Süddeutsche Zeitung - 08.11.2019

(lily) #1

Vinothek W I N TER 2019


Aufstehen. Wenn es denn ein Lebensmotto für Dami-
ano und Amedeo Reale gibt dann dies: immer wieder
aufstehen. Dabei sieht die alte Familienvilla in der
Barockstadt Lecce von Weitem aus wie das gemachte
Bett. Von Nahem allerdings wirkt das Ganze weniger
„reale“, also königlich, sondern spiegelt die süditalie-
nische Realität. Glanz hingegen verbreitet die Kelle-
rei, in die die Brüder jeden verfügbaren Euro stecken.
Ursprünglich waren die Reales Fassweinproduzenten
der örtlichen Genossenschaft, hoch geachtet und mit
Ehrenämtern ausgestattet. Doch dann versiegten die EU-Subventionen. „Unser Er-
folg gründet buchstäblich auf Ruinen“, erzählt Damiano Reale, „denn wir übernah-
men nach deren Konkurs die Winzergenossenschaft. Wir waren einfach überzeugt,
dass unsere roten Rebsorten Negroamaro und Primitivo im Konzert der großen Wei-
ne mitspielen können.“
Gut 85 Hektar Weinberge umfasst der Besitz der Reales, doch nur die Trauben aus ih-
ren allerbesten Lagen gelangen in die überschaubare Flaschenproduktion. Nach fa-
mosen Anfangserfolgen wollten und mussten die Brüder den nächsten Schritt ma-
chen, denn der Weingeschmack der Konsumenten ändert sich nicht nur, er forderte
auch einen erneuten Qualitätssprung. „Als wir begannen, konnten die Weine nicht
mollig und überreif genug sein. Heute sind gerade die Deutschen deutlich anspruchs-
voller geworden. Es geht ihnen um Klarheit in der Frucht, Spannung, Komplexität“,
beschreibt Damiano die Entwicklung. Die aber fordert noch mehr Einsatz im Wein-
berg, noch penibleres Arbeiten im Keller und mehr Know-how. Also erfanden sich die
Reales ein drittes Mal neu, holten einen renommierten Önologen ins Boot, stellten mit
diesem jeden Handgriff in Weinberg und Keller auf den Prüfstand und hoben so sämt-
liche Prozesse auf ein in der Region bis dato nie gekanntes Level.
In der Salice Salentino Riserva verwirklichen Damiano und Amedeo ihren hohen win-
zerischen Anspruch. Basis hierfür ist die Rebsorte Negroamaro, die von vielen Fach-
leuten deutlich höher bewertet wird als der erfolgreichere Primitivo. Negroamaro er-
gibt – wenn Könner am Werk sind – tiefdunkle Rotweine mit Extrakt, ausladendem
Körper und einer machtvollen Tanninstruktur. Die Reifung im Barrique poliert die
dunkle Frucht und die Kräuterwürze heraus, nimmt den Tanninen die Wucht und
gibt ihnen samtigen Schliff. Was bleibt über die Reales zu sagen? Für diesen Wein hat
sich jedes Aufstehen allemal gelohnt.

Die Meister der


Selbst-Erfindung


Der Stiefelabsatz Italiens, das Salento, hat drei


Attraktionen: die Rebsorte Negroamaro, die Appellation


Salice Salentino und die furiosen Brüder Reale.


2017 Salice Salentino Riserva DO,
Vigneti Reale,
Apulien, Italien

Alkohol: 13,5 %
Restzucker: 8,4 g/l
Säure: 5,8 g/l
Rebsorten: 80% Negroamaro, 20% Malvasia Nera

Es hat ihm einfach keine Ruhe gelassen. Jávier Fernán-
dez‘ Familie besitzt 20 Hektar feinster Tempranillo-
Reben in der DO Cigales, 180 Kilometer nördlich von
Madrid. Nur hatte die gesamte Ernte bisher immer
die örtliche Kooperative eingefahren. Nichts Unge-
wöhnliches in Spanien, seit Generationen ist dies gang
und gäbe.
Jávier hätte es einfach dabei belassen können. Zumal
er in der gut zwei Autostunden entfernten Hauptstadt
in der Finanzbranche arbeitet, was ihm ein sicheres
Auskommen beschert. Aber die Sehnsucht endlich eigenen Wein zu produzieren, sie
wächst. Manch Verwandter hatte es ausprobiert, doch es war stets bei zaghaften Ver-
suchen geblieben. Im Jahr 2006 ist es schließlich so weit. Er fasst sich ein Herz und
fragt in der Familie, ob noch jemand Lust hätte auf ein riskantes Projekt: Hochwerti-
gen Rotwein erzeugen in der DO Cigales. Diese kleine Denominación de Origen in Spa-
niens Nordwesten gilt als Roséregion und ist hierzulande fast gänzlich unbekannt.
Ein veritabler Geheimtipp also. Denn nur zehn Kilometer entfernt liegt die prestige-
trächtige DO Ribera del Duero, Heimat teuerster Tropfen.
Das Terroir für Spitzenwein ist demnach gegeben. Seinen Bruder konnte er damit
begeistern, auch seinen Freund Álvaro Camarero, Arbeitskollege und heutiger Mit-
eigentümer der Bodega. Nun hieß es nichts dem Zufall zu überlassen. Schmucke Eti-
ketten werden bei einer Agentur in Auftrag gegeben, beste Fässer angeschafft und mit
Adolfo González ein erfahrener Önologe engagiert. An absolut jeder Stelle genießt Fi-
nesse den Vorzug vor Wirtschaftlichkeit. Schon die Gärung findet im Barrique statt,
danach reift der Wein 16 Monate in neuer französischer, amerikanischer und unga-
rischer Eiche. Derartige Reserva-Qualität lassen sich die berühmten Nachbarn vom
Duero gerne doppelt und dreifach vergüten.
Noch rigoroser geht die Traubenselektion vonstatten. Die über 85 Jahre alten Stöcke
liefern lediglich minimalste Erträge, schenken damit Würze, Konzentration und La-
gerpotential. Hiervon werden 93% des Leseguts verkauft und lediglich 7% ( ja, sieben!)
aus zwei Einzellagen zur Weinerzeugung auserwählt. Das macht jährlich knapp
4000 Flaschen. Wenn überhaupt. So Jávier und Álvaro nicht 100% zufrieden sind,
wird schon mal ein Jahrgang gänzlich ausgelassen. Umso mehr freuen wir uns,
Ihnen diesen kostbaren Tempranillo exklusiv präsentieren zu können. Lassen auch
Sie sich von Jáviers Herzblut – und seinem Wein – begeistern.

Kleine Kreszenzen


ganz groß


Jávier Fernández und Álvaro Camarero kreieren


Sehnsuchtstropfen fernab jeder ökonomischen


Sinnhaftigkeit. Dafür mit Herzblut und Begeisterung.


2013 Tempranillo „Balvinar“ Pagos Seleccionados,
Bodegas Fernandez Camarero SI,
Cigales, Spanien

Alkohol: 13,5 %
Restzucker: 1,2 g/l
Säure: 5 g/l
Rebsorten: 100% Tempranillo

Die Italiener sind radikale Regionalisten, zumal in
kulinarischen Angelegenheiten. Rom ist ihnen sus-
pekt und zentralistische Eingriffe wie der von Herzog
Clemens Wenzeslaus, der einst an der Mosel per De-
kret den Riesling als einzige Rebe durchsetzte, hät-
ten in Italien nicht die Spur einer Chance. Genau das
macht ja den großen Charme der Apenninhalbinsel
aus, dass sich gefühlt alle 25 Kilometer nicht nur die
geometrische Form der Pasta ändert, sondern auch die
Rebsorten. Selbstredend sind alle Italiener fest über-
zeugt, dass nur ihre Pasta und ihr Wein die einzig wahren wären. Andererseits führt
das Charmante auch zu einer gewissen Unübersichtlichkeit. So gibt es allein rund um
den Gardasee nicht weniger als 17 einzig in dieser Region vorkommende Rebsorten.
Eine davon ist Groppello.
Von der roten Rebsorte Groppello sind am lombardischen Südwest-Ufers des Gardasees
gerade mal 300 Hektar verblieben. Nur eine Handvoll Winzer hält an diesem tannin-
armen, waldbeerigen, wunderbar trinkigen und gänzlich unmodernen Weintyp fest.
Einer davon ist Massimo Sbruzzi. Der ist mittlerweile zurecht Stammgast in der Vino-
thek, weil es ihm ein ums andere Mal gelingt, überraschende Entdeckungen auf aller-
höchstem Niveau zu präsentieren. Sein Weingut Feliciana hat er binnen weniger Jahre
an die Spitze der Region geführt. Bereits zweimal gewann er die Vinalia, die inoffizielle
Weltmeisterschaft für den bekanntesten Wein vom Gardasee, den weißen Lugana.
Neben dem Weingut führt Signor Sbruzzi auch noch eine Osteria am See – der Mann ist
also gut beschäftigt. „Der Sonntag gehört mir, da haben Küche und Keller geschlos-
sen“, erzählt der Vollblutwinzer. „Da kümmere ich mich um mein Hobby: Die Wein-
berge mit den roten Groppello und Marzemino bei mir zu Hause in Brescia.“ Womit wir
beim nächsten Autochthonen wären. Der Marzemino steht für mollige Weine mit aus-
geprägten Wildkirschen- und Veilchennoten. Für seinen „Feliser“ kombiniert Massi-
mo Sbruzzi die beiden genannten mit kleineren Beigaben der italienischen Edelreben
Sangiovese und Barbera. Wer da an eine fantasievolle Eigenkomposition denkt, liegt
allerdings falsch. Der „Feliser“ ist ein vom Konsortium streng geprüfter Rotwein der
mindestens Weltruhm anstrebenden Appellation Riviera del Garda Bresciano DOC!
Wie gesagt, die Italiener sind radikale Regionalisten. Und was ein Massimo Sbruzzi
am Sonntag erzeugt, kann nur der einzig wahre Rotwein sein.

Der Sonntagswein


aus Brescia


Und sind auch die Rebsorten so unbekannt wie die Region:


Vollblutwinzer Massimo Sbruzzi erzeugt mit dem „Feliser“


einen in jeder Hinsicht fantastischen Rotwein.


2016 „Feliser“ Rosso,
Riviera del Garda Bresciano DOC,
Azienda Agricola Feliciana, Lombardei, Italien

Alkohol: 13 %
Restzucker: 3,5 g/l
Säure: 5,6 g/l
Rebsorten: 40% Groppello, 30% Marzemino,
15% Barbera, 15% Sangiovese

Selbst an den berühmten Ufern des Lago
di Garda gibt es noch echte Entdeckungen.
Dazu gehört dieser Rotwein mit seiner feinen Frucht,
die an Himbeeren, Brombeeren sowie dezente Würz-
noten erinnert. Am Gaumen bietet dieser Tropfen
unkomplizierten Genuss mit samtigen Tanninen.

Die Rebsorte Tempranillo schafft Weine mit
einem ganz eigenen Aromenspektrum, das wie
in diesem Fall von Lakritze über Veilchen, Dörrpflaumen
und dunkle Beerenfrüchte bis hin zu milden Gewürzen
und Röstnoten reicht. Ein reifer, saftiger Wein mit
balsamischen Noten und gut strukturierter Frucht.

Das barocke Städtchen Lecce ist nicht nur ein
Schatzkästchen großer Kunst, sondern auch
Heimat des Salice Salentino. Bei diesem Klassiker
des Südens herrschen süße Beerenfruchtaromen vor,
Maulbeeren, Brombeeren, aber auch Schwarzkir-
schen. Die Sonne des Südens verleiht ihm dann am
Gaumen den opulenten Charakter.

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