SEITE 22·FREITAG,13. MÄRZ 2020·NR.62 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
S
oftwarewirdzum wichtigen
Unterscheidungsmerkmal in
denAutosder Zukunft. Der
amerikanische Elektroautohersteller
Tesla setzt da bislang die Maßstäbe.
Der Weltmarktführer Volkswagen
will diesenRückstand nicht nur auf-
holen, sondernallein durch seine
GrößevonBeginn an auchinder Ver-
netzung Maßstäbe setzen. Der An-
spruchvon VW-ChefHerbertDiess,
Volkswagen zu einem softwaregetrie-
benenUnternehmen zu machen, ist
ehrgeizig–zuehrgeizig?Dassder
VW-Betriebsrat die technischenPan-
nen mit dem VW-Golf8jetzt zu ei-
nem Angriff auf „überehrgeizige“Vor-
ständenutzt, zeigtvorallem, wiegroß
der Druckauf die Mitarbeiter ist, in
kürzesterZeit nachzuholen,wasüber
Jahrevernachlässigtworden ist. Der
Anlaufdes Golf8istmissraten, der
als Ikone des Elektrozeitalter svon
VW angekündigte ID 3.kommt im
Sommer erst einmalineiner abge-
specktenVersion mitwenigerVernet-
zung auf den Markt.Aber waswäre
die Alternative?Das Temporausneh-
men bei derTransformation?Nein, es
gibt zumKurs,den Diesseingeschla-
genhat, keine Alternative.Undganz
so dramatischist es ja auchnicht,
wenn Softwareaktualisiertwerden
muss.VomSmartphonekennendie
Kunden das schon, im Auto istes
nochungewohnt. Tesla macht das üb-
rigens auch–ohneWerkstattbesuch.
M
it China wirdimZusam-
menhang mitgeistigem Ei-
gentum nochimmer Da-
tenklauund Kopiermentalitätverbun-
den.Aber dieRealität hat sichgeän-
dert. Zwar istder dortigeAnteil der
Wissenschaftler an der Erwerbsbevöl-
kerung mit 0,2 Prozent nochsehr
niedrig.Aber China holtauf.Die Aus-
gaben fürForschung und Entwick-
lung wurden seit 2000verfünfzehn-
facht, China istheute dergrößteEx-
porteur forschungsintensiver Produk-
te,der Anteil der Hochschulabsolven-
tenwächs tschneller als im OECD-
Durchschnittund beträgtmehr alssie-
ben Millionen im Jahr.China hat bei
der Zahl wissenschaftlicher Publika-
tionen 2018 erstmals dieVereinigten
Staaten überholt.Nochwichtiger:
Die Exzellenzratechinesischer Publi-
kationen istbinnen zehn Jahren um
ein Drittelgestiegen und hat inzwi-
schen jene japanischer oder südkorea-
nischer Arbeiten hinter sichgelassen.
In Sachen internationalerPate ntehat
China Deutschland überholt und sich
dicht an dieVereinigtenStaaten und
Japan herangearbeitet.Und das, ob-
wohl wir je eine Million Einwohner
730 Pate nteanmelden und China nur
- Daranvermag man dasgroße Po-
tential erkennen, das noch in China
liegt.Umuns diesen Schatz nutzbar
zu machen, müssteneigentlichmehr
Deutsche Chinesischlernen.
A
ndreasRenschler hatstillge-
halten, solangedie Geschäf-
te liefen–oder besser:die
Brummisrollten. DerVorstandschef
vonTratonmit den MarkenMAN und
Scania mussnun aber wegender
schwerenZeiten handeln. Die bislang
positiven, aber zu zaghaftenSpar-
und Ertragserfolgevon MANreichen
nicht mehr aus,umauf die sichseit
mehr als einem Dreivierteljahr eintrü-
be ndeAuftragslage zu antworten.
Letzterewirddurch die beschleunigte
Unsicherheit in derWirtschaftnoch
verschärft.Die NachfragenachGü-
tern drohtwegzubrechen, damit auch
derenTransport. Der Abbau von6000
Arbeitsplätzenist jedoch nicht der
kurzfristig angespannten Lagege-
schuldet. Die ertragsschwache MAN
hat einstrukturelles Problemgegen-
überder PerleScania. Der Apparat
scheint schlicht zu aufgebläht zu sein.
NunmobilisiertTraton seinebislang
verborgene Schlagkraft und nutzt–
vorallem zu Lastenvon MAN–Syner-
gien.Verwaltung, Entwicklung und
Fertigungwerden gestrafft undver-
netzt.Beide Markenverlieren an Ei-
genständigkeit. Das mussRenschlers
Plansein, derTraton für neue Anleger
attraktivmachen muss. Der desaströ-
se Kursverlauf hat bis datodie Ab-
sichtvonVWschon im Ansatz zunich-
te gemacht, die unerwünschtgeworde-
ne Tochter endlichloszuwerden.
bü. DÜSSELDORF.Den Essener Ener-
gieriesenRWEzieht es für sein Öko-
strom-Geschäftindie Ferne. Nurein
Fünftel seiner Investitionen in neue
Wind- und Solarparks hat derKonzernin
denkommenden Jahren in Deutschland
eingeplant. „Bis 2022veranschlagen wir
globale Investitionen in Höhevon5Milli-
arden Euronetto.Mit Partnernkann die
Summe deutlichdarüber liegen“, sagte
der Vorstandsvorsitzende Rolf Martin
Schmitz. DerAusbau der Erneuerbaren
soll demKonzernnachAtom- undKohle-
ausstieg neue Wachstumsmöglichkeiten
erschließen. Große Chancenrechnetsich
Schmitz dabei in den europäischenNach-
barstaaten, in denVereinigten Staaten
undKanada,Australien und Asien aus,
wo Länder wie Japan,Taiwan und Südko-
reaimFokusstünden. „RWE istnun wie-
der einWachstumsunternehmen, und das
Wort „international“ heißt nicht mehr eu-
ropäisch, sondernglobal“, schreibt er in
seinem Aktionärsbrief zur Jahresbilanz.
Aktuellstammt gut einZehntel der
RWE-Stromproduktion aus erneuerbaren
Quellen. Die installierte Kapazität soll
schon bis 2022 umfast die Hälfte steigen,
vonrund neun auf mehr als 13 Gigawatt.
Der größteTeil der in dieserZeit geplan-
tenPortfolio-Erweiterung befinde sich
schon im Bau.TrotzdemwerdeRWE sei-
nen Strom noch„eineReihe vonJahren“
zu mehr als der Hälfte aus konventionel-
len Quellenproduzieren, sagteFina nzvor-
stand MarkusKrebber.Grundlagefür den
Wandel zum Ökostrom-Konzernsind die
vonInnogy und Eon übernommenen Ak-
tivitäten, die sichinden Ergebnissen erst
im laufenden Jahrvoll widerspiegelnwer-
den.Zudemgehen neue Anlagen in Be-
trieb.Fürdas Betriebsergebnis (Ebitda)
aus Windkraftund Photovoltaikrechnet
RWEdeshalb mit kräftigenZuwächsen.
Aufgrund steigenderStrompreise und der
Übernahme der Eon-Minderheitsanteile
an zweiAtommeilernkalkulieren die Es-
sener zugleichmit steigenden Gewinnen
aus Kohle undKernenergie: Im besten
Fall sollen sie sich2020 auf 600 Millionen
Eurobeinaheverdoppeln.
Das ist allerdings nur nochein Intermez-
zo: Die letzten Kernkraftwerke gehen
Ende 2022vom Netz, zugleichmussRWE
seine Braunkohleförderung schonkurz-
fristig deutlich zurückfahren. In der ersten
Phasegingendadurchmehr als 3000,bis
2030 insgesamtrund 6000 Stellenverlo-
ren, sagteSchmitz. DankgesetzlicherRe-
gelungen für ein Anpassungsgeld und den
Ausgleichvon Rentennachteilenfür ältere
Beschäftigtewerde es möglichsein, den
Personalabbau ohneKündigungenzube-
wältigen. DievomBund bereitgestellten
2,6 Milliarden EuroanEntschädigungs-
zahlungen sowie die Beteiligungvon 15
Prozent an Eon, dieRWEimZugedes In-
nogy-Deals erworbenhat, würden in ein
separates Finanzportfolio überführt, erläu-
terteFinanzvorstand Krebber.Dieseswer-
de dieRückstellungen fürdie Rekultivie-
rung der Braunkohlereviereabdecken, die
sichdurch den Kohleausstieg um2auf 4,6
Milliarden Euroerhöht hätten.
„UnseroperativesGeschäfthat ein her-
vorragendes Jahresergebnis erzielt.Wir
verfügen über eine ausgezeichnete Basis,
um unserKerngeschäftweiter auszubau-
en und werthaltigzuwachsen“, sagte
Schmitzwährend der Bilanz-Pressekonfe-
renz. Beeinträchtigungen durch die Coro-
na-Epidemie seien bisher nicht zu erken-
nen. Die Mannschaftsei auf solcheNotla-
genvorbereitetund dazu in der Lage, die
Energieversorgung ohneStörungen auf-
rech tzuerhalten. Allesinallem sorgte die
Prognose aberfür Enttäuschung an der
Börse. In demvonCoronagebeutelten
Marktrutschte die Aktie imVerlauf um
mehr als 15 Prozent ab. Das bereinigte
Nettoergebnissoll sogargeringer ausfal-
len als 2019,als es sichgegenüberdem
Vorjahr mehrals verdoppelt hatte.
Allerdings lag dies in erster Linie an ei-
nem ungewöhnlichhohen Handelsergeb-
nis. DieRWE-Trader hatten in einer Mi-
schung aus Glückund Können auf breiter
Front auf dierichtigen Pferdegesetzt, so
dassihr operatives Ergebnisvon183 auf
rund 700 Millionen Euroindie Höhe
schoss. Im laufenden Jahrkalkuliertder
Konzernmit einer „Normalisierung“ auf
den Mittelwertder vergangenen Jahre
von250 Millionen Euro.Auch die für das
laufende Jahreangekündigteweiter eAn-
hebung der Dividende blieb hinter den Er-
wartungen zurück. Für 2019 solles 80
Cent je Aktiegeben, zehn Cent mehr als
im Vorjahr.2020 winkt dann einAuf-
schlagvon5Cent.
Patentes China
VonGeorgGiersberg
Traton schlägt zu
VonRüdigerKöhn
Zoff in Wolfsburg
VonCarsten Germis
V
olkswagen bekommt seine Soft-
ware-Probleme beimvernetzten
Auto nicht in den Griff. DasUn-
ternehmenwirdsein neues Elek-
troautoID.3 im Sommer deswegen in ei-
ner abgespeckten Grundversion an den
Startbringen. „DerZeitplansteht“,sagte
Thomas Ulbrich,Vorstand für Elektromo-
bilität der Marke VW ,während einer Pres-
severanstaltung am Donnerstag in Berlin.
„Die Markteinführung des ID.3folgt wie
angekündigtimSommer.“ Das Ziel bleibt,
im Sommer dierund 30 000 in Europa vor-
bestellten ID.3 nahezu gleichzeitig auszu-
liefern.Nach AngabenvonUlbric hwer-
den dieFahrzeuge in der Produktion zu-
nächstmit einer „aktuellenSoftwarebe-
spielt“. In den Monaten darauf sollendie
digitalenFunktionen inregelmäßigenAb-
ständenaktualisiertwerden, hießes.
Überraschendkommen die Probleme
mitder Softwarenicht .Schon seiteiniger
Zeit is taus dem VW-Werkimsächsischen
Zwickau, wo der ID.3undvonEnde des
Jahres an auch der Elektro-SUV ID.4ge-
baut wird,zuhören, es hake nochbeim Zu-
sammenspiel derkomplexenSysteme. Da-
durchkönnedas für denStart vonVWin
die Elektromobilitätwichti ge Autonicht
gleic hmit allenFunktionen angebotenwer-
den. Ähnliche Software-Probleme haben
schon denAnlauf des neuen Golf8in
Wolfsburgmissraten lassen.Während Ul-
bric hin Berlin für die Elektromobilität und
denID. 3warb,griffder Betriebsratvon
VW in seiner am Donnerstag verbreiteten
Mitarbeiterzeitschrift„Mitbestimmen“den
Vorstand wegender technischen Schwierig-
keiten mit dem neuen Golf direktan. „Die
Software istweiterunse rProblem“, sagte
BetriebsratschefBernd Osterloh, „bei allen
anderenTeilen istdas Auto in Ordnung.“
DieBeschäftigtentäten alles,damit der
Golf aufStückzahlkommt.„Aber imVor-
stand willniemanddie Verantwortungfür
die Ursprüngedes Problems übernehmen,
obwohl sie alle schon seit Jahrendabei
sind.“ Er erwartejetzt „ein klaresWort von
ganz oben“, sagteOsterloh.
Im Jahr 2019 hat dasWerk Wolfsburg
dem Bericht zufolge8392 Golf8produ-
ziert,geplantwarenmehrals 100 000.
Das Unternehmenhattedamalsvoneiner
„flachen Anlaufkurve“ gesprochen–in
den Griffbekommen hat VW die Schwie-
rigkeiten offenbar aber nicht. „Hierwoll-
tenüberehrgeizigeVorstände zu schnell
zu vielTechnik in einFahrzeugstopfen
und sind damitgescheitert“, sagteOster-
loh. In derZeitung wirdauchgeschildert,
wie diese ProblemesichimWerksalltag
bemerkbar machen.Wenn die Mitarbeiter
in derFertigstellungeines Golf8mit Soft-
ware-Fehlermeldungen nicht mehrweiter-
wüssten, komme die Geheimwaffezum
Einsatz: eineRatsche mit 10er-Nuss. Da-
mit wirddas ganze Autostromlosge-
macht. „Das istwie zu Hause mit derFritz-
box“, wirdein Mitarbeiter zitiert:„Aus der
Steckdoseziehen, eine Minutewarten,
und wieder einstecken. Dann istdas
W-Lan wieder da.“
Auch an denAuslieferungsplänenfür
den vollelektrischen ID 3. hatteeszuletzt
wegender Software-ProblemeZweifel ge-
geben. Ulbrichsagte dazu demRedemanu-
skriptzufolge, eswerdederzeit viel speku-
liert,vorallem über die Software. „Kurz
vorMarktstartwirdeszeitlichimmer eng
mit neuenTechnologien“,sagteer, dasgel-
te insbesonderefür ein sokomplexesPro-
dukt.„Wirliegen aber auf Zielkurs.“ Seit
Beginn des Jahrestest eerden Wagentäg-
lichauf verschiedenenStrecken.
Volkswagenbleibt auchnichts anderes
übrig, als die Elektroautos zügig auf die
Straßezu bekommen.Fürden mitgroßem
Marketing-Aufwand angekündigtenID.3,
der nachdem Käferund dem Golf zur Iko-
ne vonVWfür das Elektrozeitalterwer-
den soll,wäre ein Flopwie beim Golf8für
das Unternehmenein Offenbarungseid.
Dassder Startdes ID.3. klappt, istauch
aus einem anderenGrund wichtig:
Schließlichmüssen die Autoherstellervon
2021 an die strengen EU-Grenzen für
CO 2 -Emissionen einhalten, ansonstendro-
hen immenseStrafzahlungen.Zu Beginn
des Jahres hatteKonzernchef Herbert
Diessdeshalb nocheinmal den Drucker-
höht.„Das Auto wirddas wichtigsteMobi-
le Device“, sagteerEnde Januar.VWfeh-
le es aber Schnelligkeit und Mutzum kraft-
vollen Handeln. DieZahl derFachleutein
der neuenSoftware-Einheitvon VW wur-
de indes deutlicherhöht:Waren es im
Frühjahr 2019 nochrund 500 Software-
Fachleute,sind es nun 2000.Weiter e2500
sollen allein in diesemJahr folgen.
Fürden WolfsburgerKonzernist 2020
ein Schlüsseljahr für denStartins elektri-
sche und digitaleZeitalter.Trotz des Co-
ronavirusrech netVWfestdamit, dass
die Produktiondes ID.3 in denchinesi-
schenWerken wiegeplant Ende des Jah-
resanlaufen wird. Ein VW-Managerin
China berichteteamDonnerstag, in der
Volksrepublik rechne dasUnternehmen
mit einer spürbaren Besserung der Lage.
Derzeit seien bis auf zwei der insgesamt
33 WerkeimLand wieder alle amNetz,
hieß es.„Wir sind imWesentlichen im
Ein-Schicht-Betrieb unterwegs.“ Nun
werdesukzessivehochgefahren, in den
kommendenTagensolle in denKompo-
nentenwerken wieder in den Zwei-
Schicht-Betriebgewechselt werden. Üb-
lichinChinas Industrie istdie Fertigung
in drei Schichten.Auch die Kundenkä-
men wieder,nachdem am Gesamtmarkt
wegenCorona im Märznochein Ein-
bruc hvon 40 bis 50 Prozent imVergleich
zumVorjahr erwartet wird.Wieschon
2019 soll VW aber auchdurch die Coro-
na-Krisewenigerstarkeingebrochen sein
als seineWettbewerber.Wenn sichdie Er-
holung, die jetzt spürbar sei, „fortsetzt,
sind wirvorsichtig optimistisch, dasswir
im Juni oder Juli wieder aufVorjahresni-
veau sind“, hieß es. Diekonzerninternen
Lieferketten habe man bisheraufrechter-
haltenkönnen.Auch Zulieferungen aus
China in andere Weltregionen seien
nicht abgerissen. Esgebe nur „ein kriti-
sches Bauteil“, bei dem an den europäi-
schen Standorten aberkeine Sorge vorei-
nem möglichen Mangel bestehen müsse.
China habe Großesgeleistet,das Virus
unterKontrollezubekommen unddie Pro-
duktion aufrechtzuerhalten. Ob das zwei-
te Halbjahr für die Autobranche zu einer
Normalisierung der Lage führeoder mögli-
cherweise sogar zu einem Boomhalbjahr
werde, könne nochniemandsagen, hieß
es. In den Autohäusernfänden sichmit
der Normalisierung der Lageaber viele
Erstkäufer ein, dievorher nochkein eige-
nes Auto gehabt haben.Wegen desVirus
überlegten viele denKauf eines eigenen
Fahrzeugs als Alternativezum öffentli-
chen Nahver kehr.„Ihr Deutschenkauftin
der KriseToilettenpapier,die Chinesen
kaufen wiederAutos.“
AlteZeiten:Das RWE-BraunkohlekraftwerkWeisweiler Fotodpa
Zukunftaus Zwickau:Die Montagedes ID.3 hatVolkswagen im Griff–mit der Softwarehapertesnoch. Fotodpa
kön. MÜNCHEN.AndreasRenschler
bereitete AnfangNovember die Beleg-
schaftvon MANdaraufvor, dasswegen
der zu erwartendenAbsatzeinbrüche
Ungemachüber die 36 000 Beschäftig-
tenkommenkönnte. Damals deutete
der Vorstandsvorsitzendedes Lastwa-
gen- und Busherstellerseinen Sparkata-
log vonGrausamkeiten an, die er noch
herunterzuspielenversuchte. Seitver-
gangenem Montag haben die Beschäftig-
tenvon MAN Truck&Bus (MTB)
KenntnisvomAusmaß: 6000Stellen –
also ein Sechstel–sollenwegfallen.
Die angekündigten scharfenKosten-
maßnahmen sind offiziell vonMAN mit
„signifikantemStellenabbau“vage ange-
kündigtworden (F.A.Z.vom10. März).
Die Mitteilung erfolgte,nachdem die
MAN-Beschäftigtenineinem über das
Intranetverteiltem Schreiben infor-
miertworden sind,welches dieserZei-
tungvorliegt.Eine ursprünglichzuInfor-
mationszweckengeplanteBetriebsver-
sammlung wurdewegendes Coronavi-
ruskurzfristig abgesagt.Dem Schreiben
zufolgewurden die Arbeitnehmervertre-
terimWirtschaftsausschussvon MTB
bereits am 10. Januar über dieradikalen
Einschnitteinformiert. MAN wies in
der MitteilungvonMontag auf laufende
Gespräche hin.
Die Kostenmaßnahmenwerden we-
gender sichseit längerem abzeichnen-
den Schwäche imNutzfahrzeugmarkt
notwendig. Darunter leiden auchdie
Wettbewerber DaimlerTrucks oderVol-
vo/Renault. Sie wirddurch diewachsen-
den konjunkturellenUnsicherheiten auf-
grund der schnellvoranschreitendenCo-
rona-Pandemie nochverstärkt .Die Mit-
te vergangenen JahresvonVolkswagen
an die BörsegebrachteTratonberichte-
te bereits in den ersten neun Monaten
2019 voneinemAuftragsrückgang von
6Prozent.Für das Jahr 2020 istdie Bran-
chebislangvoneinem Bestellminusvon
bis zu 20 Prozent ausgegangen. Das
könnteunterUmständenwegen der zu-
nehmendenZurückhaltungetwa der Lo-
gistikunternehmen als wichtigste Ab-
nehmer nochhöher ausfallen.
ZumZweiten aber hatTraton, die zu
knapp 90 Prozent im Besitz des VW-
Konzerns ist, erhebliches Sparpotential
beider in Münchenansäs sige nMarke
ausgemacht.Daher sollvorallem inVer-
waltungsfunktionen, die für die Hauptei-
gentümerinder WolfsburgerKonzern-
zentrale zugroß zu sein scheinen,ge-
spar twerden; aber auchinder Entwick-
lung. Damit wirdder StandortMünchen
mitseinen insgesamt in derVerwaltung
und derFertigung beschäftigten9100
Mitarbeiternbesonders betroffensein.
Nichtauszuschließen istdem Verneh-
men nachaber auch, dassinder Produk-
tion Maßnahmen ergriffenwerden. Das
warauchder Fall imvergangenen Spar-
prog ramm vorfünf Jahren, als 1400Stel-
len in indirektenFunktionen und 400
Arbeitsplätze in derFertigungbei MAN
gestrichen wurden.
Verglichen mit der ebenfalls zuTra-
tongehörenden Schwestermarke Scania
aus Schweden fällt der deutscheLastwa-
gen- und Busbauer in der Ertragskraft
starkab, weshalb derZwang zu einer hö-
herenProfitabilität und damit besserer
Wettbewerbsfähigkeitgroß ist. In den
ersten neun Monaten 2019 erreichten
die Deutschen nur eine operativeUm-
satzrenditevon stabilen 3,6 Prozent.
Die Schweden,die ohnehinals Ertrags-
perle der Branchegelten,verbesserten
ihreMarge garvon 9,5 auf 11,6 Prozent.
Die Arbeitnehmerseitehat bereitsWi-
derstand angemeldet.Zwarhabe sie
grundsätzlicheBereitschaftzuVerhand-
lungensignalisiertund unterstütze
MAN im Bemühen,„die Zukunftdes Un-
ternehmens positiv zugestalten“. Die
Maßnahmen aber müsstensozialverträg-
lichdurchgeführtwerden, betont der Ge-
samtbetriebsrat mit Blickauf die bis
Ende2030 zugesagteStandort- und Be-
schäftigungssicherung. Genauso wich-
tig sei aber,dassdie Markenihreoperati-
ve Eigenständigkeit behielten: „MAN
bleibt MAN und Scania bleibt Scania.“
Die Betriebsräteplädierendaher,dass
die als operativeHolding agierendeTra-
tonzueiner „solidenFinanzholding“zu-
rückgeführtwerden muss.
RWEenttäuscht die Investoren
Der Gewinn hat sichverdoppelt, aber dieAussichten überzeugen nicht
Softwareprobleme machen VW zu schaffen
Traton streicht jede
sechs te Stelle vonMAN
Scharfe Kostenschnittegegen Ertragsschwäche
DerBetriebsratschef
kritisiertdie Vorstände,
unddas Elektromodell
ID.3kommtmit einer
abgespeckte nVersion.
VonCarstenGermis,
Hamburgund Ilka
Kopplin, Berlin