Frankfurter Allgemeine Zeitung - 09.03.2020

(singke) #1

SEITE 10·MONTAG,9.MÄRZ2020·NR.58 Musik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


E


ineswar nachTom Pettys
unerwartetemTod (F.A.Z.vom4.
Oktober 2017) klar:Tom
Petty &The Heartbreakerswür-
de es nicht mehrgeben.War derRestder
MannschaftamEnde etwa nochfroh, den
Chefloszu sein? Daswohlnicht.Aber dass
die dochetwasfloskelhaften Kommentare
der Hinterbliebenensogar nicht ins oftet-
wasverlogene Gefühligkeitsschema der
Unterhaltungsmusik passten, fiel auf. Eine
gewisse Reserve ge genüberPetty warindes
schon inPeterBogdanovichsDVD-Doku-
mentation „Runnin’DownADream“
(F.A.Z.vom9.Juli 2008)mit Händenzu
greifen, indemdortauchdeutlic hwurde,
dassPettysMaxime, Musiziervermögen im
Zweifel überFreundschaftenzustellen, ir-
gendwann nachhinten losging: Jedeskom-
petenteBandmitglied–und nur solche dul-
dete der Meister–musste sichfragen, war-
um es eigentlichkeinegrößere Rolle spie-
len durfte; Petty sangund schrieb ja so gut
wie alles selbst underlebteseine größten
kommerziellenErfolge„solo, but not
alone“, wie einAufkleber auf „Full Moon
Fever“ (1989) das ausdrückte.Aushielt
man es trotzdem bis zuletzt miteinander,
wenn man davonabsehen darf,dassder
SchlagzeugerStanLynchnachseinemAus-
tauschdurch den in derTat gewaltigeren
SteveFerrone eingeacht eter Produzent
wurde, der Bassist Howie Epstein bald
nachseinemRauswurfallerdings starb
(F.A.Z.vom26. Februar 2003).
DieFrage,was sonst so au sden Heart-
breakerswürde, kann nu neiner ersten Be-
antwortun gzugeführtwerden:MikeCamp-
bell machtdaweiter, wo TomPetty nicht

aufgehörthat.Dieser Supergitarrist,der
kürzlich siebzi gwurde ,konntesichmit sei-
nem aberwitzig schneidenden,präzisen
Spiel nebenPetty mehr als behaupten; an-
dereals technischeFreiheitenhatteeraber
nicht .Mit dem Heartbreakers-Ableger The
Dirty Knobsist er sei tfastfünfzehn Jahren
in Los Angeles zugange;nun is toffenbar
der Momentgekommen, ausder Deckung
zu tr eten. „WrecklessAbandon“ erscheint
mit seinem Klaus-Voormann-Coverkom-
mende Wocheund is tabwechslungsrei-
cher geratenals die meistenTom-Petty-
&-The-Heartbreakers-Alben, natürlich,
ohne dabeidas stilistische Herkommen zu
leugnen. Der wuchtigeEinstie gmit dem
sechsminütigenTitelsong gibtdie Parole
aus: mehr Blues- alsFolkroc k, mehr struk-
turelle Klarheit als Psychedelic ,also mehr
Rolling Stones als Byrds. Vollend szeigt
dies derdeftige Country-Shuffle „Pi stol Pa-
ckin’Mama (feat. Chris)“, der wohl sogar

nochauf „StickyFingers“ und„Exile On
Main St.“positiv aufgefallen wäre.Esver-
steht sich, dassCampbell mitseinendrei-
zehn Kompositionen überhauptkeinen
Neuerungsanspruch anmeldenkann; es ist
eine reine Rock’-n’- Roll-Platte geworden,
diedas Genregekonnt auffächertink narzi-
genBlues („Don’t KnockThe Boogie“),ef-
fektvollverzöger te Powerballaden(„I Still
Love You“), minimalistische, nach
J.J. Cale klingende Spielweisenmit Lo-
well-George-Obertönen(„FuckThat
Guy“), Zärtlich-Fragiles („Anna Lee“),
wenn dasselbstgeschriebeneMaterial
nicht gleichmit einer Entschlossenheit in
Grund undBodengestampf twird(„Su-
gar“,„Loaded Gun“),für die Campbell im-
merschonzuhabenwar.Dererstaunlichs-
te Beitrag ist„Iris hGirl“ ,einerdieser
schwer aufeinen Nenner zu bringenden
Hybriden, wie ihn Mink DeVillegleich rei-
henweiseauf ihrervonJackNitzsche soun-

nachahmlichproduziertenPlatte„Return
To Magenta“ (1978) hatten. Bei alledemist
Mike Campbell natürlich ein „Southern
Boy“ (weiterer Songtitel)geblieben, der,
wieder gleichfalls ausFloridagebürtige
Petty,das Lauernd-Fiebrigemitder Mutter-
milchaufgesogen habenwird. Dasssein au-
ßerordentli ch gelungener Einstand stellen-
weisenachden jüngstüberraschen dwie-
dervereinigten, im Oktober auchin
Deuts chland zu hörenden Black Crowes
klingt ,ist auchdem Ko-Produzenten
Geor ge Drakoulias zuverdanken.
Es is tsooffensichtlich wieerfreulich,
dass diesem unveränder tdurchschlags-
kräftigen Gitarristen, der sichmehr als
vierzi gJahre lang mit der Sideman-Rolle
begnügthat, die Führung einer Band
ohne weiteres liegt, andersals dem natür-
lich nichtminderversiertenUr-Heart-
brea kerund Tastenmann Benmont
Tench, dessen Solodebüt„YouShould Be
So Lucky“ (2014)dochetwas akade-
misc hund hüftsteif ausgefallen ist,weit
entferntvonder geradezu überwältigen-
denSpielf reude des alten Heartbrea-
kers-Buddy. Sogar das Singen erledigt
Campbell mitgaumigerStimmetadellos,
mal gequält wi eRandyNewman, malge-
tragen wiePete Drog e–ein Mann, der
sich,altersgemäß, nochgenugtraut,
abe rsich nicht zu viel zumutet.Lang
lebendie Heartbrea kers! EDO REENTS

Im Herbst2018 ballt sichdas Gesichtvon
Trumps Amerikazur Faustund spuckt
Gift. „Ichmag Bier,Senator! Mögen
Sie Bier,Senator?“ Die hasserfüllteMiene
BrettKavanaughs, des zornroten Su-
preme-Court-Richtersinspe, is tals Phy-
siogramm einesPatriar chats in Erinne-
rung geblieben, dessen Anführer der
mächtigste Mensch der Welt ist. Andert-
halb Jahreist es jetzt her,dassder Trump-
Kandidatvor einemKongressausschuss
schimpfte,dessenrepublikanische Mehr-
heit vonvornherein wusste, wie es ausge-
hen würde: mit dergrößten Beförderung
in Kavanaughs Leben.
Vondiesem hässlichen Spektakel han-
delt der Song „Cabin“ auf demgrandio-
sen viertenAlbum der Secret Sisters.
Nicht namentlich, aber sinnbildlich.
Denn nochein Gesichtwardamals auf
den Bildernund Videos zu sehen. Esge-
hörte der Anklägerin, der Psychologiepro-
fessorin Christine BlaseyFord, die sich
mit ihremVorwurf, der spätereRichter
habesie als Schüler auf einerPartyzuver-
gewaltigenversucht, in ein gnadenloses
Ideologietheater hineinwagte. Kava-
naugh höhnte siegesgewiss, er habegern
Bier getrunken, mehr nicht.Die Republi-
kaner glaubten’sgern.
Während in der Hauptstadt die Anhö-
rung stattfand, saßen Lauraund Lydia Ro-
gers fernab im anderenWashington, dem
Bundesstaat, und schrieben: „He did not
have permission/But he had hisway/If I
tell his secret /Theywon’tbelieve me any-
way.“Der Song, der darausresultierte,ist
ein aufwühlendes Groß-Crescendogewor-

den. In der zweiten Hälfte schleuderteine
E-Gitarre einen Hurrikanvon Solo zwi-
schen den Harmoniegesang, dergelegent-
lichandas schwedische Schwestern-Folk-
duo FirstAid Kit erinnert. Viel Wut
bricht sichdaBahn. Im Gegensatz zu der
des Richterswirkt siekathartisch.
„Cabin“ lodertmit heißemFurorund
endetwahrheitsgemäß.„Afirerages in-

side me/Itdoes notfeel likehome /The
one who did the damage/Carries on.“ Die
Geborgenheit,die de rSongtitel zu be-
schwören scheint (waldeneskeHütte, viel-
leichtkaminbefeuert) mutiertzueinem
Haus-, einemWald- undWeltbrand. Und
der Ausgangspunkt,singen die Schwes-
tern,sind wir;wenn ihr uns zu Hause an-
greift, wersoll danngarantieren, dasswir
unserZuhause nicht niederbrennen?
„Makes mewant to burnthis cabin down.“
Die Metapher des fremdgewordenen Do-
mizils istrealistischergrundiert,als man
vielleichtvermutet.Weil sic hnach derKa-
vanaugh-Anhörung die Drohungengegen
Blasey Ford häuften, mussten sie und ihre
Familie umziehen.
Wäre das Label nicht so abgenutzt,
müssteman „Cabin“ als eine der besten
MeToo-Hymnen überhauptbezeichnen,

weil es dem sozialenWundbrand ehrliche
Würde verleiht, ohnefälschlichMilde-
rung vorzutäuschen.Aber an diesem Al-
bum istüberhauptnichts abgenutzt.Esist
vermutlichdas beste Americana-Werk
des bisherigen Jahres.
Der musikalische Aktivismus der Se-
cret Sisters kommt dabei ohne ästheti-
sche Kompromisse aus. IhreLyrics sind
kunstvoll ungekünstelt, ihreHarmonien
meisterhaft. An den Höhepunkten sind
sie erschlagend schön, man höreetwadie
geradezu unerträgliche, perfekt eingesetz-
te Pa use inKombination mit dem drei-
stimmigenFinale von„TinCan Angel“,
für das sichKo-Produzentin und Gastge-
berin Brandi Carlile–das Album wurde
in Carliles Heimstudio nahe Seattle einge-
spielt–mit ans Mikrofonstellt.Wer so
schreibt und arrangiert, brauchtkeinen
Engelschor für den Soundtrackder Trans-
zendenz.
Textlichist „SaturnReturn“ einFeuer-
werk an folkromantischer Subjektivität,
in dessen Grundtönen die Lebensphasen
der Weiblichkeit aufscheinen. ImAuftakt-
song, „Silver“, steht wie ein Epigraph der
hübsche Vierzeiler:„Look upon your
mother/The sil verinh er hair/Consider
it acrown /The holiestmay wear.“ So-
wohl Lydia als auchLauraRoger shaben
im vergangenen Jahr ihr erstes Kindgebo-
ren, kur zzuvor hatten sie innerhalbweni-
gerTagebeide Großmütterverloren.
Leben,Tod, Familie –anhand des Mut-
terthemas lassen sichdiese Topoi bestens
erzählen.Vorallem: in alle Richtungen.
Es gibt ja Songzeilen, die man selbstdann

nicht überhörenkann, wenn mangerade
nicht auf denText achtet.Soeine Zeile
steht in der Bridgedes letzten Songs.
Gerade mal eine Minuteist vomAlbum
nochübrig, als es in „Healer in the Sky“
heißt:„I’ll take my chances on the can-
cer...“Indem Liedgeht es umNächsten-
liebe, die gute,gesunde Zwischenmensch-
lichkeit.Und dann diese Andeutung –
Lauertder Krebs in meinen oder deinen
Genen? –, in der selbstschon ein Ent-
schlusssteckt.
Auf„cancer“ reimt sich: „I livedmy life
and Ifound the answers“. Dann: „I don’t
have adoubt youwill be alright /’Cause I
knowthere’sa healer in the sky“.Komme,
waswolle, letztlichbleibt uns doch nichts,
als froh auf diese übleZukunftzuzusteu-
ern. Das lässt denAtheisten nochnicht an
den Heilandglauben,aber auchohne nu-
minoseBehütungbegreif ter, wie dieVer-
nunftmanchmal völlig inadäquat und
eine womöglichfolgenschwereEntschei-
dung dierichtigesein kann.
Darin liegt dasgroße „Ja“von„Saturn
Return“: im Glauben an die nochunab-
sehbareKonvaleszenz.Die SecretSisters
verstehen den schmerzhaften Fall, der
davorkommt, und lieferneines der
stärksten Schwächebekenntnisse der jün-
geren Vergangenheit.Aneiner Stellesin-
gensie: „I’mnot arobot/I’mahuman /
I’mnot built to bearthe weight /And I
struggle with admitting whenIneed to
walk away/I’mgettin’nowhere, baby.“
Dieses Nichts istkein Fatalismus. Es ist
die selbstbewussteOhnmachtvorder Er-
mächtigung. CORNELIUS DIECKMANN

„Ichwollteeskeinem anderen über-
lassen, meine Zuhörer unter Be-
schus szunehmen, und nachdem ich
denBösenmiteinerletztenSalveder
Blechbläser angekündigt hatte, dass
nun derAugenblickdes Heulens und
Zähneknirschensgeko mmen sei, lan-
cierte icheinen so hartenTamtam-
Schlag, dass die ganze Kirche er zitter-
te“–das berichtet der einundzwanzig-
jährigeBerliozkurz nachder Urauf-
führung seiner Messe solennelle in
der Pariser KircheSaint-Rocheinem
Freund. DieRede is tvon der Szene
des JüngstenGerichts, zuwelcher der
Komponistdie Textpartie des Credo
geformthat, dievonChristiWieder-
kehr als Richter am Ende derZeiten
handelt.Berlioz’Brief istein Grün-
dungsdokument der Moderne, das
dem Künstler ebenso ästhetischwie
gesellschaftlicheine neueRolle zu-
schreibt.Mit dem Tamtam-Schlag
überschreitet es die Grenze derFik-
tio nindie reale Erschütterung des
Raumes: Eine poetische Ideesoll, dis-
tanzsprengend, furchtbarephysische
Gegenwart werden. Undmit der
Scheidung der Bösenvonden Guten
schreibt es demKünstler dieRolle
des Richterszu–zudem inkaum ver-
hüllter Christus-Imitation.
Der AttackeaufsPublikum, das
mit aller Macht zumVerstehen ge-
zwungenwerden soll, ging eine ande-
re Attackevoraus: Das „Kyrie elei-
son“, das „Herrerbarme Dich“ des
ersten Satzes der Messe, begann mit
einem (scheinbar) konventionellen
Fugato, dem ein fast idyllisches
„Christe eleison“folgte. Die übliche
Kyrie-Wiederholung aber wartete
nicht mit Besinnlichkeit auf, sondern
mit Beschleunigung undVerdichtung
des Materials bis hin zu frenetischen,
im verdoppeltenTempogeradezu her-
ausgeschrieenen kleinen Sekunden
in Achtelk etten –und riss dann auf
dem Höhepunkt derSteigerung ab.
Alles warschon hier aus den Propor-
tionengefallen.GottesGnadeund Er-
barmen wurden nicht demütig er-
fleht, sie sollten in einemKampf,
gleic hJakobs alttestamentlichem Rin-
genmit dem Engel, herbeigezwungen
werden.
Berlioz hat in seinen Memoiren be-
hauptet, diesesextreme Jugendwerk
späterverbrannt zu haben.Das gilt al-
lenfalls für eine zweite, überarbeitete
Fassung, die er zuvorregelrecht aus-
geschlachtet hatte: BedeutendeTeile
gingen in seine späterenKompositio-
nen ein–sodie mächtig erweiter te
Szene des JüngstenGerichts in sein
Requiem. DasAutograph derUrauf-
führungsfassung von1825 aber
schenkteer1835 einem belgischen
Freund. 1991tauchteesauf einer Ant-
werpener Orgelemporewieder auf.
Mit beträchtlichem Ehrgeiz sicherte
sichJohn EliotGardiner die Erstauf-
führung im Herbst1993, vonder als-
bald eine CD erschien.Fast zeitglei-
cheCD-Produktionen ausFrankreich
und denVereinigtenStaaten hatten
dagegenkaum eineRezeptions-Chan-
ce. Riccardo Mutis Engagement für
das Werk bei den SalzburgerFestspie-
len 2012 und mancher andereVer-
suchblieben letztlichfolgenlos.
Nunhat, mehr als einVierteljahr-
hundertnachGardiner,Hervé Niquet
mit seinem „ConcertSpirituel“ eine
neue, in derVersailler Chapelleroya-
le realisierte A ufnahmevorgelegt.
Hören wir gleichindie Kyrie-Be-
schwörung hinein: Beide, Gardiner
wie Niquet, wissen nur zugenau um
die Realisierungsprobleme einer
solchangespannten Musik,und beide
packensie bei den Hörnern.Aber
während Gardiner einestarrmecha-
nisierte Version anbietet,die das oh-
nehin schonÜberspanntenochzu
überziehen sucht,gelingt Niquetbei
(fast)gleicher Präzision eine vielwe-
niger distanzierte, enthusiastischeLö-
sung voller Fluidität und Empathie.
Erstmals wirddem Befremdlichen
eine Brücke zu einem Publikumge-
baut, auf das auchder kompromisslo-
se Berlioz all seine Hoffnungen setz-
te.Nique twählt flüssigereTempi.
Während Gardiner das „Gratias“ aus
dem Gloria, das später in den langsa-
men Satz der Symphoniefantastique
eingehen sollte, wie ein Zitat aus die-
sem Werk sehr zerdehnt zelebriert,
wählt Ni quet ein frischesZeitmaß die-
ses leicht schwebenden Sechsachtel-
Satzes, dervonseiner melancholi-
schenVerwendung in der Symphonie
nochnichts weiß. Undsogeht eswei-
ter: überall eineglücklicheWahl der
Tempiund der Binnenrelationen die-
ses höchstabenteuerlichen Stücks,
vombrillanten Chorgarnicht zure-
den. GardinersInterpretation in ih-
rerbesserwisserischenStarrheit er-
scheint aus neuerPerspektivefastals
ein Rezeptionshindernis–ein Angst-
gegner,der nun überwunden sein
könnte. KLAUS HEINRICHKOHRS


Nachdem Todseines langjährigen
KeyboardersLyleMaysimFebruar
schaut man nochaufmerksamer auf
PatMethenys neuen Pianisten
Gwilym Simcock, der aber auf „From
This Place“ (Nonesuch/Warner),
dem neuen Album des Gitarristen,
unauffällig bleibt.ImVorder grund
steht natürlichdie butterweiche Gi-
tarredes ewig jugendlichen Ringel-
pulliträgers, dochleider hat Metheny
sichentschlossen, seine zehn neuen
Kompositionen mitflauschigenStrei-
cherar rangements der HollywoodStu-
dio Symphonyaufzurüschen. Das
drängt sein phantastisches Quartett,
zu dem außerdem der Schlagzeuger
Antonio Sanchez und die Bassistin
Linda MayHan Oh zählen, unnötig
in den Hintergrund und machtvoral-
lem den überlangen Auftaktsong
„AmericaUndefined“ zur Gedulds-
prob efür den Hörer.Imweiteren Ver-
lauf gelingen Methenyaber auch
nochbesser eStücke:Die Ballade
„You Are“ entwickelt einenhypnoti-
schen Sog, und Meshell Ndegeocello
veredelt denTitelsong mit ihrem ent-
rückten Gesang. roth


Im Stadtschlossbeherbergt die Klas-
sik StiftungWeimar eine kostbare
SammlungvonTasteninstrumenten
des achtzehnten und neunzehnten
Jahrhunderts.Um auf diesen Schatz
aufmerksam zu machen, haben die
Pianistin Liese Klahn und der Cellist
PeterHörrdie kompletten fünf Sona-
tenfür Klavier und Violoncello von
Ludwig vanBeethoven auf zwei
CDs mitverschiedenen Flügeln aufge-
nommen (arsvobiscum). Am schöns-
tenklingt das Instrument des mit
BeethovenbefreundetenKlavierbau-
er-EhepaarsStreicher in den zwei So-
naten op. 5. SeinTonhat Tragfähig-
keit und Wärme,wohingegen derTon
des Baerwind-Flügels in der Sonate
op. 69 eherperlt als singt und der Flü-
gelvon Friedric hHippe weitaus inti-
mer,zerbrechlicher wirkt als derStrei-
cher-Flügel.Fürdie zwei späten Sona-
tenop. 102 passt er jedochrecht gut.
Klahn und Hörr, auf einem Vuil-
laume-Cellovon1840, verlieren in
der Feingliedrigkeit dieser Musik,die
dochmit zahlreichenAttacken ge-
spickt ist, nicht dieRuhe. Das Cello
singt zuweilen wunderschön imTe-
nor,weil es durch den satten Klavier-
klang entlastetist vonder Pflicht,
den Bassstützen zu müssen. jbm.


Dem Independent-Label Soul Jazz
Records sind immer wiederfaszinie-
rende Entdeckungen zuverdanken.
GründerStuartBaker istein Pr otot yp
des „CrateDiggers“, eines unverbes-
serlichen Plattensammlers, der in
den entlegenstenVinyl-Shops auf der
ganzenWelt nachseltenenAufnah-
men stöbert. Der jüngste Fund führt
uns ins Nigeria der späten sechziger
Jahre. Àpàlà heißt diestarkinafrika-
nischen und islamischen Musiktradi-
tionen wurzelnde Richtung, die da-
mals sehrbeliebtwar(neben denhier-
zulande viel bekannterenStrömun-
genwie Fuji, Highlifeoder Afrobeat).
Àpàlàgreiftauf nichtwestliche Instru-
mentewie etwa das Daumenklavier
zurück–man wolltesichauchindie-
ser HinsichtvombritischenKolonia-
lismus lossagen.Das Perkussivedomi-
niert; gesungen wirdimYoruba-Dia-
lekt;die repetitiven Rhythmen haben
suggestiven, tranceartigen Charakter,
und dieNasal-, Zungen- und Gaumen-
lauteerinnernteils anreligiöseRezi-
tationen. Der wichtigste Protagonist
des Stils warder 1919 in Ijebu-Igbo,
unweit vonLagos,geborene Haruna
Ishola. Ihm begegnetman auf dieser
ersten Zusammenstellung vonÀpàlà-
Stücken außerhalb Nigerias immer
wieder,als ein denStil mitdefinieren-
der Musiker oder alsTaktgeber für an-
dere. „Àpàlà Groups in Nigeria
1967-70“ isteinelohnenswerteakus-
tische Zeit- und Forschungsreise,
auchdank des hervorragendgestalte-
tenBooklets. urü.


Neue Musikgeht so: Entweder Jubel
in Donaueschingen, weil Vernei-
nung, oder Buhrufe,weil ein Drei-
klangvorkam. Auf ManfredTrojahn ,
Jahrgang 1949, trifft letzteres zu. Sei-
ne zweiteSymphoniefiel 1978kom-
plett durch:Zuviele Noten. Das sorg-
te bei ihm aber für ein „Jetzt-erst-
recht“ .Heuteist er gleichnachWolf-
gang Rihm derammeistenaufgeführ-
te Komponistder um 1950geborenen
deutschenNeoexpressionisten. Sein
„ Streichquartett Nr.2mit Klarinet-
te und Mezzosopran “(Wergo) auf
Gedichtevon GeorgTrakl, exempla-
rischvom MinguetQuartett, Thors-
tenJohanns (Klarinette) und Tanja
Ariane Baumgartner (Mezzoso-
pran) eingespielt, entstand parallel
zur zweiten Symphonie. Es istberü-
ckendschön! Melancholisch, aufbrau-
send, inStille abstürzend!Trojahn
knüpftanArnold Schönbergs zwei-
temStreichquartett nicht nur durch
die hinzugefügteGesangsstimme an,
sondernlässt in der Klarinette einen
ewig sic hverabschiedenden Brahms
mitschwingen. im

The Dirty Knobs:
„Wreckless Abandon“.
BMG Rights

TheSecret Sisters:
„Saturn Return“.
NewWestRecords/
Pias-RoughTrade

Hector Berlioz:
MesseSolennelle.
Le ConcertSpirituel
u. a., Hervé Niquet.
AlphaClassics 564
(Outhere/Note1).

Im Dickicht des Südens,wo die Rolling Stones und die BlackCrowessich„guteNacht“ sagen: The Dirty Knobs FotoPamela Littky

Das Leben


nachdem Tod


Washingtons Waldeinsamkeit


Wastun, wenn die Hütte brennt? SingenvorWut:Das Duo The Secret Sisters und sein Album „SaturnReturn“


Auch das noch


TomPettysersterund letzterGitar rist


Mike Campell entlässtsichmit Hä rteund


Entschlossenheitin dieSelbständigkeit.


Den Raum


erschüttern


Hervé Niquetdirigiert


die Messe solennelle


vonHector Berlioz


Auseinem


Schlossvoller


Flügel

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