Der Spiegel (2022-02-26)

(EriveltonMoraes) #1
DEUTSCHLAND

36 DER SPIEGELNr. 9 / 26.2.2022

W


er wird Millionär? Eine Fra-
ge, die an der Waldfrieden-
straße in Grünwald bei Mün-
chen keiner mehr stellen muss: rechts
und links Millionenvillen. Das Leben
muss es gut gemeint haben, wenn
man sich in dieser Lage etwas leisten
kann. Zum Beispiel das Traumhaus,
das im Herbst 2020 angeboten wur-
de. In der Anzeige hieß es: »Wunder-
schöne, luxuriöse Villa im nobelsten
Vorort«, 342 Quadratmeter Wohn-
und Nutzfläche, Luxusküche, Koi-
Teich, Blick ins Grüne. Und falls es
mal ungemütlich wird: »hohe Sicher-
heitsverglasung«.
Die Villa ist inzwischen verkauft,
für 3,75 Millionen Euro. Und wer im-
mer schon wissen wollte, was Mas-
ken-Millionarios mit ihren Krisen-
gewinnen aus dem Notjahr 2020 so
machen: Hier hat sich offenbar
schnell verdientes Geld in langlebiges
Betongold verwandelt. Neue Eigen-
tümer sind seit November 2020 An-
drea Tandler und ihr Partner Darius
N. Die beiden hatten zu Mondpreisen
Masken an den Freistaat Bayern, das
Land Nordrhein-Westfalen und vor
allem das Bundesgesundheitsminis-
terium vermittelt. Ein paar Monate
Arbeit, schon hatten sie sagenhafte
48 Millionen Euro Provision dafür
eingesackt, dass sie Ware der Schwei-
zer Firma Emix Trading an deutsche
Ministerien losschlugen.
Für Tandler mit ihren Drähten in
die CSU war das offenbar kein großes
Problem. Schließlich war ihr Vater
Gerold mal Minister in Bayern, ein
Amigo von CSU-Patron Franz Josef
Strauß. Und die Strauß-Tochter Mo-
nika Hohlmeier nun die Türöffnerin
beim Verticken der Emix-Masken.
Allein das Bundesgesundheitsminis-
terium von Jens Spahn (CDU) nahm
Ausrüstung für 712,5 Millionen Euro
ab. Bei einer bis dato so gut wie un-
bekannten Minifirma.
Weil Tandler danach aber wohl
nicht mehr wusste, wohin mit ihren
ganzen Masken-Millionen, war die
eine Villa nicht genug. Außer dem

Haus an der Waldfriedenstraße, in
das ein Verwandter von Darius N.
eingezogen sein soll, kauften sie und
ihr Partner in derselben Woche gleich
noch eines an der Grünwalder Peter-
Ostermayr-Straße. Diesmal lief es
über zwei ihrer Firmen, Kaufpreis
3,85 Millionen, wieder ohne Bank-
schulden. Das Haus wird gerade re-
noviert.
Das pure Glück ist der neue Reich-
tum trotzdem nicht: Zum Sozialneid
der Normalverdiener und zu den Bli-
cken der gut situierten Nachbarn, von
denen einige schon die Nase rümpfen
sollen, kommt die Spurensuche der
Staatsanwaltschaft München. Sie er-
mittelt gegen Tandler und Darius N.
wegen des Verdachts auf Steuerhin-
terziehung in Millionenhöhe und
Geldwäsche. Beide lassen alle Vor-
würfe bestreiten.
Gelandet waren die Provisionen
der Emix bei einer putzig klingenden
Little Penguin GmbH, auf Deutsch:
Zwergpinguin, hinter der Tandler und
Darius N. stehen. Dass die Firma zum
Zeitpunkt der meisten Maskendeals
noch gar nicht existierte und erst spä-
ter in der Gewerbesteueroase Grün-
wald gegründet wurde, könnte nach
Ansicht der Ermittler als Gewerbe-
steuerverkürzung zu werten sein.
Und dass die Hälfte der Provision bei
Darius N. landete, obwohl der Gast-

Per WhatsApp zu Reichtum


PROVISIONEN Die Kleinfirma Emix verkaufte Bund und Ländern Masken für mehr
als 700 Millionen Euro. Bisher unbekannte Chats zeigen, wie die Strauß-Tochter
Monika Hohlmeier und deren Freundin Andrea Tandler die Deals einfädelten.

48,3
Millionen
Euro

erhielten
Tandler
und Partner
Darius N.
als Provision
für die Ver-
mittlung der
Emix-Masken.

wirt offenbar nichts zu den Masken-
deals beitrug, könnte Ärger mit der
Schenkungssteuer geben.
Jedenfalls sind die Fahnder inzwi-
schen so misstrauisch, dass sie die
WhatsApp-Chats von Tandler mit
ihren Schweizer Geschäftspartnern
sicherstellten. Diese Nachrichten er-
lauben nicht nur Einblicke in den Ma-
schinenraum des damaligen Masken-
Business. Aus den Chats und weite-
ren SMS ergeben sich nun offenbar
drei Dinge: wie Tandler an die
Schweizer Maskenhändler kam. Wer
sonst noch fette Provisionen kassie-
ren sollte. Und wie sehr sich »die
Moni« – Strauß-Tochter Hohlmeier –
ins Zeug legte, um ihrer Duzfreundin
Andrea zu helfen.
Der 21. März 2020: ein Schrei-vor-
Glück-Tag für Andrea Tandler. »We
are millionaires«, jubelt sie, wir sind
Millionäre. Es klingt so, als könnte es
Tandler selbst kaum glauben. Gut
zwei Wochen nach den ersten Ab-
schlüssen mit Bayern und NRW
schickt sie den Triumph-Post in einen
Chat mit dem Namen »Döner macht
schöner«. Offenbar eine Spaßgruppe,
die nur so vor Emojis wimmelt und
die für die Maskendeals ansonsten
keine große Rolle spielt. Einer der
beiden anderen Chatfreunde ist aller-
dings ein Bindeglied für die Geschäf-
te: Niklas Fruth, Mitgründer einer
Werbeagentur in Zürich. Er hat Tand-
ler Ende Februar ins große Masken-
business gebracht. Auch Tandler hat
eine Werbeagentur. Ob sie sich
deshalb kannten, lassen beide auf
SPIEGEL-Anfrage offen.
Fruth, heute 38, hat Wirtschaft stu-
diert. Er gründet Firmen oder betei-
ligt sich an ihnen, meist im Werbe-
und IT-Bereich. Aber wenn es was
zu verdienen gibt, auch gern in einer
anderen Branche. 2019 investierte er
in ein Start-up in Zürich, das auf Pro-
dukte fürs Gesundheitswesen setzte.
Deren Chef: Dean T. Noch so ein
Jung-Entrepreneur vom Zürichsee,
immer auf der Jagd nach der nächsten
Chance. Und zugleich ein enger Ge-
schäftsfreund jener Nachwuchsunter-
nehmer der Emix Trading, die Anfang
2020 in der aufziehenden Pandemie
das Geschäft ihres Lebens witterten.
Mit Masken.
Am 28. Februar 2020 schloss Fruth
mit seiner Beteiligungsfirma Fruth &
Partner einen Provisionsvertrag mit
Emix Trading ab. Emix versprach ihm
zehn Prozent vom Umsatz, wenn er
Maskendeals heranschaffen würde.
Dafür durfte er auch Untermakler an-
heuern. Fruth verlor keine Zeit. Er
setzte Andrea »Drea« Tandler in die
Spur, um Geschäfte in Deutschland

Kaufobjekt Peter-
Ostermayr-Straße
in Grünwald: Zwei
Villen in einer Woche

DER SPIEGEL

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