl-
ligkeiten und strukturelle Zwänge aus-
blendet, ein Weltbild, das nicht akzep-

tieren kann, dass Menschen nicht aus
bösem Willen, sondern aus gesell-
schaftlichen, sozialen, institutionellen
Rahmenbedingungen zu denselben
Folgerungen kommen können – ein
solches Weltbild existiert für Ver-
schwörungstheoretiker nicht.
Gleichzeitig, so Butter, ist für Ver-
schwörungstheoretiker typisch, dass
sie ihren imaginären Gegnern zwar
übernatürliche Kräfte zusprechen und
sich selber bis zur letzten, unaus-
weichlichen, erzwungenen Tat als na-
hezu wehrlos einschätzen – aber keine
Antwort darauf haben, warum sie bis
zu dieser Tat von ihren allmächtigen,
allwissenden Gegnern in Ruhe gelas-
sen werden.
Man kann hinzufügen: Die Antwort
auf solche Fragen fürchten Täter ge-
nauso stark wie die Frage, warum sie
keine Freundin haben, denn die Ant-
wort rührt an ihr Innerstes, an ihr
größtes, ungelöstes Problem. Die Ant-
wort würde solche Menschen auf ihre
Passivität zurückwerfen, auf ihre Un-
fähigkeit zu handeln. Verschwörungs-
theoretiker fliehen vor dieser Antwort
in ein Weltbild, das manche unaus-
weichlich zum Massenmord treibt.
Die „Radikalisierung westlicher Män-
ner“, schrieb der Täter von Christ-
church, „ist nicht nur unvermeidbar,
sondern unausweichlich“. Er, der so
unstet wie einsam war, ahnte wohl,
wen er dabei besonders intensiv vor
Augen hatte – genauso wie Breivik und
die anderen Mörder.

O


b der Hanauer Täter Tobias
R., ob der Täter in Halle im
Oktober 2019 und derjenige in
Christchurch im März 2019, ob der
Massenmörder Anders Breivik im Juli
2011 oder der Attentäter, der im April
1995 ein US-Bundesgebäude in Okla-
homa sprengte und dadurch 168 Men-
schen tötete – sie alle eint ein bemer-
kenswertes Faktum. Sie hatten, so
seltsam es zunächst klingen mag,
Schwierigkeiten mit Frauen.

VON TORSTEN KRAUEL

Sie hatten seit ihrer Pubertät keine
wirkliche Liebesbeziehung, sie hatten
oft überhaupt keine Freundin oder
wenn doch, dann nur für sehr kurze
Zeit. Es gibt Fotos von Breivik aus
Schulzeiten, in denen er mit jungen
Frauen in scheinbar entspannter Si-
tuation zu sehen ist, aber nie wurde
daraus eine Beziehung. Breivik ließ
sich schließlich auf ein Internet-Date
ein, eine „Katalog-Freundschaft aus
Weißrussland“, wie seine norwegische
Biografin es formuliert, und seine
Mutter war erleichtert. Endlich eine
Beziehung! Breivik aber fand sehr
schnell keinen Gefallen mehr daran.
Warum ist der Aspekt fehlender Be-
ziehungen, fehlender erotischer und
seelischer Erfüllung wichtig? Weil fast
alle diese Attentäter in ihren Selbstbe-
zichtigungen, ihren diversen „Mani-
festen“, das Thema aufgreifen – nur
umgemünzt in ihre pathologische
Weltsicht. Tobias R. schildert seine
erotischen Probleme noch am offens-
ten. Er gesteht, bis zum 22. Lebensjahr
nicht nur keine Freundin gehabt, son-
dern nicht einmal den Versuch zu ei-
ner Beziehung gemacht zu haben, „da
mir vom ,Äußeren‘ nur sehr wenige
gefielen bzw. ich besonders hohe An-
sprüche hatte“. Genauer: „Ich wollte
das Beste haben oder gar nichts.“ Der
Artikel „das“ statt „die“ lässt erahnen,
dass R. Frauen als Instrument be-
trachtete statt als Mensch. Sein 2001
gewecktes Begehren gegenüber einer
Mitstudentin in Bayreuth blieb plato-
nisch – das Sommersemester 2001
ging „ohne Liebesglück zu Ende“, aber
„mit der immer stärkeren Gewissheit,
überwacht zu werden“.
Andere Täter waren nicht so offen-
herzig, aber ließen ihr Defizit deutlich
durchscheinen. Breivik sagte gegen-
über anderen, die ihm Homosexualität
nachsagten, er sei im Gegenteil ein
„Puff-Mann“. Was ihm das Thema Ge-
schlecht, Erotik und Frauen tatsäch-
lich bedeutete, lässt sich an seinem
1500-Seiten-Manifest erkennen: Das
Thema steht am Beginn seiner Ab-
handlung. Politische Korrektheit,
schreibt er dort, bedeute die Auflö-
sung traditioneller Geschlechterrollen
und die Ablösung des Patriarchats
durch ein Matriarchat.
Verantwortlich für diesen „Kultur-
marxismus“ sei hauptsächlich die
Frankfurter Schule um Georg Lukács,
Erich Fromm und andere, doch gehe
der Gedanke schon auf Friedrich En-
gels und Karl Marx zurück. Einen der
wichtigsten Beiträge zur politischen
Korrektheit als Umwertung aller Wer-
te habe Betty Friedan mit ihren Femi-
nismustheorien geleistet. „Die Bedeu-
tung der historischen Wurzeln der Po-
litischen Korrektheit kann nicht adä-
quat gewürdigt werden, solange Betty
Friedans Revolutionierung der Ge-
schlechterrollen nicht als das gesehen
wird, was es wirklich war – eine Mani-
festation des sozialrevolutionären
Prozesses, der mit Karl Marx begon-
nen hat.“ Auf diese Idee kommt er im-
mer wieder zurück. „Wahrscheinlich
ist kein Aspekt der Politischen Kor-
rektheit heute im Alltag Westeuropas
derart dominierend wie die feministi-
sche Ideologie.“ Die moderne Frau als
Ergebnis einer revolutionären Welt-
verschwörung – das ist für Breivik der
Anfang allen Übels.
Von dort kommen Breivik oder der
Mörder von Christchurch auf die Idee,
die westliche Frau werde absichtlich
auf einen solchen Pfad geführt – denn
Emanzipation bedeute, dass Frauen
weniger Kinder bekommen, und genau
dies, weniger europäische oder weiße
Kinder, sei das Ziel der geheimen
Mächte, beziehungsweise der Islamis-
ten, die angeblich den Westen demo-
grafisch überwältigen wollen. Der
Mörder von Christchurch beginnt sein
Manifest mit den Worten: „Die Gebur-
tenrate. Die Geburtenrate. Die Gebur-
tenrate. Wenn es irgendetwas gibt, das

Manifeste der


Massenmörder


Tobias R., Anders Breivik, die Täter von Christchurch


und Halle hatten offenbar eines gemeinsam


AFP

/ ODD ANDERSEN

AFP

/ ODD ANDERSEN

DPA

/ BORIS ROESSLER
DPA

/ ANDREAS ARNOLD

ANDREAS ARNOLD/ DPA

TTTausende sind am Abend zurausende sind am Abend zur
Gedenkveranstaltung in die
Innenstadt von Hanau gekom-
men (oben links), Bundesprä-
sident Frank-Walter Steinmeier
und seine Frau Elke Büdenben-
der trauern um die Opfer (Mit-
te), der hessische Ministerprä-
sident Volker Bouffier ist sicht-
lich ergriffen (großes Foto).
Schon in der Nacht hatten Er-
mittler in Schutzanzügen den
TTTatort untersucht (oben rechts),atort untersucht (oben rechts),
am Morgen sind noch die kleinen
Schilder vor dem Café zu er-
kennen (unten). Die Polizei-
einheiten setzten auf der Suche
nach dem Täter auch Hunde ein
(((ganz unten)ganz unten)

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Hanau


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