Der Standard - 21.03.2020

(Ron) #1

DERSTANDARDWOCHENENDE Agenda:AgendaCoronavirus-Krise SA./SO., 21./22. MÄRZ 2020 | 11


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ssollte seine erste Budgetre-
de sein, doch die musste
Gernot Blümel (ÖVP) zur
Wochenmitte kübeln: Vor kurzem
hätte der Finanzminister noch von
Rekordbeschäftigung und einem
Haushaltsüberschuss berichten
können. Doch nun ist alles anders.
Wegen der Coronavirus-Epide-
mie bot auch die Nationalratssit-
zung am Freitag reichlich Drama-
tik: Weil die türkis-grüne Koali-
tion, unterstützt von der Opposi-
tion, mit 38 Milliarden Euro
„einen Rettungsschirm“ über ganz
Österreich spannen will, gab Blü-
mel nur eine kurze Erklärung zum
Budget ab.
Die Gesundheit der Bevölke-
rung, die Arbeitsplätze und die
Wirtschaftsstandorte des Landes
seien jetzt wichtiger, erklärte Blü-
mel da zum wankenden Finanz-
haushalt. Angesichts der größten
Krise, die seine Generation je er-
lebt habe, rief er die Österreicher
auf „durchzuhalten–koste es, was
es wolle“.
Dochbaldschon platzte die
nächste Hiobsbotschaft in denPle-
narsaal: Nationalratspräsident
Wolfgang Sobotka (ÖVP) musste
bekanntgeben,dassder Abgeord-
neteJohann Singer (ebenfalls ÖVP)
positiv auf Coronagetestetworden
ist–und derwar im Hohen Haus
am Sonntag noch vertreten.
Dabei galten die Reihen im Na-
tionalrat am Ende dieser turbulen-
ten Woche ohnehin schon als ge-
lichtet: Weil ganz Tirol unter Qua-
rantäne steht und auch einige Vor-
arlberger Ortschaften, reisten
Mandatare aller Couleur aus den
betroffenen Gebieten erst gar
nicht an.
Die anwesenden Abgeordneten
wiederum mussten während der
Debatte im Plenarsaal auf der Ga-
lerie und in Nebenräumen Platz
nehmen, um den vorgeschriebe-
nen Sicherheitsabstand zu wah-
ren und weitere Ansteckungen zu
vermeiden. Bundespräsident Ale-
xander Van der Bellen verfolgte
Blümels Erklärung daher gleich
per Livestream von zu Hause aus.
Zu alledem sparte die Opposi-
tion rund um die milliarden-
schweren Hilfen nicht mit Kritik
an einigen Maßnahmen von Tür-
kis-Grün–auch wenn sich ÖVP-
Klubchef August Wöginger, der
von einem „rot-weiß-roten Ret-
tungsschirm“ sprach, und sein
grünes Pendant Sigrid Maurer
auch beim weiteren Vorgehen
„einen nationalen Schulter-
schluss“ wünschten.


Mahnende Zurufe


So waren sich Rot, Blau und
Pink etwa einig, dass die Abwick-
lung des Härtefonds für Klein-
unternehmer über die Wirt-
schaftskammer statt das Finanz-
amt, das über mehr Personal ver-
füge, ziemlich daneben sei. Für
die Großunternehmer gebe es kei-
nen Deckel, wohl aber für die Klei-
nen, urgierte Kai Jan Krainer
(SPÖ) außerdem. Ex-Finanzstaats-
sekretär Hubert Fuchs (FPÖ) qua-
lifizierte diese Ansinnen ebenfalls
als „unerklärlich“. Der Neos-Ab-
geordnete Sepp Schellhorn, selbst
Hotelier und Gastronom in einem
Salzburger Krisengebiet, gab zu,
dass er dieser Tage sehr schlecht
schlafe, und nannte dieses Vorge-
hen gar „einen Witz“.
In Richtung Gesundheitsminis-
ter Rudolf Anschober (Grüne) er-
klärte Schellhorn, im Sinne der
Gesundheit der Österreicher gin-
ge es zwar darum, die Anste-
ckungskurve abzuflachen, aber:


DieNationalratssitzungvor demWochenendewar an Dramatik kaum zu überbieten:WährendTürkis-Grünmit der Opposition
einen milliardenschwerenRettungsschirm über das Land spannenwollte, wurde der ersteAbgeordnete positivauf Coronagetestet.

BERICHT:Jan Michael Marchart, Nina Weißensteiner

Parlamentbesteht Härtetest


Die Unternehmer durchliefen der-
zeit eine Kurve, die den steil ab-
fallenden Wänden des Matter-
horns gleiche. Sein eindringlicher
Appell an den Grünen und die an-
deren Koalitionsspitzen auf der
Regierungsbank: „Bitte schicken
Sie uns nicht im Kreis!“ Gemeint
war damit, dass das Finanzamt mit
der Abmilderung der Härten für
die Betriebe betraut werden soll,
stattdessen schicke man dort die
Mitarbeiter in den Zeitausgleich.

Weitere Tests angeordnet
Trotz hohen Debattierbedarfs
musste die Sitzung wegen
schlechter Neuigkeiten rund um
den Abgeordneten Singer für ein-
einhalb Stunden unterbrochen
werden. Erst danach ging es wei-
ter. Jene Kollegen, die mit Singer

bei der Sitzung am Sonntag Kon-
takt hatten, seien „unverzüglich“
getestet worden und hätten sich
in Selbstquarantäne begeben, um
eine weitere Verbreitung des Co-
ronavirus im Nationalrat zu ver-
hindern, sagte Sobotka, der die
weiterhin volle Handlungsfähig-
keit des Parlaments betonte. Es
soll sich um fünf Personen aus
dem ÖVP-Klub handeln.
Die Oppositionsparteien woll-
ten trotz Kritik auch dem zweiten
Coronavirus-Paket der Regierung
zustimmen, das nur wenige Tage
nach dem ersten geschnürt wurde
und das fünf neue Gesetze sowie
39 Gesetzesänderungen enthält.
Am Samstag soll der Bundesrat
dem Konvolut sein Sanctus ertei-
len. Davor stehen freilich wieder
Desinfektionsmaßnahmen an.

TrotzDesinfizierens ohne Ende: Am Freitagereilteden Nationalrat die
Nachricht,dasssein erstes Mitglied mitdem Coronavirus infiziertist.

Foto:APA

/G

eorgHochmuth

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