interview: daniel brössler
und matthias kolb
A
nlässlich des 30. Jahrestags des
Falls der Berliner Mauer ist
Nato-Generalsekretär Jens Stol-
tenberg nach Deutschland ge-
reist. Er trifft Bundeskanzlerin
Angela Merkel, Bundespräsident Frank-
Walter Steinmeier und nennt die Nato
„Grundpfeiler der transatlantischen Si-
cherheit“. In der SZ widerspricht der Nor-
weger der harten Kritik von Frankreichs
Präsident Emmanuel Macron und blickt
voraus auf das Nato-Treffen im Dezem-
ber, an dem auch Donald Trump teilneh-
men wird.
SZ: Herr Generalsekretär, nach den Äuße-
rungen von Emmanuel Macron müssen
wir fragen: Ist die Nato hirntot?
Jens Stoltenberg: Die Nato ist stark, und
Nordamerika und Europa machen heute
gemeinsam mehr als früher. Wir haben un-
sere kollektive Verteidigung verstärkt und
erstmals seit vielen Jahren unsere Kom-
mandostruktur verbessert. Die USA erhö-
hen ihre militärische Präsenz in Europa,
mit mehr Soldaten, mehr Investitionen
und mehr Übungen. Und auch die europäi-
schen Partner investieren mehr in ihre
Sicherheit, seit fünf Jahren in Folge.
Aber hat Präsident Macron nicht auf eine
andere Art recht? Bei der Nato geht es
nicht nur um Panzer, sondern auch um
Vertrauen. Das Vertrauen schwindet, we-
gen des US-amerikanischen Präsidenten.
Es gibt immer Differenzen in der Nato,
denn wir sind eine Allianz aus 29 Demokra-
tien. Meinungsverschiedenheiten gibt es
in Handelsfragen oder beim Klimawandel,
aber Streit gab es früher auch, etwa in der
Suez-Krise 1956 oder im Irak-Krieg 2003.
Die Stärke der Nato besteht darin, dass wir
diese Probleme überwinden und uns
gegenseitig schützen und verteidigen. Die
Nato ist die einzige Plattform, wo sich
Nordamerikaner und Europäer in Fragen
der Verteidigung beraten – und zwar jeden
Tag. Fast immer kommen wir zu einer Eini-
gung, manchmal aber nicht. Dann ist es
wichtig, die strittigen Themen weiter un-
tereinander zu bereden.
Macron fehlt genau das. Er klagt, dass
Nordamerikaner und Europäer nicht
über Strategie und die wichtigen Themen
reden und sich nicht koordinieren.
Wir diskutieren regelmäßig über unseren
Umgang mit Russland, wo wir auf Abschre-
ckung und Verteidigung, aber auch auf Di-
alog setzen. Diese Position ist stark, weil
wir sie gemeinsam beschlossen haben,
und im Nato-Russland-Rat diskutieren
wir mit Moskau. Wir haben monatelang
über den Bruch des INF-Mittelstreckenver-
trags durch Russland und die Folgen bera-
ten, wir diskutieren über Terrorismus und
die Abwehr von Bedrohungen aus dem
Cyberspace. Über diese strategischen Fra-
gen reden wir jeden Tag.
Aber es ist doch ein Problem, wenn der
Präsident eines großen Nato-Landes auf
die Frage nach der Gültigkeit des Arti-
kel-5-Bündnisfalls antwortet: „Ich weiß
nicht.“ Das muss Ihnen Sorgen machen.
Alle 29 Nato-Partner bekennen sich eisern
zum Bündnisfall-Artikel des Gründungs-
vertrages, wonach ein Angriff auf ein
Mitgliedsland einen Angriff auf alle Ver-
bündeten darstellt. Dieses Bekenntnis
steht nicht nur auf Papier, wir sehen es in
der Realität. Der letzte US-Kampfpanzer
hat Europa 2013 über Bremerhaven verlas-
sen. Nun sind die Amerikaner zurück mit
einer ganzen Armeebrigade, das sind sehr
viele Panzer. Für mich gibt es keinen stär-
keren Ausdruck der Bündnissolidarität.
Die Nato ist in Polen und dem Baltikum
präsent. Und ich will betonen, worüber wir
uns auch einig sind: Wir tun das nicht, um
Kriege zu führen, sondern um Konflikte zu
vermeiden. Die Nato sichert den Frieden.
In Paris und Brüssel wird viel über Euro-
pas „strategische Autonomie“ geredet.
Es ist gut, wenn die EU mehr in Sachen Ver-
teidigung unternimmt. 90 Prozent der EU-
Bürger leben in einem Nato-Land. Ich wün-
sche mir so viel europäische Einigkeit wie
möglich, aber sie kann transatlantische
Einigkeit nicht ersetzen. Die Europäische
Union kann Europa nicht verteidigen,
schon gar nicht, wenn mit Großbritannien
das EU-Land mit dem größten Verteidi-
gungsbudget austritt. Es geht hier nicht
nur um militärische Fähigkeiten, sondern
auch um Geografie. Norwegen im Norden
ist ebenso wichtig für die Sicherheit im
Nordatlantik wie die Türkei im Süden, um
auf die dortigen Herausforderungen zu re-
agieren. Und die USA, Kanada und bald
Großbritannien sind entscheidend für Eu-
ropas Sicherheit. Gerade jetzt gilt es, die
Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Die
Wiedervereinigung Deutschlands und Eu-
ropas wäre ohne die Sicherheitsgarantien
der USA und Nato unmöglich gewesen.
Dann ist strategische Autonomie ein Irr-
weg?
Jeder interpretiert den Begriff anders. Ich
unterstütze es, wenn EU-Mitglieder koope-
rieren, etwa über den Verteidigungsfonds
EDF oder die strukturierte Zusammenar-
beit Pesco. Es darf aber nicht sein, dass et-
was dupliziert wird oder neue Hindernisse
aufgebaut werden, um Nato-Partner aus-
zuschließen, die nicht der EU angehören.
Berlin hält die Intervention der Türkei in
Syrien für völkerrechtswidrig. Schadet
diese Aktion eines Nato-Mitglieds nicht
der Glaubwürdigkeit der Allianz?
Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass
sich Partner eben manchmal uneinig sind.
Ich bin nach Beginn der Aktion nach Istan-
bul geflogen und habe Präsident Recep
Tayyip Erdoğan meine schweren Beden-
ken mitgeteilt. Durch die Spannungen be-
steht die Gefahr, dass sich die humanitäre
Lage verschlechtert, mehr Menschen lei-
den und die Fortschritte im Kampf gegen
den IS gefährdet werden. Die Lage bleibt
fragil. In der Nato diskutieren wir seit
Jahren über Syrien. Wir sind uns einig,
dass das Bündnis in der Region bleiben
soll, also mit Luftabwehrbatterien in der
Türkei und in der Ägäis, wo wir helfen, das
Flüchtlingsabkommen zwischen der EU
und der Türkei durchzusetzen. Alle wis-
sen, dass es für den Syrienkonflikt keine
einfache Lösung geben wird und dass die-
se auf politischem Wege gefunden werden
muss.
Stimmen Sie Annegret Kramp-Karren-
bauer zu, dass Berlin zu passiv war in Ver-
teidigungsfragen? Worauf hoffen Sie?
Deutschland spielt eine führende Rolle in
der Nato. Es ist nicht nur die größte Volks-
wirtschaft Europas, sondern auch das
Herz des Bündnisses. Ich begrüße die ver-
stärkten Anstrengungen, und die Bundes-
wehr ist bereits zentral für unsere Missio-
nen in Afghanistan und Kosovo, als Füh-
rungsnation der Battlegroup in Litauen
und momentan bei der „Speerspitze“.
Dann hat die Ministerin unrecht und
Deutschland hält sich gar nicht zurück?
Mich freut, dass sie den Wunsch aus-
drückt, noch mehr zu tun. Die Bedrohungs-
lage ist sehr komplex und schwierig gewor-
den. Dafür müssen wir uns rüsten, und die
deutschen Beiträge sind willkommen.
Sie feiern im Dezember den 70. Geburts-
tag der Nato. Wie groß ist die Angst, dass
der US-Präsident die Party versaut?
Donald Trump hat einen anderen Stil als
seine Vorgänger, mit denen ich zusammen-
gearbeitet habe. Aber er ist der Präsident
der Vereinigten Staaten und wie ich schon
sagte: Die Nato besteht aus 29 Ländern,
die von verschiedenen Politikern vertre-
ten werden, die mitunter starke Meinun-
gen haben. Aber trotzdem halten wir
zusammen. Das Treffen in London wird
gut werden, und man sollte sich doch
vor allem dann an einen Tisch setzen,
wenn es Differenzen gibt, und diese dis-
kutieren.
Paris –Holzzunge, langue de bois, ist in
Frankreich eine ebenso bösgemeinte wie
gängige Bezeichnung für phrasensatten
Politsprech. Jedes Mal, wenn Emmanuel
Macron verbal etwas zu sehr um sich ge-
hauen hat, heißt es aus seinem Umfeld im
Élysée, der Präsident spreche eben ohne
Holzzunge. Die Devise lautet: im Zweifel
lieber beleidigen als langweilen.
Müdes Abwinken gehörte denn auch
tatsächlich nicht zu den Reaktionen,
nachdem Macron am Donnerstag in ei-
nem Interview imEconomistdie Nato als
„hirntot“ bezeichnet hatte. Die deutsche
Kanzlerin Angela Merkel sprach von ei-
nem „Rundumschlag“ der „nicht nötig“
sei. Diese Einschätzung dürfte Macron
nicht teilen, er hat sein Ziel erreicht: Sei-
ne Kritik an der Nato wird nun überall
wahrgenommen.
Macron bewarb sich vor zweieinhalb
Jahren nicht nur für die Stelle des franzö-
sischen Präsidenten, sondern auch für
die des europäischen Hoffnungsträgers.
Die EU lernte ihn zunächst als fordernd,
aber optimistisch, ambitioniert, aber
charmant kennen. In den vergangenen
Wochen entdeckt Europa nun neue Sei-
ten an Macron. Er zeigt offen seine Unge-
duld und seinen Missmut und nimmt da-
bei in Kauf, andere zu verletzen. Die Fran-
zosen haben sich an dieses Verhalten fast
schon gewöhnt. Er nehme eben kein Blatt
vor den Mund, hieß es aus dem Élysée, als
Macron einem arbeitssuchenden Mann
erklärte, er müsse doch nur „einmal die
Straßenseite wechseln“ und schon fände
er einen Job.
Ähnliche Sprüche dieser Kategorie
kann man seit gut einem Jahr auf den
Westen der Gilets jaunes nachlesen. Sie zi-
tieren ihren Präsidenten, um zu zeigen,
warum er sie so wütend macht. Zu den
meistgehassten Macron-Sätzen gehören
auch diese: „Irre Kohle“ habe der Staat
für Sozialhilfe bisher ausgegeben, aber es
ändere ja eh nichts. Dann gab es seine Be-
merkung, in der er erfolgreichen Men-
schen diejenigen gegenüberstellte, die
„nichts sind“.
Im April dieses Jahres, als die Bewe-
gung der Gelbwesten immer noch nicht
völlig verschwunden war, rang sich Ma-
cron zu einer Entschuldigung durch. Es
tue ihm leid, wenn er „Menschen ver-
letzt“ habe, sagte er auf der ersten großen
Pressekonferenz seiner Amtszeit. Für ei-
nen französischen Präsidenten ist so eine
Entschuldigung außergewöhnlich. Seit-
dem hat Macron als Innenpolitiker sei-
nen Ton spürbar gemäßigt.
Verbal aufgerüstet hat er hingegen in
der Außenpolitik. Sein Abgesang auf die
Nato ist nicht die erste Provokation gegen-
über Ländern, mit denen Frankreich ei-
gentlich zusammenarbeitet. Vergangene
Woche sagte er in einem Interview, ihm
sei es lieber, dass Menschen legal einwan-
dern, statt über „bulgarische und ukraini-
sche Schlepperbanden“ ins Land zu kom-
men. Die bulgarische Regierung forderte
umgehend eine Entschuldigung.
Emmanuel Macrons Nato-Polemik ist
nicht aus der Luft gegriffen: Die Krise des
Bündnisses kann niemand leugnen. Um
zu verstehen, warum Macron in man-
chen Situationen so wenig Wert auf Diplo-
matie legt, sind zwei Faktoren wichtig:
sein beruflicher Werdegang und sein
Quereinstieg in die Politik. Macron wur-
de, so wie beinahe alle französischen Spit-
zenpolitiker, an einer der extrem selekti-
ven Eliteschulen ausgebildet. Diese Schu-
len formen ein Denken, das auf Wettbe-
werb, Leistung und Geschwindigkeit aus-
gerichtet ist. In Macrons Fall kommt ein
homogenes Umfeld hinzu, in dem kaum
jemand einen anderen Weg gegangen ist
und mäßigend auf den Präsident einwir-
ken würde.
Außerdem hält Macron am Narrativ
fest, dass er wie ein Außenseiter auf den
Politikbetrieb blicke. Schließlich hat er
sich nicht über Jahrzehnte hochgearbei-
tet, Präsident ist das erste Amt, in das er
gewählt wurde. So liest sich auch das In-
terview, das Macron demEconomistgege-
ben hat, vom Tonfall her, wie ein Ge-
spräch mit einem Experten, der von au-
ßen Urteile fällt.
Am Sonntagabend wird Macron in Ber-
lin für ein Abendessen mit Kanzlerin An-
gela Merkel und Bundespräsident Frank-
Walter Steinmeier erwartet. Er dürfte als
Staatsmann anreisen, nicht als Provoka-
teur. Der 30. Jahrestag des Mauerfalls sei
ein „Moment der Reflexion“, ein Anlass,
um „über den Sinn des europäischen
Projekts“ und „Wichtigkeit der deutsch-
französischen Partnerschaft“ nachzuden-
ken, heißt es aus dem Élysée.
nadia pantel
Berlin– Für einen Moment ist Mike Pom-
peo sprachlos. Er hat dem Publikum in ei-
nem Saal direkt am Brandenburger Tor so-
eben eine Geschichtsstunde erteilt, aus
dem Kalten Krieg erzählt, über die Kraft
der Freiheit doziert, die Gemeinsamkeit
der Demokratien beschworen. Nun wer-
den noch einige Fragen aus dem Publikum
verlesen. „Ist die Nato obsolet oder hirntot
oder beides oder keines von beiden?“, lau-
tet eine. Der US-Außenminister hält inne.
„So viele gute Antworten, so viele Kame-
ras“, murmelt er schließlich. So bleibt un-
gesagt, was Pompeo vom auf US-Präsi-
dent Donald Trump gemünzten Befund
des französischen Präsidenten Emmanuel
Macron hält, die Nato sei „hirntot“.
Der Frage aber, ob die Nato „obsolet“ ge-
worden ist, kann der Minister nicht so ein-
fach ausweichen, stammt sie doch ur-
sprünglich von seinem Boss, von Donald
Trump. Die Nato müsse sich ändern, tastet
sich Pompeo langsam voran, müsse sich
den neuen Herausforderungen stellen.
„Die Nato läuft immer Gefahr, obsolet zu
werden“, konstatiert er schließlich. Nur
weil es da ein „schönes Gebäude in Brüs-
sel“ gebe, könne man sich nicht darauf ver-
lassen, dass sie Bestand haben werde.
Von Natur aus ist Pompeo ein eher bulli-
ger Typ – ein Umstand, den er selbstiro-
nisch mit einer Schwäche für Dinosaurier-
socken unterstreicht. Er versteht aber
auch die Kunst der freundlichen, schein-
bar harmlosen Plauderei. „Wenn die Men-
schen glauben, sie könnten die Sicherheit
bekommen ohne die Ressourcen, welche
die Nato braucht, dann besteht die Gefahr,
dass die Nato ineffektiv oder obsolet wird.
Wir müssen auf der Hut sein“, sagt er fast
beiläufig. Die Diplomaten, die Abgeordne-
ten, die Leute aus den Denkfabriken, die
sich im Saal versammelt haben, wissen na-
türlich trotzdem, was sie gerade gehört ha-
ben. Auf der Hut sein, das ist Pompeos Bot-
schaft, müssen die Deutschen. Weil
Deutschland sich nur langsam dem Ziel
der Nato nähert, zwei Prozent der Wirt-
schaftskraft fürs Militär auszugeben, tobt
ja Trump gelegentlich auf Twitter.
Später, bei Angela Merkl im Kanzler-
amt, wird Pompeo dann vermerken, er ha-
be die „starke“ Ankündigung von Verteidi-
gungsministerin Annegret Kramp-Karren-
bauer (CDU) gehört, die Wehrausgaben
weiter zu erhöhen. Und Merkel wird ver-
sprechen, dass Deutschland „eine aktive
Rolle“ spielen werde, um Probleme in der
Welt zu lösen. Alles soll – im Rahmen der
Möglichkeiten – harmonisch wirken.
Der amerikanische Außenminister hat
sich Zeit dafür genommen. Am Donners-
tag reiste er durchs Land, besuchte US-Sol-
daten in Bayern, besichtigte zusammen
mit Außenminister Heiko Maas (SPD) das
einstige innerdeutsche Grenzörtchen Möd-
lareuth und reiste auch nach Halle zur Syn-
agoge, in der ein Rechtsradikaler vor weni-
gen Wochen ein Massaker verüben wollte.
Vor allem aber steht die Reise im Zeichen
des 30. Jahrestages des Mauerfalls.
Bei der Feier an diesem Samstag wird
Pompeo zwar nicht mehr in Berlin sein,
aber er stellt klar, dass es auch seine Feier
ist. Er spricht vom Kampf gegen den „Kom-
munismus und das Böse“ und erzählt von
seiner Zeit als US-Soldat in Bayern bis Ok-
tober 1989. „Zusammen haben wir den Kal-
ten Krieg gewonnen“, konstatiert er.
Nur sei der Kampf eben nie zu Ende.
Der Autoritarismus sei nur „einen Stein-
wurf entfernt, er wächst, und wenn wir ehr-
lich sind, war er nie wirklich weg“. Russ-
land werde geführt von einem „früheren
KGB-Offizier, der in Dresden stationiert
war, und fällt in seine Nachbarländer ein“.
China schaffe einen „ganz neuen Autorita-
rismus“ mit Mitteln der Unterdrückung,
die früheren DDR-Bürgern „schrecklich
bekannt vorkommen müssen“.
Nachdem er so über den gemeinsamen
Kampf gegen den Kommunismus gespro-
chen hat und die Feinde der Freiheit heu-
te, kommt Pompeo an jenen Punkt, der frü-
her einmal von jedem US-Außenminister
in Berlin erwartet worden wäre. „Es ist an
uns, unsere Freiheit und unser Zukunft zu-
sammen zu sichern“, sagt er. Insbesondere
die USA und Deutschland müssten zusam-
menstehen. Nur freie Gesellschaften wie
die amerikanische und die deutsche könn-
ten das nötige Kapital und die nötige
Macht aufbringen. Es gelte, die Errungen-
schaften „von 1776, 1945 und 1989“ zu ver-
teidigen. Pompeos Rede gipfelt schließlich
im Appell: „Wir müssen es zusammen ma-
chen, nie allein.“
So oder ähnlich haben das die meisten
schon öfter gehört im Saal. Trumps
Schwärmereien für Autokraten, seine
Twitter-Tiraden gegen Verbündete, sein
Wankelmut sind die eine Seite, Pompeos
Freundschaftsbekundungen die andere
Seite dieser US-Regierung. Beides aber ge-
hört zusammen, das wird auch diesmal
schnell klar. Pompeo lässt keinen Zweifel
daran, was die USA erwarten, etwa in Sa-
chen Ostsee-Pipeline „Nordstream 2“.
„Wir wollen nicht, dass die europäische
Energieversorgung von Wladimir Putin ab-
hängt“, sagt er. Auch dafür, dass der chine-
sische Huawei-Konzern nicht per se ausge-
schlossen werden soll vom 5G-Ausbau in
Deutschland, zeigt er wenig Verständnis.
Wie gefährlich das sei, sage schließlich
auch der deutsche Geheimdienst. Und für
die Nato verlange man von allen Verbünde-
ten „mehr“, also mehr Geld. Zur Sicherheit
trifft Pompeo dann in Berlin auch noch Fi-
nanzminister Olaf Scholz von der SPD – er-
klärtermaßen kein Freund des Zwei-Pro-
zent-Ziels.daniel brössler Seite 4
Verbale
Aufrüstung
Frankreichs Präsident Macron
gefällt sich als Provokateur
Holzzunge, sei wachsam:
Emmanuel MacronFOTO: AFP
Die USA erhöhen
ihre militärische
Präsenz in
Europa, mit mehr
Soldaten,
mehr Investitionen
und mehr Übungen.“
Jens Stoltenberg
Das Böse ist so nah
US-Außenminister Mike Pompeo blickt in Berlin auf den Kalten Krieg, rühmt Freiheit und Gemeinsamkeit. Und mahnt, dass diese weiter ihren Preis kosten
„Streit gab es früher auch“
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärt, warum die transatlantische Zusammenarbeit
besser sei als ihr derzeitiger Ruf – und warum sie nach dem Brexit umso wichtiger werde
Fremde FreundeNato,USA und Europa – was wird aus der jahrzehntealten Allianz?
DEFGH Nr. 259, Samstag/Sonntag, 9./10. November 2019 HMG POLITIK 11
Großer Empfang auf Schloss Bellevue: Jens Stoltenberg (Mitte), Generalsekretär der Nato, verewigt sich am Freitag auf Einladung von Bundespräsident Frank-Wal-
ter Steinmeier (rechts) im Gästebuch. Deutschland sei das „Herz des Bündnisses“, sagt der Norweger im SZ-Gespräch. FOTO: SOEREN STACHE / DPA
Der Kampf ende nie, sagt Mike Pompeo: Der Außenminister, der selbst mal in Bay-
ern stationiert war, mit US-Soldaten in Grafenwöhr. FOTO:RON PRZYSUCHA/PLANET PIX/DPA
Mit der Nato solle man auf der
Hut sein, sagt der Amerikaner.
Er zielt auf die Deutschen