Süddeutsche Zeitung - 09.11.2019 - 10.11.2019

(Greg DeLong) #1
von evelyn vogel

D


ass sich vor einem Museum
Warteschlangen bilden, pas-
siert immer wieder, wenn Aus-
stellungen besonders populär sind.
Doch mit Hilfe von Reservierungs-
und Online-Ticketsystemen, die Zeit-
fenster zuweisen, lassen sich die Besu-
cherströme deutlich besser lenken.
Auch unter konservatorischen Ge-
sichtspunkten ist das sinnvoll, damit
sensible Werke nicht Gefahr laufen, be-
schädigt zu werden. Als Museumsbesu-
cher akzeptiert man das auch und
nimmt gewisse Wartezeiten in Kauf,
wenn man weiß, dass man reinkommt.
Dass man für Führungen mit sehr
begrenzten Teilnehmerzahlen auch
keine Karten vorab kaufen oder
reservieren kann, ist völlig unverständ-
lich. Wer sich den Abend freihält und
rechtzeitig vor der Kasse ansteht, nur
um dann zu erfahren, dass alle Plätze

belegt sind, schimpft meist lautstark.
Und das mit Recht.
Dass man in weiten Teilen der bay-
erischen Museumslandschaft beim
Kartenverkauf noch auf dem Stand
des 18. Jahrhunderts ist, lässt sich nur
schwer nachvollziehen. Viele nationale
wie internationale Museen verfügen
über ein Online-Ticketsystem. Wie wä-
re es, sich ein paar anzuschauen? Viel-
leicht könnte man diese ja mit entspre-
chenden Anpassungen und für gar
nicht mal so viel Geld übernehmen?
Selbst die Stadt, die hier weiter zu
sein scheint als der Freistaat, hat es
noch nicht geschafft, das System, das
für das Lenbachhaus entwickelt wur-
de, zügig in ihren anderen Museen zu
etablieren. Stattdessen basteln Stadt
und Staat jeder für sich an eigenen
Online-Systemen. Auf ein gemeinsa-
mes Ticket fürs Kunstareal kann man
unter solche Bedingungen wohl noch
lange warten.

von andreas schubert

J


ugendliche in der Pubertät sind wirk-
lich zu beneiden. Ihr Hirn verfügt
über eine Art Schutzfilter, der alles
Langweilige erst gar nicht im Gedächtnis
ankommen lässt. Wer dann Jahre später
an seine Schulzeit denkt, dem fallen dank
des Filters vor allem die lustigen Seiten
des Schülerlebens ein. Der erste Verweis,
der erste Rausch, der zweite Verweis,
solche Sachen.
Museumsbesuche gehörten da nicht
dazu. Wer sich als 16-Jähriger nicht für
die ollen Steinköpfe in der Glyptothek
oder den technischen Krimskrams im
Deutschen Museum interessierte, durch-
lebte diese Exkursionen in einer Art
Wachschlaf. Man schleppte sich wie ein
Untoter an Millionen mit altem Zeug
gefüllten Vitrinen vorbei – und erwachte
erst wieder als Teil jenes Grüppchens,
das sich in den Biergarten abgesetzt hat-
te. So viel weiß man noch, nicht aller-
dings, ob der darauf folgende Verweis
nun der dritte oder vierte war.
Eine Idee des angehenden Lehrers Phi-
lip Fickel könnte Jugendliche bald wieder
ganz neu für Museen begeistern. Fickel,
der für die SPD im Bezirksausschuss Send-
ling sitzt, wünscht sich ein Müllmuseum,
also einen Ort, an dem die Münchner ler-
nen sollen, was mit ihrem Abfall passiert,
wie Recycling funktioniert und so weiter.
Das dort gewonnene Bewusstsein soll zur
Müllvermeidung beitragen. Auch Schul-
klassen sollen dann das Museum besu-
chen, so der Gedanke.
Ein grandioser Vorstoß: Dem Müll wid-
met sich bisher noch keines der mehr als
70 Münchner Museen, von den unzähli-
gen Privatsammlungen in Haushalten
und auf Büroschreibtischen mal abgese-
hen. Aber so weit ist es längst noch nicht.
Erst muss man sich überlegen, was man
in so ein Müllmuseum hineinstellt. Eine
Ausstellung historischer Plastiktüten?
Eine interaktive Mülleimer-Ecke zum Sel-
berfüllen? Ein Hologramm von Mün-
chens oberster Müllfrau Kristina Frank
als virtueller Museumsguide? Man kann
sich gut vorstellen, dass die Oberbürger-
meisterkandidatin der CSU da mitma-
chen würde, auch wenn die Idee von der
SPD kommt. Als öffentlichkeitsscheu gilt
sie nicht gerade.
Initiator Fickel dürfte mit dem Müll-
museum den Nerv der jungen Generation
treffen, die den Umweltschutz heute sehr
ernst nimmt. Wo das Museum hin-
kommt, ist allerdings noch unklar. Einig
dürfte man sich bisher nur darin sein,
dass es möglichst weit weg vom nächsten
Biergarten sein sollte.


von evelyn vogel

M


anche Besucherschlangen
sind legendär. Die vor dem
Pariser Louvre beispiels-
weise, oder die vor der
Petersburger Eremitage
und die vor den Florentiner Uffizien. Wer
während eines Wochenendtrips dort einen
Museumsbesuch plant, tut gut daran, vor-
ab online Tickets zu kaufen – und sich an
die Einlasszeiten zu halten. Auch wenn ir-
gendwo große Sonderschauen angekün-
digt sind, die das Zeug zum Blockbuster
haben, wie „Das MoMA in Berlin“ vor eini-
gen Jahren oder die große Bruegel-Schau
im Kunsthistorischen Museum in Wien im
vergangenen Winter, ziehen sich Besucher-
schlangen rund um Museen und Ausstel-
lungshallen.
Aber auch in der eigenen Stadt legen im-
mer mehr Museumsbesucher Wert dar-
auf, sich vorab im Internet eine Eintritts-
karte oder wenigstens eine Reservierung
zu besorgen. In München muss man sich
allerdings meist an der Kasse anstellen,
um eine Karte zu erwerben. Bei Daueraus-
stellungen und in ständigen Sammlungen
gibt es kaum Wartezeiten. Anders ist es bei
Sonderausstellungen. Bei der Florentiner-
Schau in der Alten Pinakothek im vergan-
genen Winter kam es oft zu Warteschlan-
gen an den Kassen. Auch bei Führungen,
die zahlreicher und beim Publikum immer
beliebter werden, kann man in den meis-
ten Häusern kein Ticket vorab kaufen oder
reservieren, obwohl die Plätze auf 25 Teil-
nehmer begrenzt sind. Das alles verärgert
viele Besucher.
Ausnahmen beim Online-Ticketing
sind das Deutsche Museum, die Kunsthal-
le und das Lenbachhaus. Das Deutsche Mu-

seum bietet online reguläre wie ermäßigte
Tickets an, die per E-Mail zugestellt wer-
den. Die Kunsthalle der Hypo-Kulturstif-
tung hat seit 2013 ein eigenes Ticketsys-
tem. Alle regulären Eintrittskarten für die
Ausstellung sowie Führungen und Sonder-
veranstaltungen können online gekauft
und zu Hause ausgedruckt oder aufs Han-
dy geladen werden. Damit geht’s direkt in
die Ausstellung. Allerdings funktioniert

das nicht bei ermäßigten Tickets, dafür
müssen sich etwa Kinder, Schüler oder Se-
nioren weiterhin an der Kasse anstellen.
Entscheidend dafür, wie der Ticketver-
kauf organisiert wird, ist häufig die Gesell-
schafterstruktur, also die Frage, wer das
Museum trägt und das Sagen hat. Hier gibt
es unterschiedliche Konstruktionen. Das
Deutsche Museum wird vom Freistaat und
dem Bund getragen.

Leichter sind Abstimmungen in der Re-
gel in Häusern, die in einer Hand sind, wie
das Lenbachhaus. Dieses ist ein rein städti-
sches Haus – und als solches das Pilotpro-
jekt in Sachen Online-Ticketing. Das
System, das es dort möglich macht, alle re-
gulären sowie ermäßigten Eintrittskarten
für Ausstellungen, Führungen und Work-
shops online zu bestellen, wurde gemein-
sam mit München Ticket erarbeitet. Bei
Sonderausstellungen (wie derzeit „Lebens-
menschen“ im Kunstbau) gibt das Zeitti-
cket ein Einlassfenster von 30 Minuten
vor. Die Aufenthaltsdauer ist jedoch unbe-
grenzt. Für andere städtische Museen wie
Stadtmuseum und Villa Stuck ist ein ähnli-
ches Ticketsystem „grundsätzlich in Ar-
beit“ und „orientiert an Angebot und Be-
darf geplant“, wie es aus dem Kulturrefe-
rat heißt.
Beim NS-Dokumentationszentrum ist
der Eintritt aktuell für alle Besucher frei.
Ob die derzeit bis April 2020 begrenzt Akti-
on verlängert wird, darüber soll im Stadt-
rat demnächst beraten werden. Auch, ob
man den Eintritt für das Jüdische Muse-
um dauerhaft kostenlos anbietet. Wer eine
München Card und oder einen City Pass
von München Tourismus hat, erhält ver-
günstigte oder kostenlose Eintrittskarten
in alle städtischen und staatlichen Muse-
en. Diese muss man jedoch an den Kassen
abholen. Was übrigens auch Kinder und Ju-
gendliche unter 18 Jahren tun müssen, die
in vielen Museen keinen Eintritt zahlen.
Am wenigsten Komfort gibt es bei den
Museen des Freistaats. „Derzeit bieten die
staatlichen Museen und Sammlungen des
Kunstbereichs noch keine Möglichkeit
zum Selbstausdruck von Tickets an“, wie
das Kunstministerium auf Anfrage bestä-
tigt. Beim Museum der Bayerischen Ge-

schichte in Regensburg kann man Tickets
online bestellen, sie werden dann zuge-
sandt. Das Gleiche gilt für die Jahreskar-
ten der Bayerischen Staatsgemäldesamm-
lungen. Ein begrenztes Online-Angebot
gibt es im Ägyptischen Museum für
Gruppen, und für Veranstaltungen kann
man per E-Mail Eintrittskarten reservie-
ren.

Kunstminister Bernd Sibler betont,
dass es ihm ein Anliegen sei, den Zugang
zu Kultureinrichtungen „so besucher-
freundlich wie möglich auszurichten“, da-
zu gehöre auch der Verkauf von Online-Ti-
ckets in den Museen. Vergangenen August
habe er die staatlichen Museen und Samm-
lungen dazu aufgefordert, Umsetzungs-
möglichkeiten für die Einführung solcher
Tickets zu prüfen. Doch Angaben zu einem
zeitlichen Ablauf und möglichen Kosten
könne man derzeit nicht machen. Das ge-
meinsame Ticket für alle städtischen und
staatlichen Häuser im Kunstareal, von
dem schon seit Jahren gesprochen wird,
ist noch lange nicht in Sicht.
Bernhard Maaz von den Bayerischen Ge-
mäldesammlungen kommentiert das The-
ma Online-Ticketing lakonisch: „Auch ich
hoffe auf ein baldiges Ermöglichen dieser
Verkaufsstrategie.“ Vielleicht können ihm
seine ehemaligen Kollegen in Berlin und
Dresden Tipps geben. Denn die Staatli-
chen Museen Berlin und die Staatlichen
Kunstsammlungen Dresden machen
längst vor, wie Online-Ticketing auch für
mehrere Museen funktioniert.

Andreas Schubert hätte
einige Exponatevon seinem
Schreibtisch beizusteuern.

KOMMENTAR

Von gestern


München–Mit den Christbäumen, die je-
den Advent am Marienplatz aufgestellt
werden, hat München gelegentlich gehö-
riges Pech. Mal war der von Gemeinden
aus Bayern, Österreich oder auch Südti-
rol gespendete Baum krumm und schief,
mal nadelte er bereits am ersten Tag. Am
Freitag passierte in der Gemeinde Mauth
(Landkreis Freyung-Grafenau) ein Mal-
heur: Beim Verladen der diesjährigen
Münchner Fichte brach die Spitze des
Baums ab. Doch mittlerweile gibt es ei-
nen Ersatzbaum, der am 12. November
am Marienplatz aufgestellt wird. anl


NR. 259,SAMSTAG/SONNTAG, 9./10. NOVEMBER 2019 PGS


Ersatzbaum für


Christkindlmarkt


Analog in der Warteschlange


Werin München ein Museum besuchen will, muss meist persönlich an die Kasse – online reservieren oder kaufen? Das geht nur vereinzelt.
Auch das gemeinsame Ticket für alle städtischen und staatlichen Häuser im Kunstareal ist noch lange nicht in Sicht

Als die Ausstellung „Florenz und seine Maler“ in der Alten Pinakothek vergangenes Jahr eröffnet wurde, bildeten sich lange Schlangen, die quer durch das Kassenfoyer bis nach draußen reichten. Auch in den
Monaten danach kam es immer wieder zu längeren Wartezeiten an den Kassen, weil man bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen keine Einzeltickets online kaufen kann. FOTO: FRANZISKA PIETSCH

NULL ACHT NEUN

Den Nerv


getroffen


Vielleicht können sich die
MünchnerTipps aus Berlin
oder Dresden holen?

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Bürgerfest in der Olympia-Schwimmhalle,


Freitag, 15. November 2019


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So sah die Olympia-Schwimmhalle bei den Olympischen Spielen im Jahr
1972 aus. Und heute?

Kommen Sie am 15. November ab 15 Uhr vorbei und sehen Sie selbst! Wir
feiern gemeinsam mit Oberbürger meister Dieter Reiter und dem SWM
Geschäftsführer Werner Albrecht die Wieder eröffnung – mit einem Tag

der offenen Tür und einem bunten Unterhaltungsprogramm. Von Turm-
springen über Animation im neuen Kinderbereich bis hin zu Kursen
und Schwimmtechniktraining zum Mitmachen ist für jeden etwas dabei.

Wir freuen uns auf Sie und wünschen viel Spaß beim Entdecken,
Schwimmen, Springen, Planschen und Saunieren!
DAS WAR 1972.

NEUGIERIG AUF 2019?

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