Handelsblatt - 08.11.2019

(Barré) #1
2 700 Mitarbeitern unter Leitung von Präsi-
dent Felix Hufeld beaufsichtigt sie mehr als
1 500 Kreditinstitute, 6 100 inländische
Fonds, 400 Kapitalverwaltungsgesell-
schaften und 550 Versicherer. Zudem
ist die Bafin für den kollektiven Ver-
braucherschutz zuständig. Selbst
steht die Behörde unter der Rechts-
und Fachaufsicht des Bundesfinanz-
ministeriums.
In den vergangenen Jahren erlebte
Deutschland eine Serie von Anleger-
skandalen, in denen Hunderttausen-
de von Anlegern mehrere Milliarden
Euro verloren. Stichworte sind hier die
Göttinger Gruppe, S&K, Infinus oder
Prokon. Die Pleite von Prokon veranlass-
te die Bundesregierung, im Kleinanleger-
schutzgesetz die Position der Verbrau-
cher zu stärken. Das verhinderte jedoch
nicht den bislang größten Anlegerskan-
dal im Land. Die Rede ist von der Contai-
nerfirma P&R. Hier sind 54 000 Anleger
mit 3,5 Milliarden Euro investiert. Noch
ist unklar, ob sie etwas von ihrem Geld
wiedersehen.
Im Einzelfall ist es immer schwer zu be-
urteilen, ob die Bafin ihre Kompetenzen

Frank M. Drost Berlin


S


chon in seinen Zeiten als finanzpoliti-
scher Sprecher der Grünen ließ Ger-
hard Schick häufig kein gutes Haar an
der Finanzaufsicht Bafin. Als Initiator
der Bürgerbewegung Finanzwende ist
der ehemalige Politiker mit Kollegen dem Auftrag
der Aufsicht, für mehr Verbraucherschutz zu sor-
gen, auf den Grund gegangen. „Die Akte Bafin“,
lautet der Report, der am Donnerstag in Berlin
vorgestellt wurde. Im Vorspann attestiert Finanz-
wende der Bafin, „zu mutlos, zu langsam, zu for-
mal“ aufzutreten.
Die Autoren des Reports des gemeinnützigen
Vereins, zu denen beispielsweise der Volkswirt
Martin Hellwig, der frühere Referatsleiter im Bun-
desfinanzministerium Michael Findeisen, der Fach-
journalist Stefan Loipfinger und der Kapitalmarkt-
Anwalt Peter Mattil gehören, haben die Tätigkeit
der Bafin analysiert, brandmarken Fehler und ma-
chen Verbesserungsvorschläge. „Die Bafin muss als
Finanzaufsicht stärker zugunsten des Verbrauchers
eingreifen“, fordert Schick. So werde etwa die Mög-
lichkeit der Produktintervention kaum genutzt, der
Bußgeldrahmen nicht ausgeschöpft. „Die Bafin
bleibt in vielen Aufgabenbereichen deutlich hinter
ihren Möglichkeiten zurück“, heißt es. Ihr fehle es
häufig an Tatkraft oder dem Willen einzugreifen.
Die Bafin ist eine mächtige Behörde. Mit ihren

wahrnimmt oder ob ihr die Hände gebunden wa-
ren, weil sie zwar formal Verkaufsprospekte prü-
fen, aber kein Urteil über das Geschäftsmodell des
jeweiligen Anbieters abgeben kann. Im Fall P&R je-
denfalls hat Finanzwende-Mitglied Loipfinger eine
klare Meinung: Der Bafin hätte auffallen müssen,
dass in den Prospekten Angaben zum Alter der
Container fehlten. „Wenn ich einen Gebrauchtwa-
gen kaufe, ist das Alter doch ein entscheidendes
Kaufargument“, regt sich der Experte auf. Was die
Bafin im Grauen Kapitalmarkt mache, komme ihm
vor „wie unterlassene Hilfeleistung“, kritisiert Loip-
finger. Die Behörde sei auch nicht auf die Idee ge-
kommen zu fragen, wie viele Container an Anleger
verkauft wurden und wie viele es tatsächlich gab.
„Der Skandal P&R hat sich unter den Augen der Ba-
fin entwickelt“, stellt Loipfinger fest.

Mangelnde Transparenz bei Fonds
Nach Ansicht des Experten für Fonds ist die Bafin
auch zu nachsichtig, was die Transparenzvorschrif-
ten für geschlossene Fonds und Investments nach
dem Vermögensanlagengesetz angeht. Nach den
Vorschriften müssen die Emittenten ihren Jahres-
abschluss innerhalb von sechs Monaten nach Ende
des Geschäftsjahrs offenlegen. Tatsächlich haben
aber unter 1 130 Anbietern (mit einem Anlagevolu-
men von insgesamt 8,2 Milliarden Euro) nur vier
von fünf ihren Abschluss vorgelegt. „Die Anleger
der meisten Anbieter sind im Blindflug unterwegs
und können nicht nachvollziehen, was 2018 mit ih-
rem Geld passiert ist“, sagt Loipfinger.
Der Gesetzgeber hat der Bafin 2016 mehr Kom-
petenzen im Bereich Verbraucherschutz übertra-
gen. Seitdem ist sie für kollektiven Verbraucher-
schutz zuständig, der auch gesetzlich als Aufsichts-
ziel definiert ist. Damit hat die Finanzaufsicht die
Kompetenz, Produkte zu verbieten und den Ver-
trieb zu beschränken. Im Jahr 2017 verbot die Bafin
beispielsweise den Verkauf von Beteiligungen mit
einer Nachschusspflicht (CFD) für Privatanleger,
weil die Produkte ein für Privatinvestoren völlig un-
kalkulierbares Risiko bergen. Darüber hinaus sei
nicht zu erkennen, dass die Bafin von ihren neuen
Eingriffsmöglichkeiten Gebrauch gemacht habe,
monieren die Verfasser des Reports. Auch wenn
sich die Zusammenarbeit mit Verbraucherschüt-
zern verbessert habe und die Bafin im Verbrau-
cherbeirat stets Flagge zeige, sei „der Verbraucher-
schutz unterbelichtet“, so das Fazit.
Die Bafin verteidigt sich. „Wir nehmen den Re-
port des Vereins Finanzwende mit Interesse zur

Bafin auf der


Anklagebank


Die Bürgerbewegung Finanzwende hat die Aktivitäten der


Finanzaufsicht Bafin näher unter die Lupe genommen.


Der Verbraucherschutz kommt zu kurz, lautet das Fazit.


Eine eigene Behörde sollte sich um Anlegeranliegen kümmern.


Bafin-Gebäude: Werden die
Kompetenzen ausgeschöpft?

Bloomberg


Bafin-Präsident
Felix Hufeld:
Kritik an der
Ausrichtung.

Bloomberg


Private


Geldanlage


(^40) WOCHENENDE 7./8./9. NOVEMBER 2019, NR. 216

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