16 |SA./SO.,21./22.MÄRZ2020DWirtschaft ERSTANDARDWOCHENENDE
Regeln zuVerkehrsrechten
fürAirlines ausgesetzt
Brüssel–Die EU-Staaten setzen
wegen der drastischen Folgen der
Corona-Krise für die Airlines die
Regeln zu Start- und Landerech-
ten an Flughäfen aus. Die soge-
nannte 80-20-Regel, nach der Air-
lines ihre Zeitfenster für Flüge re-
gelmäßig nutzen müssen, gelte bis
- Oktober nicht, sagte Kroatiens
Verkehrsminister Oleg Butkovič
am Freitag in Brüssel: „Niemand
will leere Flugzeuge am Himmel
haben.“ Für Flüge von Europa
nach China oder Hongkong sei die
Flugverpflichtung rückwirkend
aufgehoben. (Reuters)
Justiz beschäftigt sich mit
Hofer und Grasser
Wien–Der Nationalrat hat Freitag-
abend den Strafverfolgungsbehör-
den Ermittlungen gegen den Drit-
ten Nationalratspräsidenten Nor-
bert Hofer (FPÖ) ermöglicht. Es
geht um die Ernennung des mitt-
lerweile schon wieder ehemaligen
Asfinag-AufsichtsratsSiegfried
Stieglitz.Wegen der Coronavirus-
Pandemiewird der Korruptions-
prozess gegen Ex-Finanzminister
Karl-HeinzGrasser u. a. frühestens
am 21. April fortgesetzt. (APA)
KURZGEMELDET
Chefwechsel bei
Siemens:Roland
Busch(55) löst ab
Oktober sukzessive
den zuletzt stark
unter Druck gerate-
nen Joe Kaeser an
der Spitze des Technologiekon-
zerns ab. Der aus Erlangen stam-
mende Busch war bisher Vize-
chef, gilt als energisch und ziel-
orientiert. Er ist–wie Kaeser –
seit Beginn seiner Laufbahn
Siemensianer. (red) Foto: AFP/Stache
NAMEN
Kündigungswelle trotzKurzarbeit-Booms
Fast 100.000 Anmeldungen beim AMS–Andritz meldetKurzarbeit an,KurzarbeitstattKündigungen bei Strabag
Wien–Die Arbeitslosigkeit steigt
mit der Coronavirus-Krise massiv:
Seit den Geschäftsschließungen
und Ausgangsbeschränkungen ist
die Zahl der als arbeitslos ge-
meldeten Menschen um 97.
gestiegen, teilte der Vorstand des
Arbeitsmarktservice (AMS), Jo-
hannes Kopf, am Freitag via APA
mit. Von den neuen Arbeitslosen
kommen 36.000 aus Tourismus
und Fremdenverkehr, 11.000 vom
Bau und 9000 aus dem Bereich
„Sonstige wirtschaftliche Dienst-
leistungen“, das sind hauptsäch-
lich Arbeitskräfteüberlasser, also
Leiharbeitskräfte.
Zum Vergleich: Ende Februar
waren in Österreich fast 400.
unselbstständig Erwerbstätige
ohne Erwerbseinkommen (inklu-
sive Schulungsteilnehmer). Wie
eine Rakete geht auch die Kurz-
arbeit ab: Mehr als 18.000 Un-
ternehmen haben wegen der Co-
vid-19-Kurzarbeitsregelung beim
AMS Anträge auf Kurzarbeitsbei-
hilfe gestellt bzw. Interesse signa-
lisiert.
Darunter auchder Anlagen-
baukonzern Andritz, erfuhr DER
STANDARDin Unternehmenskrei-
sen.„Ja,wirhabenfürdierund
Mitarbeiter in ÖsterreichKurz-
arbeit angemeldet“, bestätigtAn-
dritz-SprecherMichaelBuchbauer.
Dies abernur als Vorsichtsmaß-
nahme,um möglicherweise kom-
mende Auslastungsschwankungen
abfedern zu können.
Für drei Monate Kurzarbeit an-
gemeldet hat Österreichs größter
Baukonzern, die Strabag. Damit
wird die zuvor angekündigte Kün-
digungswelle gestoppt. Man re-
agiere damit auf das neue Corona-
Kurzarbeitszeitmodell der Regie-
rung. Das „Gespenst der Kündi-
gung aller Mitarbeitenden“ sei da-
mit vom Tisch, teilte Strabag-Chef
Thomas Birtel am Freitag mit.
Der Unternehmenschef erklär-
te, dass der Schwenk auf die
verbesserten Rahmenbedingun-
gen der Kurzarbeit zurückzufüh-
ren sei. „Wir haben Kurzarbeit zu
tragbaren Bedingungen immer als
die bevorzugte Lösung angesehen
–diese Bedingungen sind jetzt ge-
schaffen worden.“ Bis zur Schaf-
fung der neuen Bedingungen habe
man das Risiko für das Unter-
nehmen mit seinen tausenden
Arbeitsplätzen verringern müssen
und die Mitarbeiter zunächst
„höchst vorsorglich beim Früh-
warnsystem des AMS angemel-
det“. Wie viele Mitarbeiter von der
Kurzarbeit betroffen sein werden
und um welche Bereiche es gehe,
werde in den nächsten Tagen ent-
schieden, hieß es aus der Strabag.
Unterstützung kommt von den
Arbeitnehmervertretern: „Damit
kommen auch unsere wichtigsten
Forderungen und Bemühungen,
die der Betriebsrat in enger Zu-
sammenarbeit mit den Gewerk-
schaften gesetzt hatte, zu einem
positiven Abschluss“, so Omar Al-
Rawi, Vorsitzender des Angestell-
ten-Betriebsrats in Österreich. Die
Arbeit auf rund tausend österrei-
chischen Baustellen ist einge-
stellt. Strabag hat in Österreich
rund 11.000 Mitarbeiter, konzern-
weit fast 77.000. (ung, APA)
durch Deutschland durchreisen.
Stand jetzt. Er wisse von Betrie-
ben, die üblicherweise sloweni-
sche Erntehelfer beschäftigen. Die
seien samt und sonders gleich gar
nicht erschienen.
Die Angst vor der Ansteckung
geht auch in anderen Ländern um.
Seine eigenen Söhne, der eine
Student,derandereMusiker,wür-
den derzeit am Hof aushelfen.
Ganz sicher werde man aber auch
beim Arbeitsmarktservice vorstel-
lig werden, immerhin gäbe es ja
auch die Tausenden neu dazuge-
kommenen Arbeitslosen.
Ab-Hof-Verkaufboomt
Der Salzburger SPÖ-Landesge-
schäftsführer Hannes Mathes, der
selbst eine kleine Landwirtschaft
mit ein paar Milchkühen in Bad
Ischl betreibt, meint, dass man als
kleiner Bauer jetzt Vorteile habe.
„Wir helfen zusammen, das war
aber auch schon vor der Krise so.“
Mathes ist gerade damit beschäf-
tigt, Mist auszuführen, gemein-
sam mit anderen Landwirten aus
der Gegend. Er geht davon aus,
dass die Krise dazu führt, dass die
Direktvermarktung für mehr
Bauern eine Alternative wird.
„Das wird zunehmen und ist auch
B
ald sprießt der Spargel, nur
die Arbeitskräfte könnten
fehlen, um ihn in zwei Wo-
chen zu stechen. Im niederöster-
reichischen Marchfeld, im Efer-
dinger Becken in Oberösterreich,
mancherorts auch in der Steier-
mark brennt der Hut. Die steiri-
schen Krenbauern etwa werden
die Nächsten sein, die ihre Feld-
früchte aus der Erde holen–ohne
Erntehelfer wird das schwierig.
Rund 5000 Stecher, Pflücker
und Brocker fehlen den Betrie-
ben, bestätigte am FreitagLand-
wirtschaftsministerin Elisabeth
Köstinger(ÖVP). Der Bedarf wird
in der kommenden Erntesaison
noch steigen. Um dem Arbeits-
kräftemangel zuvorzukommen,
wurdeeine Vermittlungsplatt-
form (dielebensmittelhelfer.at)
aufgesetzt. Gesuchtwerdenhier
vor allem junge Leute ohne Be-
treuungspflichten, etwa Studen-
ten.Hier gibt es Sondervereinba-
rungen mit der Vetmed und der
Boku, die Erntehilfe kann als
Praktikumangerechnet werden.
Dass Zivildiener auf die Felder
geschickt werden, schließt Kös-
tingerhingegenaus.Diesewürden
im Gesundheits- und Pflegesektor
zum Einsatz kommen.
Noch „brennender“ wird die Si-
tuation in der fleischverarbeiten-
den Industrie. Dort sucht man
händeringend nach 9000 Schlüs-
selkräften, die über die Plattform
vor allem durch Gastronomiean-
gestellte mit entsprechender Aus-
bildung ersetzt werden sollen. Zu
guter Letzt wollen die heimischen
Lebensmittel auch an Herr und
Frau Österreicher geliefert wer-
den –hier bedarf es zusätzlicher
Lkw-Fahrer. Bezahlt wird von den
Betrieben nach den gängigen Kol-
lektivverträgen. Bei wirtschaftli-
chenSchwierigkeitenerhaltendie
Landwirte Hilfe aus dem 38-Mil-
liarden-Paket der Regierung.
Betroffen vom Arbeitskräfte-
mangel ist auch Werner Brugner,
Direktor der steirischen Landwirt-
schaftskammer, der selbst einen
kleinen Spargelbetrieb sein Eigen
nennt. „Die Sorge bei den Bauern
ist groß“, sagt Brugner: „Manche
kommen ohne die Erntehelfer, die
etwa aus Polen, Slowenien oder
Ungarn sind, nicht aus.“ Es sei
eine komplizierte Gemengelage
aus Ein-, Aus- und Durchreisebe-
schränkungen–und Angst. Die
Lage ändere sich stündlich. So sei
der Zufluss aus Ungarn quasi ab-
gerissen, die Polen dürfen wieder
eine Chance.“ Beim Bauernbund
kann man das bestätigen: „Der Ab-
satz verdoppelt und verdreifacht
sich mancherorts“, kommt man
dort aus dem Staunen nicht mehr
heraus.
Andernorts fehlen die Umsätze.
Milch sowie Schweine- und Rind-
fleisch leiden unter einem Preis-
verfall. „Ausg’steckt“ ist auch
nicht mehr: Die Landwirte bekla-
gen den Verlust ihrer Nebenein-
künfte, bei Buschenschank und
im Tourismus fließt kein Geld
mehr. Rund 55 Prozent der Land-
wirtschaftsbetriebe werden laut
Bauernbund im Nebenerwerb ge-
führt.
Ein Lied davon kann etwa Mar-
kusMusserausFreundorfimTull-
nerfeld singen. Er hat dort einen
Heurigen im Familienbetrieb
„und der macht leider den Groß-
teil unserer Umsätze aus“, wie der
Landwirt erzählt. Auch er hat in-
zwischen mit dem lokalen Gemü-
sehändler einen Lieferbetrieb auf-
gesetzt, der den wirtschaftlichen
Verlust aber nur zum Teil auffan-
gen kann. Vom Arbeitskräfteman-
gel sind die kleinen Familienbe-
triebe in der Gemeinde hingegen
nicht betroffen: „Wir können das
alles selber bewerkstelligen.“
Den Landwirten fehlen Erntehelfer,Schlachtbetriebe suchen Spezialisten, Speditionen Lkw-Fahrer.
EineVermittlungsplattform der Landwirtschaftskammer soll nunAbhilfe schaffen.
Bauer sucht Spargelstecher: Den Landwirtengehenvorallem aufgrund der verschärftenEinreisebestimmungen rund 5000 (meist)ausländische Erntehelfer ab.
Foto: APA/Fohringer
Regina Bruckner, Tobias Kachelmeier
DieSuche nach den Spargelstechern
Die Strabag hat wie viele andere
Kurzarbeit angemeldet.
Foto: Reuters/Bader
Joseph Theurer,
Gründer des Gleis-
baumaschinen-
Konzerns Plasser &
Theurer mit
Stammwerk
in Linz, ist im 91.
Lebensjahr verstorben. Er hat das
Unternehmen, das weltweit 4000
Mitarbeiter beschäftigt, in den
1950ern mit Franz Plasser aufge-
baut und geführt. Seit 2011 leitet
Enkel Johannes Max-Theurer die
Gesellschaft. (red) Foto: HO
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