Handelsblatt - 01.11.2019

Georg Weishaupt Berlin

F

inanzchef David Schröder

ist vor dem Jahresend-

spurt mit „Cyber Week“

und Weihnachtsgeschäft

froh über die Zahlen des

dritten Quartals: Zalando hat sein Ge-

schäft deutlich gesteigert. Der Brut-

toumsatz aller über die Berliner Platt-

form verkauften Schuhe, T-Shirts, Ac-

cessoires und Beauty-Produkte stieg

gegenüber dem Vorjahr um 24,6 Pro-

zent auf 1,9 Milliarden Euro. Er liegt

damit am oberen Rand des für dieses

Jahr angekündigten Wachstumskorri-

dors von 20 bis 25 Prozent.

Auch der Gewinn vor Zinsen und

Steuern (Ebit) verbesserte sich deut-

lich von minus 38,9 auf plus 6,3 Mil-

lionen Euro, wie Zalando am Don-

nerstag bekanntgab. Allerdings stand

unter dem Strich ein Nettoverlust

von 13,6 Millionen Euro.

Die inzwischen 29,5 Millionen Kun-

den kaufen auch etwas häufiger bei

Zalando ein. Erstmals in seiner Ge-

schichte verzeichnete das Unterneh-

men zudem mehr als eine Milliarde

Seitenbesuche, ein Plus von 37,3 Pro-

zent im Vergleich zum Vorjahr. Aber

der Wert der durchschnittlichen Be-

stellung ist im dritten Quartal erneut

gesunken: von 57,7 auf nur noch 56,6

Euro.

Finanzvorstand Schröder zeigt sich

am Donnerstag dennoch mit den

Quartalszahlen insgesamt zufrieden.

„Das Jahr ist bisher sehr erfolgreich

verlaufen. Unser Geschäft wächst in

allen Regionen stark. Diesen

Schwung wollen wir mit ins vierte

Quartal nehmen.“

Damit liegt Zalando zunächst wei-

ter im Plan, um seine Langfristziele

zu erreichen. So will Zalando das so-

genannte Bruttowarenvolumen, also

alle die auf der Plattform abgewickel-

ten Einkäufe, bis 2023/24 von 6,6 auf

20 Milliarden Euro steigern. Dieses

Vorhaben wird aber noch anspruchs-

voller als bisher gedacht. Denn Co-

Vorstandschef Rubin Ritter hat an

diesem Mittwoch in der Firmenzen-

trale in Berlin die neue Nachhaltig-

keitsstrategie bekanntgegeben. Und

die ist anspruchsvoll.

Dazu gehört es auch, bis 2023

mehr nachhaltigere Kleidung zu ver-

kaufen. „Wir wollen 20 Prozent unse-

res Bruttowarenvolumens mit nach-

haltigen Produkten erzielen“, sagte

er auf einer Veranstaltung, auf der er

und seine Kollegen die neue Strategie

vorstellten. Das wäre dann ein Um-

satz von vier Milliarden Euro. Heute

sind es erst 260 Millionen Euro. Er

geht davon aus, dass er trotz der neu-

en Strategie seine Langfristziele hal-

ten kann.

An der Börse kamen die Quartals-

zahlen und die neue Nachhaltigkeits-

strategie allerdings nicht gut an. Der

Aktienkurs sackte zeitweise um mehr

als acht Prozent auf 38,26 Euro ab.

Konsolidierung in der

Modebranche

André Reichel, Professor für Nach-

haltigkeit an der ISM Stuttgart,

macht aber klar, dass es mit etwas

grüner Kosmetik nicht getan ist.

„Wir müssen das ganze System der

Modebranche ändern. Da geht es

nicht mehr nur darum, dass die Un-

ternehmen wirtschaftliche Ziele er-

reichen, sondern auch ökologische

und soziale.“

Der Wandel zu mehr Nachhaltig-

keit werde zu einem gewaltigen Um-

bruch in der Industrie führen. „Wenn

viele Kunden künftig weniger Klei-

dung kaufen, können die Unterneh-

men das zum Beispiel durch den Ver-

kauf von teurerer Kleidung ausglei-

chen.“ Modeunternehmen könnten

künftig mehr Geld mit Dienstleistun-

gen verdienen. Aber er erwartet,

„dass es eine Konsolidierung in der

Branche geben wird“.

Kate Heiny, Direktorin für Nachhal-

tigkeit bei Zalando, machte sich dafür

stark, den Wandel mit Augenmaß zu

betreiben. „Wir müssen trotzdem die

Wünsche unserer Kunden treffen.“

Das heiße zum Beispiel: Nicht alle

Kunden wollen und können teurere

nachhaltige Kleidung kaufen. Zalan-

do könne mehr Nachhaltigkeit auch

nicht allein schaffen. „Wir müssen al-

le am Modegeschäft Beteiligten zu-

sammenbringen, um die CO 2 -Emissi-

on zu verringern“, sagte sie.

Zalando muss wie alle großen Un-

ternehmen aus der Onlinebranche

vor allem die Umweltbelastung durch

die vielen Paketlieferungen verrin-

gern. Eine wichtige Rolle spielen da-

bei die Retouren. Jede zweite Liefe-

rung wird wieder zurückgeschickt –

davon ein Drittel, weil die Größe

nicht stimmt. Stacia Carr, die das

Team Size & Fit bei Zalando leitet,

will „noch mehr Künstliche Intelli-

genz einsetzen, um besser passende

Kleidung zu liefern und so die Retou-

renquote zu senken“.

Außerdem versucht Zalando, im-

mer mehr Lieferungen an die Kun-

den in einem Paket zu bündeln, um

die Umweltbelastung zu verringern.

Carsten Keller, im Unternehmen für

den sogenannten Connected Retail

zuständig, will mehr Pakete über an-

geschlossene Handelspartner liefern

lassen. „Wenn die Händler das Teil

vorrätig haben, können sie es schnel-

ler und direkter an die Kunden lie-

fern, als wenn wir es aus einem weit

entfernten Lager schicken.“

Inzwischen arbeitet Zalando schon

mit 1 500 stationären Händlern zu-

sammen. Auch sie sollen dazu beitra-

gen, dass der CO 2 -Ausstoß weiter

sinkt. Doch es ist auch ein Umdenken

der Kunden notwendig. „Aber es gibt

auch Kunden, die trotz möglicher

Umweltbelastungen nicht auf die Lie-

ferung am gleichen oder nächsten

Tag verzichten wollen“, sagte Keller.

Und die will Zalando nicht verlieren.

Der Schwenk von Zalando zu ei-

nem nachhaltigeren Unternehmen

werde das Wachstum nicht belasten,

zeigte sich Finanzchef Schröder am

Donnerstag in einer Telefonkonfe-

renz zuversichtlich. „Ich rechne nicht

mit einem größeren Einfluss auf un-

sere Geschäftszahlen in diesem und

im nächsten Jahr“, sagte er.

Er hofft auch auf das Beauty-Ge-

schäft, das Zalando im Frühjahr ver-

gangenen Jahres startete. Es ist zwar

noch klein, aber es bringt offensicht-

lich die gewünschten Effekte. „Die

meisten Beauty-Produkte werden zu-

sammen mit Textilien gekauft“, sagte

der Finanzchef.

Zalando

Schwieriger Weg zum

grünen Modehändler

Die Modeplattform wächst. Die geplante Wende zu einem nachhaltigen

Unternehmen ist aber riskant und wird von der Börse nicht goutiert.

4,5

3,7

9-Monate 2018 9-Monate 2019

Kennzahlen Zalando

Aktienkurs in Euro

Umsatz

in Mrd.

Euro

Ebit

in Mio.

Euro

+304 %

38,79 €

HANDELSBLATT

1.1.2019 31.10.

*Durchschnitt: Bruttowarenvolumen/Zahl der Bestellungen, berechnet auf Grund-

lage der letzten 12 Monate v. dem Stichtag • Quellen: Unternehmen, Bloomberg

50

40

30

0

66,7

16,5

57,7 56,6

Waren-

korbgröße

in Euro*

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Zalando

22 Unternehmen & Märkte WOCHENENDE 1./2./3. NOVEMBER 2019, NR. 211