Handelsblatt - 17.02.2020

(Ann) #1

Portfolio haben, um attraktive Renditen zu erwirt-
schaften. Deshalb glaube ich, dass auch das Interes-
se an alternativen Anlageklassen weltweit noch zu-
nehmen wird.


Wie hoch ist das „dry powder“ – das nicht inves-
tierte Kapital – bei KKR?
Nuttall:
Über alle Anlageklassen hinweg sind es ak-
tuell etwa 57 Milliarden Dollar. Aber Sie dürfen
nicht vergessen: In den beiden vergangenen Jahren
haben wir global jeweils zwischen 25 und 30 Milli-
arden Dollar investiert.


Aber glauben Sie nicht, dass die Renditen wegen
der Geldschwemme sinken müssen? Die Bewer-
tungen der Unternehmen, die von Private-Equity-
Fonds gekauft werden, sind sehr hoch, es gibt
Druck auf die Gewinnmargen. Sind da Renditen
von 20 Prozent noch drin?
Nuttall:
Unsere Investoren – etwa Pensionskassen,
Stiftungen und Family Offices – wollen eine Rendite
sehen, die höher ist als die Rendite an den öffentli-
chen Börsen. Und die haben wir geliefert.


Wie gelingt das?
Nuttall:
Wichtig ist: man darf nicht zu sehr auf
Durchschnittswerte im Markt schauen, denn es
gibt immer eine große Abweichung nach oben und
unten. Wir suchen nach Unternehmen, die ein
komplexes Geschäftsmodell haben oder vor einer
großen Transformationsphase stehen und dafür ei-
nen starken Partner brauchen. Wir kaufen diese
Komplexität, arbeiten im privaten Umfeld eng mit
den Management-Teams zusammen und verkaufen
nach erfolgreicher Transformation am Ende Ein-
fachheit. Wir sind ein geduldiger, langfristig orien-
tierter Investor.


Thyssen-Krupp hat ein komplexes Geschäftsmo-
dell, mehrere Finanzinvestoren bieten für das
Aufzugsgeschäft. Wäre das nicht etwas für KKR?
Nuttall:
Kein Kommentar (lacht).


Welche Branchen sind interessant in Deutsch-
land? Sie sind bei Axel Springer und weiteren Me-
dienfirmen eingestiegen. Kommt da noch mehr zu
diesem Segment?
Ollig:
Wir sehen uns im Medienbereich immer
nach Gelegenheiten um. Aber natürlich gilt das
auch für andere Branchen. Deutschland hat nun
einmal eine breit aufgestellte Wirtschaft, speziell
im Mittelstand.


Und was planen Sie im Feld der Infrastruktur?
Ollig:
Wir haben vor Kurzem die Deutsche Glasfa-
ser im Zuge einer milliardenschweren Transaktion
verkauft, wir sind also ein aktiver Investor im
Markt. Deutschland hat wichtige Investitionsjahre
vor sich und ist deshalb für uns so interessant.


Wie stehen Sie zu Tech-Unternehmen?
Nuttall:
Auch hier gilt, dass die Spreizung der Be-
wertungen enorm ist. Bei den sehr hoch bewerte-
ten Unternehmen würden wir jetzt wahrscheinlich
nicht mehr einsteigen. Aber grundsätzlich investie-
ren wir auch in Wachstumsunternehmen, wie zum
Beispiel Getyourguide in Deutschland, und in an-
deren Teilen Europas.


Sie erwähnten die Finanzbranche. Was reizt Sie
sonst noch in Deutschland?
Nuttall:
Wir haben vor Kurzem in den Zahlungs-
dienstleister Heidelpay investiert, der auf kleine
und mittelgroße Firmen zielt. Das ist eine gute
Plattform für die weitere Expansion in diesem Be-
reich. Wir wollen eine Rolle in der Konsolidierung
dieses Sektors spielen. Generell interessieren wir
uns für das gesamte Spektrum der Fintechs.


Sie sagten einmal, eine Rezession sei normal und
könne gesund sein. Erwarten Sie einen Ab-
schwung, und was würde der bedeuten?


Nuttall: Was wir sehen, sind sektorspezifische Re-
zessionen. Das gilt etwa für Teile der Automobilin-
dustrie, den Einzelhandel und den Energiesektor.
Der Verbraucher- und Dienstleistungssektor ist
nach wie vor recht stabil. Davon gehen wir auch
weiterhin aus. Eine weitreichende Rezession ist ak-
tuell aber nicht unser Basis-Szenario. Natürlich
kann es einen normalen Abschwung geben, aber
wir erwarten keinen dramatischen Einbruch wie
2008/2009.

Erwarten Sie mehr Transaktionen mit Unterneh-
men in Schieflage, also Investments in „Distressed
Assets“?
Nuttall: Ja. Wenn Unternehmen ihre Umsatz- und
Ergebnisziele verfehlen und an der Börse niedriger
bewertet werden oder anderweitig der Zugang zu
Kapital für Unternehmen schwierig wird, dann er-
öffnen sich für langfristig orientierte Investoren
wie uns gute Chancen. Wir schauen nicht auf kurz-
fristige Trends, sondern auf die langfristigen Ent-
wicklungsperspektiven.

Wo erwarten Sie diese Chancen?
Nuttall: Es gibt sie schon in den USA und auch in
Europa. Die Börsen und Finanzmärkte tendieren
zu Überreaktionen.

Manchmal führt das auch zu einem Delisting, also
dem Rückzug von der Börse. Sie betreiben so et-
was auch, etwa bei Axel Springer ...
Nuttall: Sehen Sie, der Anteil von Private Equity
an den globalen Übernahmen und Fusionen
(M&A) inklusive Delistings liegt historisch zwi-
schen fünf und 15 Prozent. Der Großteil der De-
listings ist aber die Folge von Zusammenschlüs-
sen unter Kon zernen. Es geht immer um das bes-
te Umfeld für die Entwicklung des Unterneh-
mens. In jüngster Vergangenheit haben wir auch
Unternehmen neu an die Börse gebracht, etwa
Trainline in Großbritannien oder Software One
in der Schweiz.

In Deutschland gilt der Rüstungskonzern Hensoldt
aus ihrem Portfolio als Kandidat für die Börse.
Ollig: In Hensoldt sind wir seit 2016 investiert, und
das Unternehmen hat sich sehr gut entwickelt.

Wo sehen Sie die größten Risiken in diesem und
den nächsten Jahren?
Nuttall: Es gibt für jeden von uns jeden Tag eine
riesige Fülle an Informationen, aus der wir die
wirklich wichtigen Signale, die Megatrends, heraus-
filtern müssen. Wir konzentrieren uns auf das, was
wir kontrollieren können, etwa bei der Führung
und Entwicklung der Unternehmen.

Was sind für Sie die Megatrends in den nächsten
Jahren?
Nuttall: Die Digitalisierung, denn sie eröffnet uns
neue Geschäftsfelder, und auch das „Impact Inves-
ting“, bei dem wir durch unsere Investitionen so-
zialen Nutzen schaffen wollen. Hier haben wir
schon fünf Milliarden Dollar investiert. Das reicht
von der Abfallwirtschaft in Indien über Nahrungs-
mittelsicherheit in China bis zu Bildungsprojekten
weltweit.

Und wo investieren Sie nicht mit Blick auf Nach-
haltigkeitskriterien? Meiden Sie Öl- und Kohle-In-
vestments?
Nuttall: Wir schauen besonders darauf, wie die
Mitarbeiter behandelt werden und unter welchen
Bedingungen sie arbeiten, außerdem ist auch der
CO 2 -Fußabdruck wichtig. Es kann aber auch sein,
dass man ein Unternehmen beim Thema Nachhal-
tigkeit voranbringen und so einen Mehrwert schaf-
fen kann. Aber die ESG-Kriterien für Umwelt, Sozia-
les und gute Unternehmensführung sind auch des-
halb immer wichtiger, weil wir die Verantwortung
tragen für 800 000 Arbeitsplätze weltweit – allein
in unseren Private-Equity-Portfoliounternehmen.

In den USA stehen Sie seitens der Politik am Pran-
ger. Man kritisiert die hohen Gewinne, die Abhän-
gigkeit der Wirtschaft von Private Equity und die
Forcierung einer ungerechten Vermögensvertei-
lung ...
Nuttall: Eines ist für uns ganz klar: Man kann ein
Geschäft nicht erfolgreich führen, wenn man nur
die Kosten drückt. Man muss in Wachstum inves-
tieren, und das schafft neue Arbeitsplätze. In
Deutschland haben wir beispielsweise in unseren
Portfoliounternehmen zwischen Ein- und Ausstieg
im Schnitt acht Prozent mehr Jobs geschaffen. Die-
se Fakten müssen wir aber noch besser erklären.
Und das tun wir im Dialog mit Politikern, Gewerk-
schaftlern, Journalisten und anderen Entschei-
dungsträgern auf beiden Seiten des Atlantiks.

Wie steht es um den endgültigen Stabwechsel an
der Spitze?
Nuttall: Ich arbeite mit meinem Kollegen Joe Bae
seit 1996 für KKR, also 24 Jahre, an der Seite der
Gründer Henry Kravis und George Roberts. Große
Strategiewechsel sind nicht zu erwarten, denn wir
vier – gemeinsam mit unseren Senior-Partnern – ha-
ben die Pläne gemeinsam erarbeitet und umgesetzt.
Wir werden immer wieder neue Akzente setzen,
und Deutschland ist sicher ein Teil dieser Strategie.

Wann werden sich die beiden Gründer zur Ruhe
setzen?
Nuttall (lacht): Da fragen Sie die falsche Person.
Aber sehen Sie, KKR ist mit 44 Jahren eine recht
junge Gesellschaft. Ich weiß, dass beide ihr Unter-
nehmen und das, was sie tun, lieben. Und uns al-
len macht es großen Spaß, dieses Unternehmen
weiterzuentwickeln.

Herr Nuttall, Herr Ollig, vielen Dank für das Inter-
view.

Die Fragen stellten Kathrin Jones und Peter
Scott Nuttall: Ihn interessieren in Deutschland vor allem die Fintechs. Köhler.

Bert Bostelmann für Handelsblatt

Die Manager Scott C.
Nuttall kam 1996 zu
KKR und ist heute
Co-President und
Co-Chief Operating
Officer. Vor KKR war
er für den Finanzkon-
zern Blackstone tätig,
wo er zahlreiche
Fusionen und Über-
nahmen begleitete.

Christian Ollig ist
Deutschland-Chef von
KKR mit Sitz in Frank-
furt.

Das Unternehmen
KKR wurde Ende der
Achtzigerjahre mit
der Übernahme und
Zerschlagung des
Mischkonzerns RJR
Nabisco quasi über
Nacht bekannt. Heute
verwaltet der Finanz-
investor ein Vermö-
gen im Wert von 218
Milliarden Dollar
(Stand 31. Dezember
2019). Private Equity
macht nur noch rund
ein Drittel der Invest-
ments aus, weitere
Standbeine sind pri-
vate Kreditfonds,
Infrastruktur-Invest-
ments sowie der Kauf
von Immobilien.

Vita Scott C.
Nuttall und
Christian Ollig

Finanzen & Börsen


MONTAG, 17. FEBRUAR 2020, NR. 33
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