Süddeutsche Zeitung - 09.11.2019 - 10.11.2019

(Greg DeLong) #1
von berrit gräber

T


rennung tut weh. Scheidung so-
wieso. Richtig schmerzhaft wird
es spätestens dann, wenn es um
die gemeinsam bezogene Miet-
wohnung geht. Wenn ein Zusam-
menleben unmöglich geworden ist – aber
keiner von beiden ausziehen will. Auch das
ist eine Folge der Wohnungsnot in Deutsch-
land: Wer mal eine bezahlbare Bleibe ge-
funden hat, der geht ungern freiwillig
raus. Und so gerät das Auseinanderdividie-
ren von Ehen, Lebenspartnerschaften und
auch Wohngemeinschaften immer häufi-
ger zum erbitterten Kampf um Bleiberecht
und Mietvertrag, speziell in Ballungsgebie-
ten wie München, Frankfurt, Berlin oder
Köln.
„Wer wen womöglich vor die Tür setzen
darf oder auch nicht, hängt nicht zuletzt
auch davon ab, ob ein Paar verheiratet ist,
in einer eingetragenen Lebenspartner-
schaft lebt oder nicht“, sagt Jutta Hart-
mann, Juristin beim Deutschen Mieter-
bund in Berlin. Auch in WGs gibt es jede
Menge Fallstricke, was Haftung und Kündi-
gung angeht.


Angenommen, Petra und Jörg haben
sich nach der Ausbildung kennengelernt,
sind ein Paar geworden und wollen erst-
mals zusammenziehen. Nach langer Suche
finden sie eine bezahlbare, hübsche Zwei-
zimmerwohnung. Wer den Mietvertrag un-
terschreibt, ist ihnen nicht wichtig. Weil
Jörg beim Treffen mit dem Vermieter ver-
hindert ist, übernimmt Petra die Formali-
tät. Was beide kurz vor Einzug viel stärker
beschäftigt, sind Einrichtungsfragen, wer
wie viel Geld für die Möbel beisteuert, und
ob der Flur nicht doch rot gestrichen wer-
den sollte. Erst Jahre später, als das Zusam-
menleben unter keinem guten Stern mehr
steht, ist es plötzlich entscheidend, wer da-
mals unterschrieben hat. Pocht Petra als
Mieterin zum Beispiel darauf, dass sie
nach der Trennung weiter in der Wohnung
bleiben wird, kann es für Jörg bitter wer-
den. Er muss dann raus, auch gegen seinen
Willen. Kündigungsschutz gibt es für ihn
nicht. Das Paar ist nicht verheiratet. Petra
muss nach dem Rauswurf ihres Ex-Part-


ners selbstverständlich allein für die Miete
aufkommen.
Andere Konstellation: Kündigt Petra,
weil sie die Trennung zum Anlass nimmt,
in eine andere Stadt zu ziehen, sieht es für
ihren Partner ebenfalls trüb aus. „Wer den
Mietvertrag unterschrieben hat, kann al-
lein kündigen. Der andere hat dann Pech“,
betont Hartmann. Beide müssen in diesem
Fall ausziehen. Sie können auch nicht ein-
fach vereinbaren, dass derjenige, der nicht
mitunterschrieben hat, wohnen bleiben
soll. Das geht höchstens mit Zustimmung
des Vermieters. Und die ist speziell in ge-
fragten Ballungsräumen mehr als unge-
wiss. Wird eine Wohnung in begehrter La-
ge frei, lässt sich problemloser an der Preis-
schraube drehen.
Hätten Petra und Jörg damals gemein-
sam den Mietvertrag unterzeichnet, wären
sie jetzt ebenfalls vom Okay des Eigentü-
mers abhängig, wenn einer der beiden woh-
nen bleiben möchte. Selbst wenn sich das
unverheiratete Paar untereinander einig
wäre, wer bleiben soll und wer gehen
muss, reicht das nicht aus. Spielt der Ver-
mieter partout nicht mit, müssen beide ge-
meinsam kündigen. Weigert sich einer der
unverheirateten Partner zu kündigen,
kann es hässlich werden. Dann muss ihn
der andere notfalls auf Abgabe der Kündi-
gungserklärung verklagen. Auch eine Un-
tervermietung sei meist keine Option, am
Ende doch noch in einer Wohnung bleiben
zu können, erklärt Hartmann. Auch diese
ist in der Regel von der Erlaubnis des Ver-
mieters abhängig.
Angenommen, Petra und Jörg haben ge-
heiratet und eine Wohnung als Ehepaar be-
zogen. Haben beide den Mietvertrag unter-
schrieben, haften beide für die Mietzah-
lung. Hängt der Haussegen schief und
zieht etwa Jörg Hals über Kopf aus, ändert
sich erst einmal nichts: Beide bleiben Ge-
samtschuldner. Auch wer auszieht, muss
weiter für die Miete aufkommen. Petra
kann von Jörg verlangen, dass er die Hälfte
der Miete übernimmt. Ob er in der Woh-
nung wohnt oder nicht, ist dabei nicht ent-
scheidend. Trennung und Auszug haben
keine Auswirkungen auf den Mietvertrag.
Die Mithaftung des ausgezogenen Ehegat-
ten bleibt so lange bestehen, bis der Miet-
vertrag mit ihm beendet wird. Zugleich
gilt: Zahlt Jörg nicht, muss seine Frau wohl
oder übel die volle Miete allein aufbringen.
Sie kann den Vermieter nicht darauf ver-
weisen, er solle sich an den Ehemann wen-
den. Wird auf Dauer nur anteilig gezahlt,
droht die Kündigung.
„Am einfachsten wäre es, wenn sich bei-
de einig werden und gemeinsam kündi-
gen“, betont Jutta Hartmann. Häufig weige-
re sich aber einer der Eheleute, einer Kün-
digungslösung zuzustimmen, denn wie ge-
sagt: Bezahlbare Wohnungen sind Mangel-
ware, und ein Umzug kostet Geld. Zudem
gilt: Während des ersten Trennungsjahres
besteht gar keine Pflicht, die Ehewohnung
aufzugeben. Um im Beispielfall zu bleiben:
Petra muss dem Kündigungswunsch ihres

Mannes vor Ablauf des Trennungsjahres
nicht zustimmen. Sie kann von Jörg verlan-
gen, dass er ihr die Ehewohnung zur alleini-
gen Benutzung überlässt – vorausgesetzt,
es käme sonst zu einer „unbilligen Härte“.
Das wäre etwa der Fall, wenn das Wohl der
gemeinsamen Kinder gefährdet wäre. Wer
den Mietvertrag unterschrieben hat, spielt
dabei keine Rolle, wie Hartmann erläutert.
Notfalls muss die Frage beim Familienge-
richt geklärt werden.
Ausnahmsweise kann bereits vor Ab-
lauf des Trennungsjahres die gemeinsame
Kündigung verlangt werden. Nämlich
dann, wenn schon feststeht, dass die Ehe
geschieden wird. Der ausgezogene Ehe-

partner muss auch nicht die Wohnung wei-
ter mitfinanzieren, wenn der Zurückgeblie-
bene einen neuen Lebensgefährten einzie-
hen lässt. Spätestens, wenn die Scheidung
eingereicht ist, muss derjenige, der in der
Wohnung geblieben ist, einer Kündigung
zustimmen. Zudem gilt: Anlässlich der
Scheidung haben die Partner einen An-
spruch auf Vertragsveränderung. Das wür-
de für Petra und Jörg bedeuten: Können
sie sich am Ende doch noch einigen, reicht
es, wenn sie das dem Vermieter gemein-
sam mitteilen. Petra könnte den Mietver-
trag übernehmen, Jörg scheidet aus dem
Mietverhältnis aus. Alle Regelungen gel-
ten auch für eingetragene Lebenspartner.

Auch in einer Wohngemeinschaft hängt
vom Mietvertrag sehr viel ab. Was häufig
unterschätzt wird: Unterschreibt nur ein
WG-Bewohner, ist er allein Mieter – und
haftet allein für die Überweisung der Mie-
te. Die anderen sind nur Untermieter.
Kann einer nicht zahlen, müsste der Haupt-
mieter für dessen Anteil aufkommen und
ihn sich dann zurückholen. Der Hauptmie-
ter kann dafür auch allein das Mietverhält-
nis kündigen. Das kann für die übrigen Be-
wohner zum Problem werden. Sie müssten
dann ebenfalls ausziehen. Haben alle un-
terzeichnet, können alle nur gemeinsam
kündigen. Jeder Bewohner haftet dann
auch gesamtschuldnerisch für die Miete:

Zahlen zwei von drei Mietern ihren Anteil
nicht, kann der Vermieter das dritte WG-
Mitglied in die Pflicht nehmen und von
ihm die volle Miete verlangen.
Weil es in WGs zum Semesterwechsel
oft wie im Taubenschlag zugeht, sollte der
Hauptmieter am besten gleich die Möglich-
keit zum Mieterwechsel vereinbaren, rät
Hartmann. Haben mehrere unterschrie-
ben, sollte im Vertrag stehen, dass an eine
WG vermietet wird. Zieht jemand aus, kön-
nen die übrigen WG-Mitglieder dann vom
Vermieter verlangen, dass sie Nachfolger
aufnehmen können, wie das Bundes-
verfassungsgericht entschied (Aktenzei-
chen: 1 BvR 1750/92).

Zahlt der Ehemann nicht,
muss dieEhefrau
die Miete allein aufbringen

Teure Trennung: Weil die Mieten vielerorts stark gestiegen sind, ist ein Umzug eine teure Angelegenheit. FOTO: IMAGO

DEFGH Nr. 259, Samstag/Sonntag, 9./10. November 2019 49


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Trennt sich ein Paar, beginnt häufig


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