Aero International Oktober 2017

(Chris Devlin) #1

Flugsicherungskosten Gate-to-Gate von 800
auf 400 Euro pro Flug halbiert werden. 1,6
Milliarden Euro hat die EU allein für den
Zeitraum 2016 bis 2020 dafür bereitgestellt.
Realisiert wird das Programm in Form ei-
ner öffentlich-privaten Partnerschaft von
EU-Kommission und Eurocontrol als Grün-
dungspartnern. Mit der Planung und Ko-
ordinierung der Modernisierung hat die
EU-Kommission die SESAR Deployment
Alliance beauftragt. Zu dieser gehören die
größten Flugsicherungsorganisationen, 25
Flughäfen sowie die Gruppe der sogenann-
ten A4-Airlines mit Lufthansa, Air France-
KLM, easyJet und IAG.
Das Modell, bei dem die Industrie ihre
volle Expertise einbringen und die Umset-
zung eines kritischen Infrastrukturprojekts
unter politischer Aufsicht durch die EU-
Kommission selbst in die Hand nehmen
kann, ist einzigartig. Die hier entwickelten
Technologien und Verfahren können oft-
mals auch unmittelbar in den fliegerischen
Alltag übernommen werden, so wie zum
Beispiel das neue Verfahren für die Südum-
fliegung von Frankfurt, das DFS, Lufthansa
und Fraport am 21. Juli dieses Jahres ver-
suchsweise eingeführt haben.


Das Navigationsverfahren RNP (Required
Navigation Performance) ermöglicht es ent-
sprechend ausgerüsteten Jets, GPS-basiert
so genannte Radius-to-fix-Kurven zu flie-
gen. Piloten, die dieses Verfahren anwen-
den, befliegen dabei in hoher Präzision eine
Kreisbahn, die von der Flugsicherung an-
hand eines festgelegten Radius, ausgehend
von einem fixen Punkt, definiert ist. Das
Ziel ist es, die Lärmbelastung zu verringern.

Lösungen im DetaiL
Ein anderes Beispiel ist iStream. Mit diesem
Konzept, das seit dem 13. Oktober 2016 am
Flughafen Zürich in Kraft ist, haben Flugha-
fen, Swiss und die schweizerische Flugsicher-
ungsorganisation Skyguide gemeinsam die
Warteschleifen während des morgendlichen
Verkehrsknotens um 96 Prozent verringert
und die geflogenen Anflugstrecken um rund
ein Drittel verkürzen können. Kern des Ver-
fahrens ist die verbesserte Kommunikation
zwischen den Beteiligten. Schon vor dem
Abflug erhalten die Piloten von Langstre-
ckenflugzeugen ein Zeitfenster für die An-
kunft. Statt einfach drauflos zu fliegen, pas-
sen die Besatzungen die Geschwindigkeit
unterwegs mit Hilfe des Flight Management

Systems so an, dass sie auf die Minute genau
ankommen.
Am Flughafen Heathrow ist starker Wind
eine der Hauptursachen für Ankunftsver-
spätungen, weil dieser die Fluggeschwindig-
keit über Grund verringert und die Flugzeu-
ge damit länger für den Anflug brauchen.
Bei Gegenwind von 40 Knoten in 1000
Metern Höhe, was im Frühjahr und Herbst
häufig der Fall ist, können statt 44 nur noch
34 Flugzeuge pro Stunde landen.
Weil Heathrow praktisch ständig an der
Grenze seiner Kapazität operiert, führt das
sofort zu Verspätungen. Im Rahmen von
SESAR wurde erfolgreich der Übergang
von einer räumlichen zu einer zeitbasier-
ten Staffelung demonstriert und jetzt in den
Regelbetrieb übernommen. Der Abstand
der Flugzeuge wird nicht mehr in Kilome-
tern, sondern in Sekunden definiert. Bis zu
80 000 Verspätungsminuten können so pro
Jahr eingespart werden, schätzt die britische
Flugsicherung NATS. Auch dieses Verfah-
ren ist auf andere Flughäfen in Europa über-
tragbar und wird dazu beitragen, wetterbe-
dingte Verspätungen auf den Airports zu
reduzieren.
Heinrich Grossbongardt

10/2017 http://www.aerointernational.de 51

Fotos: DF

s/VK/PD/H.-J. Koc

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