SEITE 16·MONTAG,9.MÄRZ2020·NR.58 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
Die amerikanische Journalistin Mekita
Rivas sorgtedieser Tage für Gesprächs-
stoff, als sie behauptete,mit den 500
Millionen Dollar, die Michael Bloom-
bergfür seinen gescheitertenWahl-
kampfausgab, hätteman jedem der
374 Millionen Amerikaner eine Million
Dollar schenkenkönnen und eswäre
immernoch Geldfür Bloombergübrig
geblieben.Frau Rivas hat es nicht so
mit der Mathematik, aber dieVorstel-
lung, durch UmverteilungvonReichen
zu Armen ließen sichgewalti ge Sum-
men mobilisieren, istnicht nur unter
Anhängern vonPolitikernwie Bernie
Sandersverb reitet,die mit dem Thema
Ungleichheitpunktenwollen.
IntellektuelleUnter stützung für eine
Politik kräftigerUmverteilungkommt
seit langem vondem französischen
Ökonomen Thomas Piketty,dessen im
Jahre2019 inFrankreichvorgelegtes
neues Buch„Kapital und Ideologie“
nun auchindeutscher Sprache er-
scheint.Wie seinvorwenigen Jahren er-
schienener,mittler weile berühmter Vor-
gänger „DasKapital im 21. Jahrhun-
dert“verbindetPiketty auchinseinem
aktuellenWerk,das auf mehrals 1300
Seiten kommt, höchstumfangreiche
wirtschaftshistorische Analysen mit po-
litischen Vorschlägen, die sichnicht
zwingend aus den wirtschaftshistori-
schen Betrachtungen ableiten lassen.
Piketty wendetsichentschiedenge-
gendie Vorstellung,Ungleichheit sei
eine notwendigeErscheinung wirt-
schaftlichen Erfolgs in einer auf priva-
temEigentum beruhenden Gesell-
schaft, in der dieReichen zwarreicher
sind als die Armen, wirtschaftlicher
Fortschritt aber nicht nur denReichen
zugutekomme. Stattdessen postuliert
er:„Eine wichtigeSchlussfolgerung aus
der historischen Analysewirdlauten,
dassesder Kampffür Gleichheitund
Bildungwar, derdie Wirtschaftsent-
wicklung und den menschlichenFort-
schrittmöglichgemachthat,nichtdie
HeiligsprechungvonEigentum,Stabili-
tätund Ungleichheit.“
SeineFurcht ist, dassein neuerNatio-
nalismus großen Schaden anrichten
wird, wenn der in den vergangenen
Jahrzehnten in vielen Ländernzuge-
nommenenUngleichheit der Einkom-
men und derVermögen nicht Einhalt
gebotenwird. Als unabwendba rsiehtPi-
ketty,der sic hselbstals Optimistenbe-
zeichnet, den Wegindie Düsternis
nicht .Sowie Pik etty liberales Denken
kritisiert, so lehnt er eine materialisti-
sche Sichtweise der Geschichte, wie sie
den Marxismuskennzeichnet, ab. Ideen
sind demFranzosen wichtig; nachsei-
ner Ansichtkönnen sichVerhältnisse
ändern,wenn sichdie Ar tund Weise,
wie die Menschen über dieWelt den-
ken, ändert: „Es kommt in der Ge-
schichteganz entscheidend auf Ideen
und Ideologienan.“Nichts seivorbe-
stimmt, und angesichts der vielen Be-
drohungen unsererWelt müsse schnell
gehandeltwerden.
Mit der Bedeutungvon Ungleichheit
als einer wichtigenTriebkraftdes zeit-
genössischenPopulismus nenntPiketty
einen Punkt, den auchandereSozialwis-
senschaftler unterschreiben würden.
Der Franzoseist kein Gegner der Glo-
balisierung, der er eine Artjanusköpfi-
genCharakter zuweist: „Zwischen dem
Sockelund der Mitteder globalen Ein-
kommenspyramide sind die Einkom-
mensunterschiede kleiner,zwischen
der Mitteund derSpitze sind siegrößer
geworden. Der eine Aspekt der Globali-
sierung istsoreal wie der andere.“
Aufdie Möglichkeit, mitRezepten
traditionellersozialdemokratischer Par-
teien auf die Herausforderungen unse-
rerZeit zureagieren,vertraut Piketty
nicht :„Das sozialdemokratische Pro-
gramm hat nachdem Scheiterndes
Kommunismus nie ernsthaftversucht,
die Bedingungengerechten Eigentums
neu zu denken.“ So habe ihreBildungs-
politik die Sozialdemokraten zur „Par-
teider Hochgebildeten“ gemacht–nur
habe man darüber die „benachteiligten
Schichten“verloren.
Nein, Piketty will radikalervorge-
hen, und es istgerade seinVertrauen in
Ideen und Ideologien,das ihm den Flug
seiner Gedankengestattet. In einer Ide-
enwelt, in der es Markt undWettbe-
werb, Gewinn und Lohn,Kapital und
Schulden,Steuerparadiese undWettbe-
werbsfähigkeit „als solche“ garnicht
gibt, weil sie lediglich„soziale und his-
torische Konstruktionen“ darstellten,
fällt es leicht, dieWelt anderszuden-
ken.
In seinerVorstellung eines „partizipa-
tiven Sozialismus“existiertnur noch
ein „soziales und temporäres Eigen-
tum“ sowie eineVermögens teuer,de-
renSatz bis zu 90 Prozentreicht .Mit
den so eingenommenen Mittelnkönn-
tenjungeMenschen eineAusstattung
von120 000 EurojeKopf erhalten. Alle
Einwände, die auftechnische Hürden
abzielen,weistPiketty mit der Grandez-
za desFreigeists zurück:Kapitalflucht
vonVermögenden aus einem Land sei
kein Problem,wenn man nur eine Art
internationalesFinanzkatasteranlege.
Traditionelle Ökonomen halten Pi-
ketty natürlicheine Unterschätzung
der Bedeutung vonAnreizen für
menschlichesVerhalten vor: Sowohl er-
folgreiche Unternehmer,denen man
dengrößten Teil ih resGewinnswegneh-
me, wie auchjungeLeute, denen man
einfacheinen sechsstelligen Betrag in
die Hand drücke,erhielten denfatalen
Eindruck, dasssichwirtschaftliche Leis-
tung nicht lohne. Dem hält Piketty zum
einen entgegen, dassdie Bedeutung des
Unternehmersfür den wirtschaftlichen
Erfolg überschätztwerde. Grundsätz-
lichmeint er,dassdie häufig speziali-
siertarbeitenden Ökonomen gegen-
über breiter sozialwissenschaftlichauf-
gestelltenKollegen benachteiligt seien.
Es is tunwahrscheinlich, dassPiketty
mit seinemneuen Buch die Fachwelt er-
obert. Bei MekitaRivas und vielen an-
deren Menschen, dievongrößerenVer-
änderungen träumen,könnte er mehr
Erfolg haben. GERALD BRAUNBERGER
Thomas Piketty:Kapital und Ideologie.
C.H. Beck. München 2020. 1312 Seiten. 39,
Euro
D
ie Corona-Epidemie bringt die
Eurozone an denRand einerRe-
zession.VieleReisen werden ab-
gesagt, manche Arbeitnehmermüssen
daheim in Quarantäne bleiben,inTei-
len der Industrie zeichnen sichLiefer-
engpässe ab.Während in China die
Zahl derFälle seit MitteFebruar zurück-
geht und einigehartgetroffene Betriebe
dieProduktion wieder aufneh-
men, steht uns in Europa der
Höhepunkt der Epidemie
nochbevor.Sie wirdvermut-
lichruhigerverlaufen als in
China. Bei uns gibt eskeine
Hubei-Region, in der sichdas
Viruszunächsteinen Monat
lang ungehindertausbreiten
konnte, bis die Behörden die
Gefahr erkannten. Dawestli-
cheDemokratien aber zu
Recht weniger drakonische Maßnah-
men ergreifen als diechinesische Dikta-
tur,kann es sein, dasswir andersals in
China deutlichlänger alsweiteredrei
Wochen brauchen, bis dieZahl der er-
krankten Menschen wieder zurückgeht.
Auch in Chinakönntesichdie Lage
abermalsverschärfen, sobald die Men-
schen wieder mehr reisendürfen.
Der schwere, aber letztlichwohldoch
zeitlichbegrenzteCorona-Schocktrifft
sowohl dasgesamtwirtschaftliche Ange-
botals auc hdie Nachfrage. Es wirdweni-
gerhergestellt undgekauft. Darankann
die Geldpolitik nichts ändern.Dennoch
solltedie Zentralbankihren Beitrag leis-
ten, dieFolgen der Epidemie einzugren-
zen. Kleinereund mittlereUnterneh-
men könnten hartgetroffen sein,wenn
Einnahmen einbrechen, während die
Kosten zumeistweiterlaufen. Deshalb
solltedie EZB Bankengroßzügig dabei
unter stützen, solchenUnternehmen
günstigeLiquidi tätsspritzen anzubieten.
Die EZB sollteihreInstrumente anpas-
sen undgezielt dafür einsetzen.Um grö-
ßereUnternehmen zustützen,könnte
sieihreKäufevonUnternehmensanlei-
henfür einigeMonate ausweiten.Zu-
dem mussdie EZB mögliche Spannun-
genimFinanzsystem verhin dern.In
Wirtschaftskrisen sind die Zweitrunden-
effekte, die sichbeispielswei-
se ausStörungen imFinanz-
großhandelzwischen Banken
odereiner Kreditklemme erge-
ben, oftmals schlimmer als
der eigentliche Schockselbst.
Bisher zeichnen sichsolche
Spannungennicht ab.Aber
notfalls müsstedie EZB hier
rasch und beherzt eingreifen.
Durch die Flucht der Anle-
gerinv ermeintlich sicher eHä-
fensind dieRenditen für viele Anleihen
nochmals abgesackt.Dies trifft manche
Banken zurUnzeit. Dieskönntedie Sor-
genumdie Folgen negativer Zinsenwei-
terschüren. Hierkönntedie EZB hel-
fen, indemsie ihrenStaffelzinsgroßzügi-
gergestaltet und durch einen höheren
FreibetragmehrBankeinlagenvonih-
remStrafzins ausnimmt.
Die Leitzinsen der EZB sind ohnehin
so niedrig, dassein klassischer Zins-
schritt nochtiefer in denrote nBereich
wenig Positives bewirkenwürde. Er wür-
de sic hhöchs tens dann anbieten,wenn
sichder Kurs des Euros kräftig aufwer-
tenwürde oder in einer nochtieferen
Krise die EZB mit einemgroßen Paket
ihreHandlungsfähigkeit demonstrieren
müsste, um eineVertrauenskrise abzu-
wenden.Aber so schlimm wirdes–hof-
fentlich–nicht kommen.
Der Autorist Chefvolkswirt bei Berenberg.
V
om 12. Januar 2021 an nimmt
die Nach haltigkeitsberichter-
stattung ein neuesAusmaß an.
Während die Berichterstattung
über diegeographischeVerteilung der Er-
tragsteuerbelastungvonKonzernen bis-
lang weitgehend nicht alsTeil derNach-
haltigkeitsberichterstattung angesehen
wurde,werden nun viele internationaltä-
tigeUnternehmen dazu übergehen (müs-
sen), derenSteuerzahlungen, -rückstellun-
genund Vor-Steuer-Ergebnisse auf Län-
derebene offenzulegen. Darüber hinaus
sind unter anderem Informationen über
die Anzahl der Mitarbeiter und die mate-
rielle Ausstattung derUnternehmensein-
heiten in denverschiedenen Ländernzu
geben. Die Bereitstellung dieser Informa-
tionen wirdimRegelfall über die Internet-
seiten derUnternehmen, somit frei zu-
gänglic hfür die breiteÖffentlichkeit,ge-
schehen. Ziel istes, allenStakeholdern
ein Urteil über eine „faire“Verteilung der
Steuerbelastung auf die einzelnen Län-
der,indenen einKonzerntätig ist, zu er-
möglichen. Immerhin lassen sichmit die-
sen Informationen auf den ersten Blick
leichtSteuerquoten berechnen.
DieseSteuerquoten sollenRückschlüs-
se auf einVerhalten zurSteuervermei-
dung (etwainFormder Verlagerungvon
immateriellen Vermögenswerten, zum
Beispiel Lizenzen, in Niedrigsteuerlän-
der) erlauben. Beispiele für solche Quo-
tensind dieVerhältnissevonUmsatzerlö-
sen zur Anzahl der Mitarbeiter,von Ge-
winn zumUmsatz odervonder Steuerbe-
lastung zum Ergebnis vorSteuern.Zeigen
sichfüreinLand,indemeinKonzerntä-
tig ist,etwa hohe Umsatzerlöse bei einer
geringen Anzahl an Mitarbeiternund zu-
gleicheine geringeSteuerbelastung des
Ergebnisses imVergleichzua nderen Län-
dern, sokönntedies auf Aktivitäten zur
Steuervermeidung hinweisen. Immerhin
scheint dem Ergebnis keine entsprechen-
de Wertschöpfung durch den Einsatzvon
Arbeitskräftenzugrunde zu liegen.
Dieser Ansatz zur Beurteilung dessteu-
erlichen Verhaltens vonUnternehmen
wirkt zunächstreizvoll, birgt jedocheini-
ge Gefahren undNach teile. Vorallem
auchaus Sicht der betroffenen Unterneh-
men, welche dieKosten für diese Bericht-
erstattun gzut ragenhaben, derentatsäch-
licherNutzen allerdings nochnicht belegt
werden konnte.Deswegen wurde auf poli-
tischer Ebene (bislang)kein Konsens zur
länderbezogenen OffenlegungvonErtrag-
steuerzahlungen –dem sogenannten
Country-by-Country-Reporting (CbCR)
–gefunden.Versuche dazu, ein öffentli-
ches CbCR umzusetzen,werden in der
EU seit vielen Jahrenverfolgt. Die bisheri-
genInitiativen–zuletzt im Herbst2019 –
scheitertenjedochamWiderstand einzel-
ner Mitgliedstaaten.
Dies führte nun dazu, dasseine privat-
rechtli ch organisierte Initiativeden Um-
fang der Berichterstattungwesentlichbe-
einflusst.Soveröf fentlichte die GlobalRe-
porting Initiative(GRI) im Dezember
2019 denStandard„GRI 207:Tax“. GRI
isteineGründungdurchNichtregierungs-
organisationen inKooperation mit dem
Umweltprogramm derVereintenNatio-
nen mit Sitz in Amsterdam.Der GRI-Stan-
dard207 is tTeil des–inDeutschland, in
derEUund global –amweites tenverbrei-
tete nRahmenwerksfür dieNach haltig-
keitsberichterstattungvonUnternehmen.
Die Berichterstattung über soziale, ökolo-
gische und ökonomischeAuswirkungen
der GeschäftstätigkeitvonUnternehmen
gewinnt an Bedeutung. In der EU besteht
für bestimmteUnternehmenvonöffentli-
chem Interesse die Verpflichtung zur
Nach haltigkeitsberichterstattung. Die
Vorgaben hierzuweisen auf die (freiwilli-
ge)Verwendung der GRI-Standards zur
inhaltlichenAusges taltung derNach hal-
tigkeitsberichterstattung hin. EigeneRe-
gelungen zurkonkreten Ausges taltung
der Nachhaltig keitsbe richterstattung wur-
den auf EU-Ebene hingegen nicht entwi-
ckelt.Damit hat die EU ihre Möglichkei-
tenzur Einflussnahme indirekt an andere
Organisationen abgegeben.
Die Unternehmengreifen zur Erfül-
lung ihrer EU-rechtlichvorgegebenen Be-
richtspflichten gezwungenermaßen auf
Standards wie jene der GRI zurück. Diese
bietenzwareine Grundlagezur konkre-
tenAusges taltung der Berichterstattung
undermöglicheneinewelt weiteHarmoni-
sierung; deren Entwicklung erfolgt aller-
dings außerhalb eines demokratisch legiti-
miertenRahmens.Aufgrund der interna-
tionalenRelevanz der GRI und derVer-
pflichtung zurStetigkeit in der Berichter-
stattung istdavonauszugehen, dassviele
Unternehmen sicheiner Anwendung der
GRI-Standards nicht ohneweitereswer-
den entziehenkönnen.
Das Ziel der länderbezogenen Bericht-
erstattung über Ertragsteuernliegt darin,
Transparenz hinsichtlichSteuerpraktiken
vongrenzüberschreitenden Unterneh-
mensaktivitäten zu schaffenund der Ge-
fahr eines Missbrauchs entgegenzuwir-
ken. Zwar istesper se nichtsNeues, dass
bestimmteUnternehmen ihreSteuerleis-
tungauf einerLänderbasis berichten müs-
sen. EntsprechendeVorgaben sieht seit
wenigen Jahren das OECD-Projekt zur
BekämpfungvonSteuervermeidungvor.
Das sogenannteBEPS (Base Erosion and
Profit Shifting)-Projekt der OECDfand
in der EU-Richtlinie 2016/881 Umset-
zung, so dasseine derartigeBerichterstat-
tung EU-weit verpflichtend ist. Bisher
sind diese Berichtspflichten jedochauf ei-
nen vergleichsweise kleinen Kreis von
(sehr großen)Unternehmen beschränkt –
und fordernnur eine Offenlegunggegen-
über denFinanzbehörden. Eine öffentli-
cheZugänglichkeit derartiger Informatio-
nen istdemgegenüber neu.
Der Vorstoßder GRI zur öffentlichen
Berichterstattung über dieVerteilung der
Ertragsteuernauf die einzelnen Länder,
in denen einUnternehmentätig ist,geht
weit darüber hinaus.Ausden folgenden
Gründen istdies kritischzus ehen:
(1) Die Informationen über die Ergeb-
nisse undSteuerzahlungen derUnterneh-
men geben nur ein sehr eingeschränktes
Bild über die „faire“VerteilungvonSteu-
erzahlungen auf unterschiedliche Länder
wieder.Zuvielfältig sind die Gründe für
ein etwa iges Auseinanderfallen vonEr-
gebnis vorSteuernund Steuerzahlungen,
und nur schwerlichlassen sichdiese der
Öffentlichkeit (leicht nachvollziehbar)
kommunizieren.
(2) DieFolgekönnen „falsche“Rück-
schlüsse auf unlautereSteuerpraktiken
sein, die beträchtlicheReputationsschä-
den für die berichtendenUnternehmen,
damit aber auchvolkswirtschaftlichen
Schaden zurFolgehaben können.
(3) Demsteht eingroßer Mehraufwand
zur Erfüllung der Berichtspflichten–ver-
bunden mit derVeröffentlichung sehr sen-
sibler Daten–gegenüber.Dies liegt unter
anderem darin begründet, dassdiejeni-
genInformationen, die aufgrund vonEU-
Vorgaben verpflichtend gegenüber Fi-
nanzbehörden offenzulegen sind, nicht
mit dem Datengerüstübereinstimmen,
welches die GRIverlangen.
(4) Diefehlende Harmonisierung mit
EU-weit gültigen Berichtspflichten fußt
darauf, dassdie EU-Mitgliedstaaten die
inhaltlicheAusges taltung derNach haltig-
keitsberichterstattung–und damit nun
auchdes CbCR–der GRI beziehungswei-
se anderenNormensetzernüberlassen.
(5) Letztlichfällt es zwar in die Ent-
scheidung derUnternehmen,welche Rah-
menwerkefür dieNachhaltigkeitsbericht-
erstattung zur Anwendungkommen.Um
die Berichtspflichten zu erfüllen, istaller-
dings die Anwendung bestimmterRah-
menwerkefür vieleUnternehmen fak-
tischunumgänglichgeworden. Damitge-
langen dieUnternehmen zunehmend in
eine AbhängigkeitvondiesenRahmen-
werken sowie den dahinterstehenden Ak-
teuren (und deren Interessenlagen).
Nunhat dieUnfähigkeit, sichpolitisch
auf eine Linie zu einigen, dazugeführt,
dassein sehr sensibles Themavoneiner
Organisationgestaltet wird, die sicheiner
demokratischen Legitimation entzieht
und eigene Zielsetzungen unter dem
schwerfassbarenTitelder „nachhaltigen
Entwicklung“ verfolgt.Zur Verwirkli-
chung dieser Zielsetzungen setzt sichdie
GRI vergleichsweise einfachüber diege-
äußertenBedenken hinwegund erlegt so
den betroffenen Unternehmen potentiell
beträchtliche (Risiko-)Kostenauf. Umso
wichtiger ist, dassdie EU-Mitgliedstaaten
schnellstmöglicheine gemeinsamePosi-
tion finden, um diese unbefriedigende Si-
tuation zu beenden. Es scheint, als ob im
Bereichder Nach haltigkeit Initiativen
(von Seiten der EU)gesetzt werden, die
unzureichend bedacht sind und deren
Konsequenzen ignorieren, um aktuellen
Stimmungslagen in der Öffentlichkeit
nachzukommen. Diesrichtetdie Forde-
rung an die nationalen und supranationa-
len Normengeber,eindeutigPosition zu
beziehen und ihreKompe tenzen für die
Rechtssetzungwahrzunehmen.
Karina Sopp ist Inhaberin der Professurfür
Entrepreneurship und betriebswirtschaftliche
Steuerlehreander TU BergakademieFreiberg
sowi eInitiatorin desProj ektesFOUNDress
(https://tu-freiberg.de/foundress); zurFörde-
rung vonGründungen durch Frauen.
Josef Baumüller ist wissenschaftlicher Mitar-
beiter an derWirtschaftsuniversitätWien.
Die AntwortderNotenbank
VonHolgerSchmieding
WIRTSCHAFTSBÜCHER
DERBETRIEBSWIRT EUROPLATZFRANKFURT
Macht der Ideen
Thomas Piketty is twieder da–radikaler denn je
W
irtschaftsprüfer solltenkünftig
aucheine positiveAussage
über dieÜberlebensfähigkeit ei-
nes Unternehmens abgeben.Das schlug
Klaus-Peter Naumann auf der Schmalen-
bach- Tagung zumStakeholder Manage-
ment inKöln vor. Der Prüfer solltebestäti-
gen, dasserkein Überlebensrisikofür die
kommenden zwölf Monatebei seinem
Mandanten sehe.Voraussetzung sei natür-
lich, dasszuvor auchder Vorstand selbst
zu dieser Einschätzungkomme, die der
Wirtschaftsprüferdann bestätigen würde,
falls er nicht zu einer anderenAussage
kommt.Das wäre zwar inhaltlichkeine
Neuerung, denn auchheute schon hat ein
Wirtschaftsprüferdie Pflicht, als erstes
die Überlebenschancen seines Mandan-
tenzuüberprüfen. Sollteerdiese schon
für die nächstenzwölf Monateals gefähr-
detansehen, müsstesichdas imZahlen-
werk niederschlagen. Esgehe ihm mit
dem Vorschlag darum, der Öffentlichkeit
die Prüfergebnisse nochdeutlicher sicht-
bar zu machen, sagteNaumann. ImFalle
des Reiseveranstalter sThomasCook sei-
en vielevonder Insolvenz überrascht ge-
wesen und hätten nachder Verantwor-
tung desWirtschaftsprüfersgefragt. Bei
genauer Lektüredes Jahresabschlusses
hätteman aber sehenkönnen, dassder
Wirtschaftsprüfer dasÜberleben schon
Monatevor der Insolvenz alsgefährde tan-
gesehen habe.
Naumann möchteaucheine abermali-
ge Diskussion um den Berufsstand der
Wirtschaftsprüfervermeiden.VonGroß-
britannien–aufg rund einigerBilanzskan-
dale –ausgehendwerdederzeit auchin
den Niederlanden und im Europäischen
Parlament wieder einmal über eineeven-
tuelleTrennungvonPrüfung und Bera-
tung diskutiert. KarinDohm, Vorsitzende
des Prüfungsausschusses in den Aufsichts-
räte nvon Ceconomy(Media Markt) und
Deutsche Euroshop sprachsichaus Man-
dantensicht sehr engagiertfür einen Prü-
feraus, der mehr als nurKenntnisse der
Rechnungslegung hat.Um die Chancen
und Risiken der Geschäftsentwicklung
wirklichbeurteilen zukönnen,müsse der
Prüfer zumindestüber ausgeprägteBran-
chenkenntnisseverfügen, sagtesie.
Zwar gibt es aus wissenschaftlicher
Sicht keine Hinweise darauf, dassdie
Wirtschaftsprüfung besser wird, wenn
der Prüfer auchBeratererfahrung mit-
bringt. DervonDohm geforderte „Blick
über den Tellerrand der Rechnungs-
legung“ istaber genau jeneKenntnis, die
der Prüfer nachAngaben der Prüfungs-
unternehmen nur dadurch bekommt, dass
er auchals Berater tätigwerden kann.
Für Ralf Bose, Leiter derAbschlussprü-
feraufsichtsstelle Apas, istaber dieUnab-
hängigkeit dasgrößtePfund, mit dem ein
Prüfer wuchernkann. Dabeireiche die
Einhaltung derrein formalen Unabhän-
gigkeit nicht aus. Esgehe vorallem in der
Öffentlichkeit immer auch um diewahrge-
nommene Unabhängigkeit des Wirt-
schaftsprüfers.
Diese erfordereaber nicht, Prüfungs-
und Beratungsunternehmen formal zu
trennen, sagtMartin Plendl,Deutschland-
chef derWirtschaftsprüfungs- und Bera-
tungsgesellschaftDeloitte. Erstens gebe
es gesetzlicheVorgaben, die denUmfang
der Beratung bei solchenUnternehmen
begrenzen, die man auchprüft. Zweitens
habe es der Mandant in der Hand, ob er er
eine völligeTrennungvonPrüfung und
Beratung wünsche oder nicht.
GEORGGIERSBERG
IllustrationPetervon Tresckow
Prüfer sollen die Überlebenschancen bestätigen
InEuropabeginntwiedereineDiskussionüberdieTrennungvonPrüfungundBeratung
Transparenz durchdie Hintertür
Unterdem Dach der
OECDringen die
Finanzminister d er
Indu strieländer um
gemeinsame
Steuer regeln.Die Global
ReportingInitiative
schaf ft derweil Fakten –
nichtzum Vorteilder
Unternehmen.
VonKarina Sopp und
Josef Baumüller