Aero International Oktober 2017

(Chris Devlin) #1
80 http://www.aerointernational.de 10/2017

E


s war ein gut kalkuliertes Risiko, aber
das politische Projekt hätte auch schief-
gehen können: Nachdem sich die Regie-
rungen Frankreichs, Deutschlands und des
Vereinigten Königreichs 1967 darauf geei-
nigt hatten, gemeinsam ein europäisches
Gegengewicht zum bis dato dominierenden
US-Flugzeugbau zu schaffen, stand die Fra-
ge eines ersten Produkts im Raum.
„Geburtshelfer“ war die Nachfrage der
US-Fluglinien nach einer deutlich größe-
ren Ergänzung zu Boeings 727. Großraum-
flugzeuge gab es zwar in Form der DC-10
und Lockheed Tristar bereits, doch das
sind Dreistrahler, im Wesentlichen für die
Langstrecke. Zweistrahlig über den Atlan-
tik zu fliegen, wäre damals auch noch nicht

möglich gewesen. So schuf sich Airbus ei-
nen eigenen Nischenmarkt – mit dem Mo-
dell A300 für maximal 345 Passagiere und
knapp 7000 Kilometer Reichweite.
Das erste Ergebnis der gemeinsamen
Anstrengungen erhob sich als A300B1 mit
der Herstellerseriennummer MSN 001 am


  1. Oktober 1972 in Toulouse zum ersten
    Mal in die Luft und erwies sich als solider
    Grundstein für eine erfolgreiche Passagier-
    flugzeug-Familie und gleichzeitig für eine
    erfolgreiche integrative paneuropäische In-
    dustriepolitik. Leider existieren von diesem
    allerersten Airbus nur noch einige Baugrup-
    pen, beispielsweise ein Rumpfsegment und
    ein Tragflügel im Deutschen Museum in
    München.


KatastrophE von amstErdam


Keine Angst vor Mach 1


Kollisionen großer verkehrsflugzeuge mit
Wohn- oder Geschäftsgebäuden werden
seit dem 11. september 2001 vor allem mit
terroranschlägen assoziiert, dabei sind sie
aufgrund der heute meist dichten Bebau-
ung in der Umgebung von Flughäfen bei
abstürzen leider fast unvermeidlich – zuletzt
im Fall eines 747-Frachters der turkish
airlines in Kirgistan. vor 25 Jahren hingegen
blickte die Welt nach amsterdam: Ein Boe-
ing-747-200-Frachter der El al war anfang
oktober 1992 mit der Flugnummer 1862
zwischen new York und tel aviv unterwegs.
Ein planmäßiger Zwischenstopp erfolgte am


  1. des monats, einem sonntag, in schiphol.
    Kurz nach dem start, mitten in der steig-
    flugphase, riss das rechte, innen montierte
    triebwerk, die nummer 3, vom tragflügel
    ab, kollidierte mit dem daneben gelegenen


antrieb nummer 4 und riss diesen mit in die
tiefe. dabei wurden auch zwei hydraulik-
systeme und große teile der tragflächen-
struktur in mitleidenschaft gezogen.
Beim versuch notzulanden kam es zu
einem unkontrollierbaren strömungsabriss.
das Flugzeug stürzte im ortsteil Brijlemeer
in einen Wohnblock und setzte diesen in
Brand. neben der vierköpfigen Besatzung
starben am Boden weitere 39 menschen.
Ursache der tragödie war ein wegen
materialermüdung oder minderer Qualität
gebrochener Bolzen am triebwerk nummer
3, was eigentlich bei routinekontrollen hätte
auffallen müssen. die piloten jedenfalls
hatten keine Chance, das Unglück zu verhin-
dern, das die bis dahin sehr gute sicher-
heitsbilanz der israelischen staatslinie
wesentlich trübte.

Vor 25 JAhren: El-al-aBstUrZ

Vor 70 JAhren: ErstEr ÜBErsChallFlUG

aufgrund des rasanten, kriegsbedingten
und technischen Fortschritts konnten
die Fluggeschwindigkeiten von Kampf-
flugzeugen gegen Ende des Zweiten
Weltkriegs nahe an und, beispielsweise
im Fall der deutschen Konstruktionen
messerschmitt me 163 und 262, auch
auf mehr als 1000 km/h gesteigert
werden. doch in der nähe der schallge-
schwindigkeit machten die piloten die
unangenehme Erfahrung von stoßwellen
aufgrund der komprimierten luft. das
phänomen wurde plastisch „schall-
mauer“ genannt.
mit dem im Januar 1946 erstmals,
zunächst antriebslos geflogenen, eigens
für diesen Zweck entwickelten For-
schungsflugzeug Bell X-1 tasteten sich
Us air Force und die damalige Flugfor-
schungsbehörde naCa systematisch
an die Barriere heran. das Flugzeug
war aerodynamisch nicht viel mehr
als eine vergrößerte Gewehrkugel mit
ungepfeilten tragflächen und raketen-
antrieb. probleme gab es mit der
geringen Wirksamkeit des höhenruders
aufgrund des stoßwelleneffektes. Erst
die ansteuerung der gesamten Flächen
mit Elektromotoren statt muskelkraft
löste diese.
am 14. oktober 1947 war es dann so
weit: ausgeklinkt von einem B-29-Bom-
ber beschleunigte pilot Charles „Chuck“
Yeager die von ihm „Glamorous Glennis“
genannte X-1 in 15 000 metern höhe als
erster mensch über die schallgeschwin-
digkeit hinaus und erreichte mit knapp
1100 km/h in rund 13 000 metern höhe
mach 1. damit war vor allem für militäri-
sche Flüge eine Entwicklung angestoßen
worden, die zu enormen Fortschritten
bei der Beschleunigung von Flugzeugen
geführt hat. heute, knapp 15 Jahre nach
dem letzten Flug der Concorde, wird
allerdings wieder über zivile Überschall-
flüge nachgedacht.

GEGEnGEWiCht


Vor 45 JAhren: ErstFlUG dEr a 300

Rückspiegel


tEXtE: dr. roBErt Kl

UGE | Fotos: arChiv diEtmar plath / WiKimEdia Commons

Die A300 gilt als das erste
zweistrahlige Großraumflugzeug
der Luftfahrtgeschichte

Charles „Chuck“ Yeager durchbrach 1947
als erster Mensch die Schallmauer
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