Die Welt - 07.03.2020

(Ben Green) #1
Kaum war die Leipziger Buchmesse abgesagt,
startete auf Twitter die lustige Aktion #bü-
cherhamstern.Geschaffen wurde der Hashtag
zugunsten unabhängiger Verlage vom Phantas-
tik Autoren Netzwerk (PAN). Die Idee,
Independent-Verlage durch massive Hamster-
käufe zu unterstützen, ist fantastisch. Nervig
wird es, wenn in Corona-Zeiten so ziemlich je-
der Newsletter mit den gleichen Hamsterwit-
zen um die Ecke kommt. Kostprobe gefällig?
„Wegen allgemeiner Unklarheit darüber, wie es
in den kommenden Tagen (Wochen, Monaten,
Jahren) weitergeht und wegen Frust über all
die schönen Begegnungen, Möglichkeiten und
Erlebnisse, die uns und unseren Autor*innen
nun traurigerweise entgehen, bleibt uns in die-
ser Situation der Ratlosigkeit, Ihnen vor allem
eins zu empfehlen: Tätigen Sie Hamsterkäufe!
Preppen, horten und: hamstern Sie. Kaufen Sie
Goldhamster, Zwerghamster, Streifenhams-
ter.“ Haha, denn: „Jetzt ist die Zeit, um sich
mit dem wichtigsten Gut einzudecken, das der
Mensch in Zeiten drohender Quarantäne
braucht. Nämlich Bücher.“ Mümmel, mümmel.
Selten waren Pointen vorhersehbarer.

UNWORT DER WOCHE


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07.03.20 Samstag,7.März2020DWBE-HP


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DWBE-HP

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30 DIE LITERARISCHE WELT DIE WELT SAMSTAG,7.MÄRZ2020


Das sogenannte „schöne Buch“empfeh-
len nicht nur wir jede Saison gern (siehe
Seite 36), es war auch schon in der „Lite-
rarischen Welt“vor 90 Jahren Thema. In
der Ausgabe vom 21. März 1930 gab es eine
Umfrage: „Legen Sie Wert auf gute Aus-
stattung Ihrer Bücher?“. Es antworteten
ein eitler Großschriftsteller; ein des-
illusionierter Populärautor; ein führen-
der Kunsthistoriker; ein politischer No-
vellist und ein heute fast vergessener
Freund von Sigmund Freud:

Thomas Mann:„Ich habe ein natürliches
Vergnügen daran, wenn der Verleger mei-
ne Bücher in schmucker und gediegener
Ausstattung unter die Leute bringt, finde
z. B. die dreibändige Dünndruckausgabe
meiner Erzählungen ganz reizend und
verurteile es scharf, dass sie so wenig ge-
kauft wird.“

Jakob Wassermann: „Sie ist mir nicht
gleichgültig, aber ich habe allmählich ein-
gesehen, dass die sogenannte schöne
Ausstattung der Verbreitung und Wir-
kung eines Buches hinderlich ist. Banal
genug, aber wahr.“

Julius Meier-Gräfe:„Ich ziehe natürlich
anständigen Druck vor. Geht das nur bei
hohem Preis, wodurch Auflagen ausge-
schlossen werden, will ich lieber schlech-
ten Druck und Holzpapier. Bei Kunstbü-
chern schreibt die Rücksicht auf die Ab-
bildungen Regeln vor, die in Frankreich
sehr oft nicht respektiert, aber bei uns
viel zu ernst genommen werden. Teurere
Bücher machen den Autor arm und den
Verleger nicht reich, und was das Publi-
kum, an dem uns liegt, damit anfängt,
brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Gewis-
se Abbildungswerke, auch solche durch-
aus nicht spezialisierter Art, können heu-
te nur teuer kalkuliert werden, weil die
notwendigen internationalen Verleger-
verbindungen fehlen.“

Bruno Frank:„Ein sauberes, einfaches
Glas für den Wein, mehr will der rechte
Trinker nicht. Klarer, deutlicher Druck,
ein Papier, das nicht hässlich wird, ein
Einband, der Form hält: darüber hinaus
sind meine Wünsche nie gegangen. Ein
Buch soll als Gegenstand physisch ange-
nehm sein, aber am besten ist’s, wenn
dem Leser dies physisch Angenehme gar
nicht ins Bewusstsein dringt.“

Albrecht Schaeffer: „Ein elend ausge-
stattetes Buch, das zehn Studenten oder
Bankbeamte lesen, weil sie es kaufen kön-
nen, ist mir lieber als ein glänzend ausge-
stattetes, das niemand liest. Da unsere
Bücher tatsächlich alle schön gedruckt
und ausgestattet werden, kann ich nicht
sagen, dass mir das missfiele. Aber der
teure Leinenband, von dem die Verleger
behaupten, dass ohne ihn kein Buch ge-
kauft würde, scheint mir ein ganz über-
flüssiger Luxus. Pappe ist gut genug für
Papier.“

AUS DEM ARCHIV


Diese schönen, eingefärbten Typo-Cover wurden zum Markenzeichen der Essayrei-
he „Fröhliche Wissenschaft“. Bjung-Chul Han und Hannah Arendt sind in diesem
Intellektuellenreservat ebenso vertreten wie László Földényi – der Ungar, der den
diesjährigen Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung erhält. Nur nicht
nächsten Mittwoch, wie geplant, denn mit der Buchmesse wurde auch die feierliche
Eröffnung im Gewandhaus abgesagt. Bis zum Ersatztermin halten wir uns an seine
alten Bändchen, die in diesem Fall Action pur versprechen. MARC REICHWEIN

László Földényi: Dostojewski liest Hegel in Sibirien und bricht in Tränen aus.
Matthes & Seitz. 64 S., 10 €.

JUDGE A BOOK BY ITS COVER


Einen Beweis für die Verschlimmerung
des allgemeinen Zustands lieferte die Re-
gierung selbst, als sie zweimal in sechs
Tagen ihre Strategie änderte. Zuerst hat-
te sie geglaubt, es sei möglich, das Übel
einzudämmen, indem man die Blinden
und die Infizierten an einigen dafür vor-
gesehenen Orten wie der Irrenanstalt
einschloss, in der wir uns befinden. Dann
jedoch vertraten einige die Vorstellung,
dass die Familien die Blinden bei sich zu
Hause betreuen und sie nicht auf die
Straße lassen sollten, damit sie nicht den
ohnehin schon schwierigen Verkehr be-
hinderten oder die Empfindsamkeit der
Menschen verletzten, die noch sehen
konnten und die ungeachtet der mehr
oder weniger beruhigenden Mitteilungen
glaubten, das Weiße Übel übertrage sich
über die Augen wie der böse Blick.

DAS RÄTSEL


In dieser Woche suchen wir einen Roman
über eine Pandemie. Wie heißt er? Und
wer hat ihn verfasst? Lösungsvorschläge
bitte an die Redaktionsadresse oder
[email protected].
In der vergangenen Woche suchten wir
„Das Dekameron“ von Boccaccio. Ge-
wonnen hat Eva Sauter aus Figö/CH.

Der Journalist Ronan Farrow ist der
Sohn von Woody Allen und Mia Farrow.
Nach der Scheidung heiratete der Regis-
seur seine Adoptivtochter Soon-Yi Far-
row. „Er ist mein Vater, der meine
Schwester geheiratet hat. Das macht
mich zu seinem Sohn und seinem Schwa-
ger. Das ist eine moralische Grenzüber-
schreitung“, sagte Farrow uns vor zwei
Jahren (LITERARISCHE WELT vom
18.8.2018). Gegen Allen liegen seit Jahr-
zehnten Missbrauchsvorwürfevor. Sei-
ne Adoptivtochter Dylan Farrow wirft
ihm vor, sich in ihrer Kindheit an ihr ver-
gangen zu haben. Der Regisseur hat die
Vorwürfe stets zurückgewiesen. Jetzt ist
Ronan Farrow, der als Journalist 2017
maßgeblich zum Start der MeToo-Bewe-
gung beigetragen hat, die den Filmprodu-
zenten Harvey Weinstein 2017 zu Fall
brachte, sauer: Ausgerechnet die Verlags-
gruppe Hachette wird am 7. April die
Memoiren von Woody Allen herausbrin-
gen. Der gleiche Buchkonzern, der 2017
„Catch and Kill“ veröffentlicht hat, Far-
rows Buch über mächtige Männer, die
sich ihrer Verantwortung für sexuellen
Missbrauchentziehen, plant jetzt die
Autobiografie von Woody Allen. Aus Pro-
test gegen die Veröffentlichung hat Far-
row die Zusammenarbeit mit seinem Ver-
lag aufgekündigt. Auf Deutsch wird Woo-
dy Allens Autobiografie unter dem Titel
„Ganz nebenbei“ bei Rowohlt erschei-
nen, auch am 7. April.

DER SKANDAL


}


PROLEGOMENA


*


*PROLEGOMENA: „EINLEITUNG, WELCHE GEMEINGLICH VORGÄNGIG NÖTHIG IST, DER VÖLLIGEN UNTERWEISUNG EINER WISSENSCHAFT VORHERGESETZT ZU WERDEN, DAMIT DER LESER DIESELBE BESSER FASSEN MÖGE“ (ZEDLERS UNIVERSAL-LEXICON, 1754).

U Verantwortlich: Mara Delius Redaktion:Wieland Freund, Philipp Haibach, Marc Reichwein Gestaltung: Katja FischerU 1 0888 Berlin, Axel-Springer-Straße 65, [email protected]

Gleich für den ersten Roman („Frost“,
1963) hat Thomas Bernhard auch seinen
ersten Preis gewonnen, nämlich ein Drit-
tel des Julius-Campe-Preises, der 1964
unter drei Autoren aufgeteilt wurde. Je-
der erhielt 5000 Mark, was etwa 35.000
Schilling entsprach, und mit diesem herr-
lichen Preisgeld in der Tasche betrat der
33-jährige Autor das Autohaus Heller in
Wien und beschenkte sich mit dem ers-
ten Auto seines Lebens, einem weißen
Triumph Herald mit roten Lederpolstern
und edelhölzerner Armatur. Ein engli-
scher Sportwagen in der genau zu ihm
passenden Größe, wie er fand, und nie zu-
vor hatte er, der arm wie die Kirchenmaus
aufgewachsen war, sich so glücklich ge-
fühlt.
Noch glücklicher fühlte er sich, als er
wenige Wochen später über die Alpen
nach Jugoslawien brauste, genauer gesagt
nach Lovran in Istrien, wo Hedwig Sta-
vianicek, die 37 Jahre ältere Witwe, die
ihn seit Langem unterstützte, eine groß-
zügige Wohnung in der Villa Eugenia mit
Balkon und Blick auf die Adria gemietet
hatte, damit er in Ruhe arbeiten konnte.
Mitten in diesem herrlichen Luxus ent-
stand der sehr traurige zweite Bernhard-
Roman, „Amras“, und der Insel-Verlag ak-
zeptierte das Manuskript sofort und
schickte ein Telegramm.
Beseligt und „ganz erschöpft“ vor
Glück, stieg Thomas Bernhard in den He-
rald und brauste nach Rijeka, die betrieb-
same Hafenstadt, um sich ein wenig zu
zerstreuen. Am späten Nachmittag fuhr
er wieder zurück, die malerische Küsten-
straße entlang. Während er, der ur-
sprünglich Sänger hatte werden wollen,
unter den Strahlen der Abendsonne aus
vollem Herzen sang (Mahler vielleicht?
Oder Händel?), bog ein jugoslawisches
Auto von links in seine Fahrbahn, donner-
te gegen die Vorderseite des Herald und
verwandelte binnen Sekunden das
Prachtstück zu Schrott.
Und der Sänger? Hören wir ihn selbst:
„Mich selbst hatte es aus dem Wagen ge-
schleudert, aber ich stand gleich da und
ich fühlte keinerlei Schmerz. Auch der
Wagen des Jugoslawen war vollkommen
demoliert. Aus dem Wrack war der Fahrer
herausgesprungen und schreiend davon-
gelaufen, hinter ihm her eine Frau, die
ihm immerfort nachrief: „Idiota! Idiota!
Idiota!“
Ganz allein, verwirrt und blutüber-
strömt stand Bernhard auf der Straße,
doch ein hilfsbereiter Mann führte ihn zu
seinem Fiat 500 und raste zum nächsten
Krankenhaus, wo ein freundlicher,
Deutsch sprechender Chirurg den Dich-
terkopf wieder „zusammennähte“: Er war
mit einer Platzwunde davongekommen.
Einige Tage später aus der Klinik ent-
lassen, durfte Bernhard seinen zer-
quetschten „Blechklumpen“ auf dem Hof
des Polizeireviers besichtigen und Ab-
schied nehmen. Die Polizei überreichte
ihm ein ausführliches Unfallprotokoll,
aus dem klar hervorging, dass der Jugo-
slawe die alleinige Schuld trug.
Und obwohl alle Wiener Freunde dem
zurückgekehrten Autor versicherten, er
würde „nie einen Groschen“ aus Jugosla-
wien erhalten, beauftragte er einen erfah-
renen Anwalt, es trotzdem zu versuchen.
Und da „Meine Preise“ (Suhrkamp), wo-
rin er diese Geschichte erzählt, ein durch
und durch herrliches, heiteres Buch ist,
endet es damit, dass die Jugoslawen nicht
nur das Auto und den Anwalt bezahlten,
sondern auch eine „sogenannte Kleider-
abfindung“ der teuersten Art, obwohl er
doch bloß eine alte Hose getragen hatte!
Ja, im wirklichen Leben muss man sich
Thomas Bernhard als einen glücklichen
Menschen vorstellen. GISELA TRAHMS

Alles Schriftstellerleben sei Papier, heißt
es. In dieser Reihe treten wir den Gegen-
beweis an.

ACTIONSZENEN DER
WELTLITERATUR

Thomas


Bernhards


Unfall


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