Flugzeug Classic April 2017

(Dana P.) #1

Professor Richard Feldtkeller in Stuttgart des
magnetischen Verfahrens annimmt. Beide Va-
rianten müssen anschließend dann noch
praktisch erprobt werden.
Äußerst wichtig ist es deshalb, vorab fest-
zustellen, ob die Fw 190 überhaupt mit der
geplanten Anordnung der Rohre in der Trag-
fläche flugtechnisch in Ordnung ist. Focke-
Wulf baut für die Erprobung des SG 113 die
Fw 190 F-8, Werknummer 582071, DR+MH,
zur neuen Fw 190 V75 um. Testpilot Bern-
hard Märschel startet mit der modifizierten
Maschine erstmals am 26. September 1944 –
und es zeigt sich, dass beim senkrechten Ein-
bau der Geräte im Flügel die Flugeigenschaf-
ten nicht leiden. Auch im Abkippverhalten
beim überzogenen Geradeaus- und Kurven-
flug verhält sich die V75 nicht viel anders als
eine Serien-Fw-190. Selbst der Zielanflug
verläuft damit einwandfrei. Focke-Wulf tes-
tet die Anlage sogar im Sturzflug bis zu
700 km/h, alles bleibt störungsfrei.
Das zweite zentrale Anliegen besteht da-
rin, die Horizontalgeschwindigkeiten festzu-
stellen. Im Vergleich zu einer serienmäßigen
A-8 stellt sich heraus, dass die Förstersonde
rund 25 km/h Fahrt schluckt. Die V75 er-
reicht am Boden 485 km/h. Im Oktober 1944
ändert Focke-Wulf die Anlage noch so ab,
dass die Rohre beim Abwurf komplett aus
dem Flügel herausrutschen. Übrig bleiben Lö-
cher in den Tragflächen. Doch selbst in die-
sem Zustand ändert sich das Flugverhalten
der Fw 190 nicht, das Abkippverhalten bleibt
normal. Nach dem Abwurf des SG 113 ein-
schließlich der Verkleidungen wird die Ma-
schine wieder schneller, und zwar deutlich
um 16 bis 20 km/h.


In zwei Monaten funktionsreif
Die Flugerprobung endet nach wenigen Wo-
chen. Am 17. Oktober wird die F-8 dem FGZ
übergeben, FGZ-Erprobungsflieger und Di-
plom-Ingenieur Dietrich holt sie ab. Dort be-
ginnt jetzt die Kleinarbeit und der Einbau der
neuartigen Sonden in die Fw 190. Probleme


bleiben nicht aus: Der Empfänger arbeitet zu
empfindlich und das Fahrwerklager stört die
Spulen der Sonden. Aber noch nicht einmal
zwei Monate später, am 5. Dezember 1944,
teilt die Forschungsanstalt mit, dass es nun
endgültig gelungen sei, die Sonde in den äu-
ßeren Flügel anstelle der äußeren Flügelwaffe
so einzubauen, dass das Auslösegerät in der
Fw 190 einwandfrei arbeitet. Erreicht hat man
dies durch eine Verringerung der Empfind-

lichkeit des Empfängers um den Faktor zehn.
Außerdem wurde die Sonde an der Stelle der
äußeren Flügelwaffe belassen, aber so weit in
Flugrichtung aus dem Flügel hervorgeholt,
dass ihre Spulen nun symmetrisch zum Lager
des Fahrwerkbeines liegen. Dies war bisher
eines der größten Probleme, denn eben dieses
Lager hatte sich als hauptsächliche Quelle für
die Störungen erwiesen.
Nun haben die Ingenieure die Sonde teil-
weise bis zu 40 Zentimeter über die Flügel-
nase herausgezogen, der übrige Teil bleibt
weiter im Flügel eingebaut. Die Tests in dieser
Form verlaufen laut FGZ äußerst zufrieden-

stellend; die Störungen sind durch die getrof-
fenen Maßnahmen auf ein Viertel zurückge-
gangen. Ein Auslösen beim Überfliegen eines
großen Panzers gelingt noch sicher in zehn
Meter Höhe über der Turmoberkante, bei
kleineren Fahrzeugen noch bei acht Metern.
Gegen den abgeänderten Einbau hat auch
Focke-Wulf keine Bedenken, die Sonde bleibt
nun serienmäßig an ihrem festgelegten Platz.
Außerdem wird die Anlage so abgeändert,

dass man eine beliebige Reihenfolge beim
Schießen aus den vier Rohren wählen kann,
der Übergang von der linken auf die rechte
Sonde zeigt ebenfalls keinerlei Schwierigkei-
ten. Die durchgeführten Schießversuche zei-
gen, dass sowohl die Sonden als auch das
Auslösegerät einwandfrei arbeiten.

Verbesserte Munition
Die Anlage besteht jetzt aus den beiden Son-
den für die linken und rechten Rohre, dem
Sender-Empfänger mit Auslöseteil und ei-
nem Verteilerkasten, der das Umschalterelais
für die Sonden enthält. Während Sender-
Empfänger und der Verteilerkasten im
Rumpf installiert sind, liegen der Sicherheits-
knopf und der Rohrwahlschalter beim Pilo-
ten. Zum Zeitpunkt dieser Meldung sind bei
der FGZ bereits fünf dieser Geräte vorhan-
den, dazu Sonden und Verteilerkasten zum
Ausrüsten einer zweiten Fw 190. Weitere
Sonden sind bereits im Bau. Während die
Auslöseanlage einwandfrei arbeitet, gibt es
noch Schwierigkeiten mit der Munition. Die
Verzögerungszeit ist zu groß, sodass die Tref-
fer beim Überfliegen eines Panzers noch hin-
ter dem Ziel liegen. Allerdings liegt in Rech-
lin schon Munition neuerer Bauart vor, die
diese Probleme nicht mehr aufweist. Die Er-
probung des Auslösegerätes und des Aus-
löseverfahrens in der Fw 190 ist jetzt abge-

FLUGZEUG CLASSIC4/2017 19


Bei der Fw 190 baute man die verkleideten
Rohre des SG 113 in der Tragfläche ein ...

... und so ging die Maschine Ende 1944 zur
Erprobung nach Tarnewitz

Versuche mit Auslösegerät in Fw 190 sind


erfolgreich verlaufen – Kriegstagebuch TLR.


Ebenso wie das FGZ in Stuttgart erhielt
auch die Luftfahrtforschungsanstalt
Braunschweig eine umgebaute Fw 190
zu Versuchszwecken. Die Werknummer
586586 ging nach dem Focke-Wulf-Um-
bau an die LFA zur weiteren Erprobung.
Auch in Braunschweig verliefen die Ver-
suche mit der elektrostatischen Aus-
lösung erfolgreich. Bei entsprechenden
Beschussversuchen im Januar 1945
zeigten sich bei vier abgegebenen
Schüssen drei Treffer. Zwei davon durch-
schlugen den Panzer, einer traf die
Schweißkante und prallte ab. n

In Brauschweig
rüstete man
drei Hs 129
und drei
Fw 190 F-
mit dem
SG 113 aus

Doppelter Erfolg

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