Süddeutsche Zeitung - 09.11.2019 - 10.11.2019

(Greg DeLong) #1
von uwe ritzer

S


eit drei Jahren tobt der Straßen-
kampf nun schon, ein Kleinkrieg
der besonderen Art. Zwischen-
durch war ein bisschen Frieden
eingekehrt, aber nun flammt er
wieder auf, heftiger denn je. Es geht um
vier Quadratmeter einer öffentlichen Stra-
ße mitten in der historischen Innenstadt
von Pappenheim. Der Flecken gehört der
Familie von und zu Egloffstein, deren
Oberhaupt Albrecht, 73, seit Jahrzehnten
zu den einflussreichsten Denkmalpfle-
gern in Bayern zählt und zur Staatsregie-
rung und Ministerialbürokratie gute Kon-
takte pflegt. Was ihn und die Seinen nicht
daran hindert, sich zu Hause ein Duell mit
der Kommune zu liefern. Nun droht den
Egloffsteins dort gar eine Enteignung.
An diesem Freitag griff Pappenheims
Bürgermeister Uwe Sinn durch und erließ
einen amtlichen Bescheid mit Sofortvoll-
zug gegen die Familie. Anlass sind Pläne
der Stadt, den größten öffentlichen Park-
platz in der Innenstadt zu sanieren. Er ist
nur über eine Engstelle zu erreichen, in
der die ominösen vier Quadratmeter lie-
gen. Die Straße existiert seit mehr als hun-
dert Jahren, wobei vor sehr langer Zeit von
der Verwaltung versäumt wurde, besagte
vier Quadratmeter auch korrekt als Teil
dieser Straße rechtlich zu widmen. Weni-
ge Tage nun, bevor die Arbeiter zur Park-
platzsanierung anrückten, verbot die Fa-
milie über ihren Anwalt der Baufirma, die
vier Quadratmeter „zu begehen, zu befah-
ren oder anderweitig zu nutzen“. Sie droh-
te andernfalls mit einstweiligen Verfügun-
gen und Schadenersatzforderungen.
Der Bürgermeister ist „dieses lächerli-
che Spielchen um vier Quadratmeter Stra-
ße auf Kosten der Allgemeinheit“ jetzt
leid, wie er sagt. Weshalb Uwe Sinn den Be-
scheid erließ, der die Überfahrt mit soforti-
ger Wirkung gestattet. Seit Jahren bemüht
er sich darum, der Familie die vier Quadrat-
meter für die Stadt abzukaufen, was aber
„für uns nicht in Frage kommt“, wie Desi-
ree Gräfin von und zu Egloffstein als Gene-
ralbevollmächtigte ihrer Familie Ende Ok-
tober nicht zum ersten Mal bekräftigte.
Stattdessen forderte sie im Gegenzug für
eine Abtretung des Straßenflecks weitrei-
chende Zugeständnisse für die Gestaltung
vor dem Schloss, das am Marktplatz steht
und ihrer Familie gehört. „Wenn wir dar-

auf eingehen würden, käme das einer Ent-
eignung des Marktplatzes gleich“, sagt Bür-
germeister Sinn. „Wir müssten künftig je-
de Veränderung auf einer Gesamtfläche
von mehreren Hundert Quadratmetern
von der Grafenfamilie vorher genehmigen
lassen. Das steht in keinem Verhältnis, das
ist absurd.“
Eine friedliche Lösung ist nicht in Sicht,
und wie jeder Konflikt hat auch dieser eine
Vorgeschichte. Sein Ursprung liegt in der
Sanierung des Schlosses, in dem die gräfli-
che Verwaltung sitzt und die Familie offen-
kundig lebt. Bezahlt wurde das Millionen-
projekt hauptsächlich vom Steuerzahler,
unter anderem mit 1,9 Millionen Euro Städ-

tebaufördermitteln. Im Gegenzug für die
Zuwendungen verpflichteten sich die Eg-
loffsteins, in klar festgelegten Bauab-
schnitten ebenso eindeutig definierte Re-
paraturen an dem klassizistischen Schloss
vornehmen zu lassen, das nach Plänen des
königlichen Hofarchitekten Leo von Klen-
ze im frühen 19. Jahrhundert errichtet wur-
de. Vor allem die gammelige Fassade zum
Marktplatz hin sollte saniert werden.
Das allerdings ist bis heute nicht gesche-
hen. Wie sich herausstellte, investierten
die Egloffsteins lieber in andere Arbeiten,
etwa die Aufhübschung ihrer rein priva-
ten, zur Altmühl hin gerichteten Schloss-
Rückseite. So sieht es jedenfalls die Stadt.

Deshalb stoppte sie die Mittelzuwendung
und verlangt eine Rückzahlung von etwa
40000 Euro. Seit geraumer Zeit liegt der
Fall beim Ansbacher Verwaltungsgericht.
All dies soll die Egloffsteins doch sehr
verärgert haben. Die vier Quadratmeter
Altstadtstraße dienen ihnen offenbar als
Druckmittel. Einmal drohten sie gar da-
mit, den Flecken mitten in der Straße zu
umzäunen – kein Auto käme dann noch
zum Parkplatz durch. Das Klima in Pap-
penheim ist über all dies vergiftet: Das ge-
schichtsträchtige Städtchen am Ufer der
fränkischen Altmühl ist so gespalten wie
der Stadtrat. Kritiker nennen Familien-
oberhaupt Albrecht von und zu Egloffstein

kurz „Graf Ego“ und wundern sich, wie die-
ser nach wie vor zweiter stellvertretender
Vorsitzender des bayerischen Landesdenk-
malrates und Mitglied anderer einschlägi-
ger Gremien sein kann. Die Familie hat
aber auch treue Paladine, darunter Stadt-
räte, die dem Bürgermeister und seinen
Unterstützern Vorwürfe machen und ver-
langen, trotz aller Vorschriften gegenüber
„der Grafschaft“ Milde walten zu lassen.
Für Uwe Sinn ist das keine Alternative,
„denn bekanntlich gelten Gesetze und Vor-
schriften in diesem Land für alle gleich.“
Im Kleinkrieg um die vier Quadratmeter
fährt er jetzt scharfes Geschütz auf. Er will
ein Enteignungsverfahren einleiten.

Bamberg– Nach dem Brand einer Fabrik-
halle im größten Werk des Autozuliefe-
rers Bosch in Bamberg ist das stark be-
schädigte Gebäude teilweise einsturzge-
fährdet. Die Halle dürfe derzeit nicht be-
treten werden, sagte ein Polizeisprecher
am Freitag. Es müsse geklärt werden, ob
die Betonträger des Daches halten. Eine
Unternehmenssprecherin sagte auf An-
frage, Statikexperten würden die Halle
untersuchen. Was das Feuer im Produkti-
onsbereich für Galvanik ausgelöst hat,
werde weiter ermittelt, sagte der Polizei-
sprecher. Hinweise auf eine vorsätzliche
Brandstiftung ergaben sich demnach bis-
her nicht. Ob es zu Produktionsausfällen
kommen werde, sei noch nicht abzuse-
hen, sagte die Bosch-Sprecherin. Die Poli-
zei hatte von einem Schaden in Millionen-
höhe gesprochen. Genauer könne die Hö-
he derzeit nicht beziffert werden, hieß es
von Bosch. Am Bamberger Produktions-
standort arbeiten mehr als 7000 Bosch-
Beschäftigte. Alle hatten sich am Don-
nerstag beim Brand in Sicherheit bringen
können. Am Großeinsatz waren mehr als
200 Einsatzkräfte beteiligt. Wegen der
starken Rauchentwicklung hatte die Poli-
zei Anwohner aufgefordert, Fenster und
Türen geschlossen zu halten. dpa


Dieses kleine Stück Straße spaltet eine ganze Stadt. Pappenheims Bürgermeister Uwe Sinn ist nicht mehr bereit, „dieses lächerliche Spielchen auf Kosten der Allgemein-
heit“ mitzumachen. Er droht der Familie von und zu Egloffstein mit Enteignung. FOTO: DANIEL KARMANN/DPA

So erklärt der für die
Wiedereröffnung des
Nürnberger Volksbades
zuständige Stadtsprecher
Christian Pröbiuß dem BR,
warum man Vorschläge aus
der Bevölkerung für den
neuen Wellness- und Sauna-
bereich nicht gelöscht hat.
Auf einen Aufruf der Stadt
hin wurden auch Swinger-
und FKK-Abende angeregt.

Bosch-Fabrikhalle


einsturzgefährdet


Manchmal ist der Freund, Kunde oder
Kollege gerade erst zur Tür hinaus, da
zerreißen sich die ersten schon dasMaul
über ihn. Nicht unbedingt aus bösem
Willen: Das Sprechen fällt halt oft leichter,
wenn das Gegenübernicht direktdarauf
antworten kann. Ein schönes Beispiel
hierfür gab am Donnerstag eine Aktuelle
Stunde im Landtag ab, es ging um„Bay-
erns Wirtschaft im Abwärtssog“. Eigent-
lich ein Thema für Wirtschaftsminister
Hubert Aiwanger(FW), hätte er nicht
gerade zur Kontaktpflege in China ge-
weilt. FDP-ChefMartin Hagennutzte die
Gelegenheit trotzdem, um Aiwanger In-
kompetenz vorzuwerfen: Er schätze den
Kollegen zwar mensch-
lich, „aber für mich ist
er der falsche Mann
zur falschen Zeit im
falschen Amt“. Was
wiederum die Freien
Wähler aufbrachte,
zum BeispielFabian
Mehring: Abzuwarten,
bis Aiwanger in China
sei, und dann zu Hause
die Backen aufblasen, „sei schäbig“. Der-
weil, so berichtet der Bayerische Rund-
funk, soll Aiwanger in China einegute
Figurabgegeben haben. Dokumentiert
wurde bei dieser Gelegenheit auch, dass
Aiwanger auf den gewohntenOpfelsoft
zu verzichten und galant mit Rotwein auf
Gastgeber anzustoßen weiß.
Grund zum Anstoßen hätte diese Wo-
che auchJudith Gerlach(CSU) gehabt.
Mit einer „vorgezogenen Geburtstagspar-
ty“ feierte sie das einjährige Bestehen
ihresDigitalministeriums(FOTO: JOERG
KOCH/STMD). Statt Schampus erwartete die
Gäste allerdings ein großer Kuchen, auf
dem ganz analog Wunderkerzen Funken
sprühten. Auch GerlachsKabinettskolle-
genhätten dieser Tage feiern können,
regiert die Koalition aus CSU und Freien
Wählern doch schon seit etwa einem Jahr.
Mit was oder ob überhaupt darauf in der
Staatskanzlei angestoßen wurde, ist lei-
der nicht überliefert. Überliefert ist dafür,
dass sich die Koalitionäre für die Zeit ihrer
mehr oder weniger freiwilligen Liaison
ein gutes Zeugnis ausstellen. Ein verständ-
liches Ergebnis, schließlich würden sich
auch Schüler nur die besten Noten geben,
wenn da nicht immer diese Lehrer wären.
Naturgemäß fällt denn das Zeugnis durch
dieOppositionetwas weniger berau-
schend aus. Immerhin: Zur Notenvergabe
respektive Pressekonferenz am Montag
saßen Vertreter aller Landtagsparteien an
einem Tisch beisammen. Na ja, fast alle.
DieAfDhatte zwar eine Einladung erhal-
ten, verzichtete aber darauf, diese wahrzu-
nehmen. Stattdessen verschickte die Par-
tei später einePressemitteilungzum
Thema. Mit direkten Widerworten kom-
men halt nicht alle Menschen gleicherma-
ßen gut zurecht. maxi


Augsburg– Sport verbindet. Dafür
braucht es keine gemeinsame Sprache
oder Kultur, sondern nur Teamgeist und
Spaß an der Bewegung. Für das Projekt
„Sport und Integration“ wurde das Frei-
willigen-Zentrum Augsburg am Freitag
von Joachim Herrmann, Innen- und
Integrationsminister, und Regierungs-
präsident Erwin Lohner mit dem Integra-
tionspreis der Regierung von Schwaben
ausgezeichnet. „Wir wollen Sportwillige
aus allen Ländern und Altersgruppen in
Sportvereine integrieren“, sagt Projekt-
leiter Wolfgang Taubert. Flüchtlinge, die
gerne Sport treiben, können sich von
ihm beraten lassen. Er hat es sich zur
Aufgabe gemacht, Migranten und Sport-
vereine zusammenzubringen. Egal ob
Fußball, Eishockey, Schwimmen oder
Boxen: Taubert vermittelt die Flüchtlin-
ge an einen passenden Sportverein oder
organisiert selbst einen Kurs. Außer
Beratung von Vereinen, Informationsver-
anstaltungen und Hilfe bei der Beschaf-
fung von Sportausrüstung gehören auch
internationale Spiel- und Sportfeste in
verschieden Stadtteilen zu dem Projekt.
„Sport ist der einfachste Weg, um Men-
schen an Sprache und Regeln heranzu-
führen und eine Gemeinschaft kennen-
zulernen“, sagt Taubert. „Sport ist eine
tolle Brücke.“
Zum zwölften Mal wurde der Integra-
tionspreis in Schwaben an Initiativen
und Projekte vergeben, die sich für die
Integration von Flüchtlingen und ein
aktives Miteinander von Menschen mit
und ohne Migrationshintergrund einset-
zen. „Bayern ist das Land gelingender
Integration“ sagt Herrmann. Die Preis-
träger „sind diejenigen, die sich tagtäg-
lich vor Ort für Integration einsetzen
und sie mit Leben erfüllen“. Weitere
Preisträger sind der Channel Welcome
(Augsburg), die Faribag Integrations-
werkstatt (Schwabmünchen), Taff
(Kempten) und die Theaterschule mobi-
lé (Marktoberdorf).alsp

„Wendige, witzige
und widersprüchli-
che“Persönlichkeiten
aufgepasst: Am 11. No-
vember wird wieder
derFrankenwürfel
verliehen. Wohl den
meisten fielen da ein
paar potenzielle Preis-
träger aus dem Bekann-
tenkreis ein – es müsste aber ein Franke
sein. Und er müsste die Regierungspräsi-
denten der drei fränkischen Bezirke mit
den drei oben genannten Eigenschaften
überzeugen können. Nach Angaben der
Organisatoren fungiertHans Max Frei-
herr von und zu Aufseßals geistiger und
literarischer Vater der Auszeichnung –
dank seiner Essaysammlung „Der Franke
ist ein Gewürfelter“.
Ansonsten wird sich in Nürnberg die
weihnachtliche Lage weiter zuspitzen,
wenn das frischgekürteChristkind Benig-
na Munsi(FOTO: NICOLAS ARMER/DPA)zur Kos-
tümprobe erscheint. Tatsächlich naht die
Eröffnung desChristkindlesmarktmit
großen Schritten. Traditionell spricht das
Christkind den feierlichen Prolog am
Freitag vor dem ersten Advent, das wäre
also der 29. November. maxi

Wir haben das


nicht gelöscht, weil wir


transparent zeigen


möchten, dass


jeder Wunsch in die Liste


aufgenommen wird.“


Vier Quadratmeter Kampfzone


Im mittelfränkischen Pappenheim spitzt sich ein grotesker Streit um ein winziges Fleckchen Straße zu.
Die Stadt und einer der einflussreichsten bayerischen Denkmalpfleger liegen im Clinch. Doch in Wahrheit geht es um mehr

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Daswar


Helden der Woche


Das kommt


DIE WOCHE


IN STEIN GEMEISSELT


Das Augsburger Projekt
„Sport undIntegration“ wurde mit
einem Preis ausgezeichnet.
FOTO: STEFAN PUCHNER

DEFGH Nr. 259, Samstag/Sonntag, 9./10. November 2019 PLN BAYERN R15


Lehrermedientag


München


Fortbildungsveranstaltung für
Lehrkräfte aller Schularten in Bayern –
Vorträge, Workshops, Diskussionen
und Erfahrungsaustausch.


  1. November 2019, 9:00 bis 13:00 Uhr
    München, Wilhelmsgymnasium


Programm:
Keynote Prof. Dr. Tanjev Schultz, Johannes-Gutenberg-Universität
Mainz: Vertrauen in den Journalismus und Glaubwürdigkeit der
Medien. Im Anschluss finden diverse Workshops zur Vertiefung
des Themas und zum gegenseitigen Austausch statt.

Der Lehrermedientag ist eine gemeinsame Initiative der bayerischen Zeitungen unter der Schirmherrschaft
von Staatsminister Prof. Dr. Michael Piazolo

HEIMATZEITUNGEN MEHR ZEITUNG

Informationen und Anmeldung:
http://www.lehrermedientag.de

Anmeldeschluss
15.11.2019

Wer war der Richter, der im Gerichtssaal die Krawatte des Anwalts zerschnitt und zu den Akten nahm?
Welcher Politiker ist ein Schüler von Jesus Christus und Karl Marx? Und welche Feministin verbündete sich
mit den Männern, weil die ihr dabei helfen sollten, „die Scheiße des Patriarchats“ wegzuräumen?
Das neue Buch von Heribert Prantl ist eine Sammlung von Porträts bekannter und unbekannter Zeitgenossen.
Er geht dabei der Frage nach, wer eigentlich ein Vorbild ist. Ein Vorbild muss nicht perfekt sein, meint Prantl.

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Heribert Prantl
(Jahrgang 1953) ist
Autor und Kolumnist
der Süddeutschen Zeitung,
Dr. jur., gelernter Richter
und Staatsanwalt, war
Mitglied der Chefredaktion
der SZ und 25 Jahre
lang Leiter der innen-
politischen Redaktion.

Foto © Jürgen Bauer
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