Frankfurter Allgemeine Zeitung - 24.02.2020

(Wang) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Unternehmen MONTAG,24. FEBRUAR2020·NR.46·SEITE 21


A


ll youneed is love,dudelt das
Handyvon Hans-Roland Rich-
ter. Er is tein Fander Beatles,
und zudemsteht dieser Klassi-
kerirgendwie sinnbildlichfür dasFamili-
enun ternehmen: Die BielefelderFirmaRi-
texentwickelt und produziertschließlich
Kondome–rund 100MillionenStückim
Jahr.Sogesehen braucht auchRitex (kurz
für Richter Latex) die Liebe,mag sie mit-
unter auchnur kurz währen. SohnRobert
istseit dem Jahr 2007 an Bordund seit
2014 alleinigerEigentümer. Junior und Se-
nior teilen sichdie Geschäftsführung.
„Die Scham undPeinlichkeitrund um
das Kondomhat sic hentspannt“, sagtRo-
bertRichter .Während seinVaterinder
Schule vonMitschülern als „Gummi-
Mann“gehänselt wurde,wardas Verhält-
nis zuKondomen für ihn, den 1980 Gebo-
renen, schon normal. EinAufstellermit
Präservativen im elterlichen Haus sei das
eine oder andereMal „geplündert“gewe-
sen, wenn Freunde zu Besuchwaren, erin-
nertersich. Richter senior sagt hingegen:
„ÜberKondome sprachman nicht. Mir
wäre es manchmalliebergewesen, mein
VaterhätteMetallschrauben hergestellt.“
Dieser Imagewandelzeigt sichauchan
den Verpackungen dervergangenen Jahr-
zehnte,die in einerVitrine imFoyerdes
Unternehmens ausgestellt sind:Von un-
auffällig kleinen Schachteln mit derAuf-
schrif t„Rubber Deluxe“ oder„Anti Baby
Condom“ über„VulkanRamses–Orgas-
mus Box“ bis hin zu„WilliBanane–satt-
gelb mit Bananenaroma“–inden 1990er
Jahren lagPopArtim Trend. Auch Kondo-
me mit dem Logo derReality -TV-Serie
Big Brother sind darunter.„Das hatgar
nicht funktioniert“, gibtRobertRichter
zu. Mittlerweile sehen dieVerpackungen
seriös und dezent aus, sie sollenVertrau-
en schaffen. Die Zielgruppe,die Ritexan-
spricht, isteher 25 Jahreund älter.
Gründer Hans RichterwaranKondom-
bestände der amerikanischen Armeege-
kommenund startete damit einen Handel
als Ein-Mann-Betrieb. 1948, als Hans-Ro-
land Richtergeboren wurde, ließ er Han-
delsmarke und Warenzeichen eintragen.

In den 1960ernmacht edie Pille demKon-
dom große Konkurrenz,der Absatz war
rückläufig. Zwischenzeitlichgab Ritexgar
die Produktion in Sarste dt bei Hannover
auf und bezogWare aus Fernost. In den
Achtzigernänderte sichdie Situation wie-
der –auchdurch Aids. „Mitteder 1980er
Jahrewollten plötzlich alleKondomeha-
ben“, erinnertsichRichter senior,der im
Jahr 1982 in den elterlichen Betriebkam.
Zu der Zeit stelltesichauchRitexals Mar-
ke neu auf.„Mit demKondom läuftjaein
Kopfkino ab“, sagt Hans-Roland Richter.
Damals seienKondome in den Sichtfens-
tern der Automaten oftmit eindeutigen
Bildernbeworben worden, dieetwasbillig
und peinlich wirkten.„Wir müssen unser
Produkt sogestalten, dasssichder Ver-
braucher nichtgeniert“,wardamalssein
Ansatz. Mitteder 1990er JahrewagteRi-
texwiederden Schritt für eine eigene Pro-
duktion in Bielefeld.
Derzeit hat dasUnternehmenrund ein
DutzendKondomprodukteimPortfolio.
Ein Verkaufsschlager istdas XXL-Kon-
dom,das „leicht zuverkaufen ist“, wie die
Geschäftsführer sagen. Mancherkaufees
vielleicht aus Selbstüberschätzung, ande-
re weil sie beimÜberziehen anfangs ein
unangenehmes Gefühlverspürten. Grund-
sätzlich gilt aber:Das Standardkondom ist
„für alleanatomischen Zweckeausrei-
chend“. In Europa hat es einenUmfang
von1 04 undeineLängezwischen 175 und
195 Millimetern. „Der durchschnittliche
erigiertePenis hat einen Umfang zwi-
schen 120 und 125 Millimetern“, dasKon-
dom dürfe ebennicht abrutschen, erklä-
rendie Herren. Diese Maßegelten inetwa
auchfür andereNationenaußerhalb Euro-
pas, auchwenn Statistiken dazu schwierig
seien. Eskomme darauf an,wo,wie und
vonwem gemessenwerde, auchsei es
eineFrage der „Formstabilität“. Fest
steht:„Ein zu kleinesKondom istsicherer
als ein zugroßes“, erklärtder Senior.Bei
einem zugroßenKondomsteche derPe-
nis im Zweifel durchdas dünneLatex.
In solchenFällen erhält Ritexbisweilen
Post mit Reklamationen. „Eskommt vor,
dassKunden sogar benutzteKondome ein-
schic ken“, erzähltRobertRichter .Einige
forderten fürgerissene KondomeUnter-
haltoder Geld fürdie Pille danach.Für sol-
cheHaftungsfälle sindimme rKondo me
der Chargevorrätig, um „ein systemisches
Produktversagen“ auszuschließen. Bis-
lang habeesnochnie einerechtliche Be-
wertung gegeben. Schon in der Produk-
tionwirdjedes Kondom einzelnauf ver-
schiedene Qualitätsmerkmale geprüft,be-
voresversandt wird. Im Laborwerden zu-
sätzlichstichprobenartig zigTestsdurchge-
führt.Somussein Präservativ einemFüll-
volumenvon18Liternund einem Druck
von1,0 Kilopascal standhalten.
Der Mittelständler mit 60 Mitarbeitern
und einemUmsatz vonzuletzt 12 Millio-
nen Euro–er is tinden vergangenen zehn
Jahren um 40 Prozentgestiegen–hat sich
seitjeher gegengroße Konkur renten be-
hauptet.InD eutschland habe Ritex einen

Marktanteilvongut einem Drittel. Größer
sei nurWeltmarktführer Durex,der zum
Reimann-ImperiumReckitt Benckiserge-
hörtund in Asienfertigt.Zudem gibt es
Mapa, Teil eines amerikanischen Kon-
zerns, das hierzulande Markenwie Billy
Boyund SchnullervonNuk fertigt.CPR
produziertebenfalls hierzulande,voral-
lem Eigenmarkenfür Drogeriemärkteund
für den Export. Das BerlinerStart-u pEin-
horn, das zuletzt für vielWirbel gesorgt
hat, produziertnicht selbst.
Der deutsche Markt istseit Jahrenrela-
tiv statisc hmit einem jährlichenVolumen
zwischen 200 und 240 Millionen Stück.
Das entspreche etwa einemUmsatz zwi-

schen 40 und 50 Millionen Euro, „was es
für große Unternehmen unattraktiv
macht zu investieren“, erklärtRobertRich-
ter. Die Eintrittshürden für solche Medi-
zinproduktesind zudem hoch.Neuen Spie-
lernwie Einhorn, dieKondome in Chips-
tütenverpacken, odervorJahren Condo-
mi sieht mangelassen entgegen. Es stecke
viel Marketing dahinter,heißt es.
Wiehartdas Geschäftsein kann, zeigt
sichauchdarin, dassRitex-Kondome
zehn Jahrenicht beiRossmann zukaufen
waren. Man hatte sich„verkracht“, sagt
Richter Junior.Preisverhandlungen seien
schwierig. 70 Prozent derKondomewer-
den hierzulande imstationärenHandel

überDrogeriemärktegekauft, derRest in
Supermärkten. Auchder Internethandel
nimmt zu, Amazon istein großer Kunde.
Erst relativ spät, seit 2013,versucht sich
Ritex auf internationalenMärkten, viel im
arabischenRaum, auchinRussland und
China. Zwischen 10 und 20 Prozent macht
der ExportamUmsatz aus.Verhandlun-
genmit Behörden,Vertriebswegeund die
Kommunikation sind allerdings nicht
leicht. Ei nechter Umsatztreiber warvor ei-
nigen Jahren das neue SegmentGleitgel.
Mittlerweile gibt es das sogarvegan.
Der Trend zurNachhaltigkeit istauch
im Kondommarktangekommen:Weil das
Kasein für einveganes Kondomnicht so

leicht zu ersetzen ist, setzt Ritexmit dem
neuen Produkt„Pro Natur e“ au fnachhalti-
ge Produktion. Der Naturkautschuk
kommt aus zertifiziertenBetrieben,die
Verpackung basiertauf Gras. Eine neue
Versiegelungsfolie ersetzt eine Schicht
durch Papier.Das Produktsetzt auf dem Pi-
lotprojekt „Ohne Bienchenkein Blüm-
chen“ mit dem NaturschutzbundNabu
auf. In sozialen Medien wurde der Spruch
„Bumsenfür die Bienchen“geprägt .Dage-
genhabe man sichnicht gewehrt, sagtRo-
bertRichter lachend. Ein bisschenWort-
witz istauchinBielefeld angesagt.
SowerdensichereKondomehergestellt:
http://www.faz.net/kondome

Fürden Gründerenkel RobertRichter warenKondome nichtsPeinliches mehr,im
Gegenteil: Zu Schulzeitenwarein Aufsteller mit Präservativen im elterlichen Haus
öfter mal „geplündert“. Der 1980geborenestudierte Betriebswirthat zwei Kinder.
In seinerFreizeitfotografiertergerne und machtTaekwondo.VaterHans-Roland
Richter,geboren imFirmengründungsjahr 1948, wurdevonMitschülernmitunter
nochals der „Gummi-Mann“gehänselt.Der Diplom-Kaufmann istBeatles-Fan,
spieltefrüherFeldhandball undTennis, istaber zum Golfen übergegangen.

Foto Daniel Pilar

FIRMENINDEX Seite
Alstom ............................................ 22
BerkshireHathaway ............ 20

BMW ................................................ 20
Bombardier ................................. 22
Buderus Edelstahl ................. 20

Citi ..................................................... 19
CRRC ................................................ 22
Deutsche Bank ........................ 19

Fincantieri .................................... 18
Goldman Sachs ........................ 19
Green City Solutions .......... 18

Hitachi ............................................. 22
Hyundai Capital Bank .......... 19
KKR ................................................... 19

NavalGroup ............................... 18
Osram .............................................. 20
Ryanair ........................................... 20

Santander ..................................... 19
Siemens ........................................ 22
Sixt ..................................................... 19

Tesla ................................................. 17
Thyssen-Krupp ......................... 20
Tungsram ..................................... 20

Voestalpine ................................. 20
WellsFargo ................................. 20
Wildling Shoes ........................ 20

DerUnternehmer

Die Anfängedes Kondomherstellers RitexGmbH gehen auf Hans Richterzurüc k, der
nach demZweiten Weltkriegzunächstmit Präservativen ausamerikanischen Armee-
beständenhandelte. Mittlerweile fertigt de rostwestfälisc he Betrieb mit 60 Mitarbei-
tern rund 100 MillionenKondome im BielefelderWerk und bestückt nach eigener
Aussagerund ein Drittel des deutschen Markts.ImJahr 2014 übergabHans-Roland
Richter dasUnternehmen an seinen SohnRobert, die sichdie Geschäftsleitungtei-
len. Imvergangenen JahrerwirtschafteteRitex 12 MillionenEuroUmsatz.

DASUNTERNEHMERGESPRÄCH:


„Ein XXL-Kondom istleicht zu verkaufen“


DasUnternehmen


Souverän


Konflikte


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