Berliner Zeitung - 19.03.2020

(vip2019) #1
Berliner Zeitung·Nummer 67·Donnerstag, 19. März 2020–Seite 10*
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Sport

Berliner Zeitung·Nummer 67·Donnerstag, 19. März 2020–Seite 10*
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Sport

Veränderte Wortwahl


EineVerschiebungderOlympischenSpielevonTokiowirdimmerwahrscheinlicher.InzwischenäußernsichsogarOffizielleinJapanskeptisch


VonFelix Lill,Tokio

M

anchmal kommt es in
Ansprachen auf das
an,wasnichterwähnt
wurde .SoamAnfang
dieserWoche,alsShinzoAbeineiner
Videokonferenz mit den G7-Regie-
rungschefsvonseinen Olympiaplä-
nen berichtete.Scheinbar unmiss-
verständlich betonte der japanische
Premierminister gegenüber der
Presse: „Ich will dieOlympischen
und ParalympischenSpiele in ihrer
Gänzehalten,alsBewe isdafür ,dass
die Menschheit das neueCoronavi-
rusbesiegen kann, und dafür habe
ichdie UnterstützungderG7-Anfüh-
rer.“
Waszunächstwiedieunerschüt-
terliche Marschroute eines kämpfe-
rischenPremiersklang,wareherdas
Gegenteil.Dennandersalsbeisons-
tigen Verlautbarungen zum Thema
erwähnteAbediesmalnicht,zuwel-
chem Datum er dieOlympischen
Spiele abhaltenwerde. Bisher hatte
esimmergeheißen,manbereitesich
aufden vereinbartenBeginnam24.
Juli vor. Für diesenZeitplan aber


hatte Abeden Rückhalt der G7-Re-
gierungschefs,die allesamt daheim
gegen Covid-19 ankämpfen, offen-
barnicht.
EsistdasersteMal,dasseinOffi-
ziellerausdererstenReihenichtauf
denfestgelegtenVeranstaltungsplan
pocht.AmDienstagfolgtedanndas
IOC mit einemStatement, das auf
ähnlicheWeisevorsichtigdaherkam.
Neben derErwähnung, dassCovid-
19dieganzeWeltvorneueProbleme
stelle,heißtesdarin:„DasIOCbleibt
denOlympischenSpielenTokio
völlig verpflichtet, und mit etwas
mehr als vierMonaten bis zu den
Spielen sollten in dieserSituation
keine drastischenEntscheidungen
getroffenwerden;undjedeSpekula-
tionwär eind iesemMomentkontra-
produktiv.“
So wirdeine Verschiebung der
Spiele,nachdemdiesbisherzurück-
gewiesen worden war,offenbar
wahrscheinlicher.DerSchrittseitens
der Regierung und des IOC, sich so
einenAusweg vorzubereiten,kommt
inmitten wachsender Kritik.In Ja-
pan, wo Schulen seitWochen ge-
schlossen bleiben undErwachsene

weitgehendimHomeofficearbeiten,
ist der Alltag maßgeblichreduziert.
Premier Abehat seineBevölkerung
gedanklichaufeinennahendenAus-
nahmezustand vorbereitet, zumal
dasLandlautAnalysendenHöchst-

punkt an Infektionszahlen noch
nichterreichthat.
Hinzu kam dieseTage noch ein
prominenter Infektionsfall. Kozo
Tashima, Präsident des japanischen
Fußballverbands,Mitglied des NOK
undführendesMitglieddesTokioter

Organisationskomitees,ist der erste
bestätigteCoronakranke unter den
Olympia-Offiziellen. Während man
sich seither fragt, mitwemTashima
in Kontakt war,kritisierte das IOC-
Mitglied Hayley Wickenheiser das

Festhalten am Veranstaltungsplan
als„verantwortungslos.“Dieeinstige
Eishockeyspielerin ausKanada gab
amDienstagüberTwitterzu Beden-
ken:„DieseKriseistnochgrößerals
Olympia.“Athletenkönntenschließ-
lichnichteinmalmehrtrainieren.

Der Schein trügt: Die olympischen Ringe inTokio signalisieren eine Normalität, von der längstkeine Rede mehr sein kann. AP/YORIKO KOIKE


„Ich will dieOlympischen undParalympi-


schenSpieleinihrerGänzehalten,alsBewe is


dafür,dassdie MenschheitdasneueCorona-


virus besiegen kann, und dafür habeich die


Unterstützung der G7-Anführer.“


Shinzo Abeäußertsich gege nüber der Presse.Wasernicht sagt, ist derTermin, an dem
die Olympischen undParalympischen Spiele stattfinden sollen.

Tatsächlich ist es mittlerweile
schon schwierig, die Olympischen
Spielewiegeplantstattfindenzulas-
sen,weilindiversenSportartennoch
Qualifikationsturnierestattfinden
müssten.Derzeit sind laut IOC erst
57 Proz ent der Athleten qualifiziert.
DieverbleibendenStartplätz emüss-
teneigentlichindiesenWochenauf-
gefülltwerden.DochanSportevents,
zu denen auch nochAthleten aus
mehrerenNationen anreisen müss-
ten,istnichtzudenken.
In Tokio sagte dieseWoche auch
derjapanischeTurnverbandeinTur-
nier für Aprilab. Anfang derWoche
hatte der nationale Volleyballver-
bandeineVeranstaltungabgesagt,in
der die renovierte Ariake Arena im
Süden der japanischenHauptstadt
getestetwerden sollte.Diese Absa-
genstehenineinerlangenReihevon
Sportveranstaltungen, die entweder
verschoben,reduziertoderganzge-
strichenwordensind.
Trotzdem haben die Offiziellen
bisher,ihnen voranIOC-Präsident
ThomasBach und Premierminister
Abe,behauptet,dassandenSpielen
nichtgerütteltwerde. Umdieszude-

monstrieren, wurde vorige Woche
auch mit demFackellauf inGrie-
chenland begonnen. Obwohl dieser
wegen gesundheitlicherBedenken
doch abgesagt wurde,schickte man
die Fackel nachJapan, wo der Lauf
am26.MärzvonFukushimaausgen
Tokioweitergehensoll.
Dassaberwirklichgarnichtüber
einenAusfallodereineVerschiebung
vonOlympiagesprochenwird,stellt
sich bei genauemHinsehen schon
länger als bloßeKampfansage her-
aus.EinerseitsberücksichtigtJapans
Wirtschaftsministerium einen
Olympiaausfall mittlerweile als Sze-
nariofürdieökonomischeEntwick-
lungdernächstenMonate.
Zudem wirdind en Statements
der Veranstalter immer wieder be-
tont,dassmanimAustauschmitden
relevantenOrganisationenstehe,zu
denen auch dieWeltgesundheitsor-
ganisation gehört.DerenDirektor
sagte Anfang März:„Wir haben uns
darauf geeinigt, dass wir dieSitua-
tiongemeinsammitderjapanischen
Regierung beobachten, undwenn
gehandeltwerdenmuss ,werdenwir
diesdiskutieren.“

EndeohneKrönung


AndréRankel,derseit2003fürdieEisbärenspieltundsiebenTitelgewann,erhältkeinenVertragfürdiekommendeSaison


VonBenediktPaetzholdt

A


ls die Fans derEisbären am
8.Mär zmit der Mannschaft ein
4:3gegenBremerhavenundeinege-
lungeneHauptrundefeierten,wuss-
tensienochnicht,dassesdasletzte
Treffen in dieserSaison war,zwei
Tage später folgte ja dieAbsage der
Play-offs .Die Anhänger konnten
auchnichterahnen,dasssieKapitän
André Rankel, 34, zum letztenMal
imEHC-Trikotzusehenbekommen.
AmMittwochverk ündetederVerein
dieTrennungvondemsiebenfachen
DeutschenMeister.
„Es war eine Entscheidung des
Vereins,mirkeinenneuenVertragzu
geben“, sagteRankel amTelefon,
„ichhättedieEisbärennichtfreiwil-
ligverlassen,sondernwolltedie Kar-
rierehier beenden.“ Für ihn hatte
sich aber schon länger angebahnt,
dass dieZeit im Klub langsam zu
Endegeht.„IchhattealsKapitäneine
Führungsrolle in derMannschaft.


Meine sportliche Rolle war aber
nichtmehrzufriedenstellend.Wahr-
scheinlichistesgut,dassdieseEnt-
scheidunggefallenist.“
2003schlosssichRankel,deraus-
gerechnetbeidenPreusseninWest-
berlinausgebildetwurde,denEisbä-
renan. In seiner ersten DEL-Saison
standerbereits56-malimAufgebot.
In 865 Spielen erzielte er 247Tore.
Damit ist Rankel mitAbstand Re-
kordtorschützedesKlubs .„Esistfür
mich unmöglich all das inWortezu
fassen, was André für dieEisbären
geleistet hat“, sagt Eisbären-Ge-
schäftsführerPeter John Lee .„Wir
habenAndréRankelzudenEisbären
geholt,alsernoch17Jahrejungwar.
ErhatinzwischenseinhalbesLeben
lang für unsereOrganisation die
Schlittschuhegeschnürt,Checksge-
fahren undvorallem Tore geschos-
sen.Dafürundfürseinvorbildliches
Verhalten auf demEisund außer-
halb gebührtihm ein ganz großes
Dankeschön.“

datoletztenTriumphfeierten,reckte
er den Pokalerstmals alsKapitän in
dieHöhe.„Daswareinederschwie-
rigsten Saisons“, erinnerters ich.
„AberwirsindausdemSchattenge-
treten.“

Zwei der insgesamt siebenTitel
sind Rankel in besondererErinne-
rung geblieben. „Der erste war na-
türlich eineBefreiung für diesen
Klub mit dieser besonderenTradi-
tion.“AlsdieBerliner2013ihrenbis

MitwirmeintersichunddieKol-
legen des 1985er-Jahrgangs.Unter
Vereinsidolen wieSven Felski, Steve
WalkerundDenisPedersonsindsie
gereift. InbesagterSaisonhattensie,
auch dank derHilfe der NHL-Gast-
spielerDanielBriéreundClaudeGi-
roux,die Erfolgsseriefortgesetzt.

Probleme imUmbruch
Allerdingshattesichbereitsindieser
Saison angedeutet, dass die Domi-
nanzendenwürde.Zweimalin Serie
scheiterten dieEisbären daraufhin
in den Pre-Play-offs.Esz eigte sich
fortanebenauch,dassdieseGenera-
tion um Rankel, Jens Baxmann,
Frank Hördler undFlorian Busch
den Abschwung nicht aufhalten
kann. Auch bei denFans waren die
Helden frühererJahreimmer häufi-
gerdas ZielvonKritik.Für Teamkol-
lege Marcel Noebels,der 2014 nach
Berlinkam,standRankelnieinfrage:
„Erwarfürmichpersönlicheinerder
besten Mitspieler,die ich je hatte.

Wirhaben vielvonihm lernen kön-
nen.Andréwarnichtnureinbeson-
derer Spieler,sondernist auch ein
FreundnebendemEis.“
Nach Jens Baxmann,vondem
sichder VereinnachderletztenSai-
son trennte,ist Rankel der zweite
deutsche Langzeitprofi des 85er-
Jahrgangs ,der keinenVertragmehr
erhält. Florian Buschwir dseineKar-
rierebeenden. „Ich hätte mir nie-
mals vorstellen können, nicht für
diesenVereinunddieseFanszuspie-
len“, sagt er,„ich hätte mich sehr
gernemiteinerMeisterschaftverab-
schiedet.“Nunwirderw ohl woan-
dersdieletztenProfijahrebestreiten.
UnterdessennimmtderKaderfür
diekommendeSaisonKonturenan.
Neben TorwartMathias Niederber-
ger sollen laut demFachmagazin
EishockeynewsMark Ze ngerle und
Stefan Espeland ausBremerhaven
nach Berlin wechseln. MitRankel
werden sie sich nicht mehr dieKa-
bineteilen.

Eine Ära endet: André Rankel bestritt 17 Spielzeiten im EHC-Trikot. DPA/ANDREAS GORA
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