POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,6.NOVEMBER2019 SEITE 4
che Erfahrungen haben Sie als
Christdemokrat mit Bodo Ra-
melow und der Linken ge-
macht?
Wir hatten unsere Konflikte.
Ich war einer der Wortführer,
der gegen die geplante Gebiets-
reform zu Felde gezogen ist.
Aber mit Bodo Ramelow konnte
ich mich immer verständigen.
Er ist lernfähig und zu Kompro-
missen in der Lage. Mit der rot-
rot-grünen Regierung haben
wir hier deshalb auch gute Er-
fahrungen gemacht.
Diese rot-rot-grüne Regierung
will Ihr Parteichef Mike Moh-
ring gerne ablösen. Unterstüt-
zen Sie das?
Ich kann ein klares Profil von
Mike Mohring und eine klare
Haltung von ihm immer weni-
ger erkennen. Vor der Wahl hat
er Björn Höcke sogar als „Nazi“
beschimpft, nun scheint er in
Richtung AfD zu blinken. Das
halte ich für unerträglich. Für
mich als katholischen Christen
sind Recht und Gerechtigkeit
entscheidende Werte. Aber die-
ser Grundkanon, diese Grun-
danständigkeit wird von der
hiesigen CDU-Landesführung
leider immer weniger respek-
tiert. Das macht mir Angst.
Ihr CDU-Vorsitzender macht
Ihnen Angst?
Ich bin überzeugter Christde-
mokrat, meine Stimme hat
Mike Mohring bisher immer be-
kommen. Ich würde ihn auch
weiter gerne unterstützen.
Aber das, was ich im Moment
an Herumeiern erlebe, er-
schreckt mich.
Mohring erwägt offenbar
trotz Stimmenverlusten von
fast zwölf Prozentpunkten,
gegen den amtierenden Mi-
nisterpräsidenten im Landtag
anzutreten. Nach Lage der
Dinge bräuchte er dazu auch
Stimmen aus der AfD-Frakti-
on. Was würde das für die
CDU in Thüringen bedeuten?
Es wäre eine geheime Wahl.
Aber auch wenn man nicht ge-
nau wüsste, wer von den AfD-
Abgeordneten Mohring ge-
wählt hätte, wäre das eine poli-
tische Katastrophe. Ein Christ-
demokrat darf nicht mithilfe
der Höcke-AfD an die Macht
kommen. Das ist für mich un-
annehmbar. Wenn Mohring es
dennoch täte, würde es die
Union in weiten Teilen zerrei-
ßen. Wir würden damit unsere
Grundwerte über Bord werfen,
unsere christlich-liberale Hal-
tung verleugnen. Ich bekomme
täglich Mails von Menschen,
die mir schreiben: Wenn das
passiert, ist das nicht mehr
meine CDU.
Auf der anderen Seite wird Ih-
nen vorgeworfen, die CDU zu
spalten, weil Sie für eine Ko-
operation mit der Linkenplä-
dieren.
Das weiß ich. Aber ich spalte
nicht. Ich beharre aber auf eine
Tradition, die hier im katholi-
schen Eichsfeld sehr stark ist und
die mich schon vor der Wende
geprägt hat. Sie lautet, „Christ in
der Zeit“ zu sein. Das bedeutet,
sich nicht durch taktische Manö-
ver verbiegen zu lassen, sondern
zu seinen Werten zu stehen.
Es gibt einen Unvereinbar-
keitsbeschluss der Bundes-
CDU, der lautet: Keine Zu-
sammenarbeit mit der Linken
und der AfD. Halten Sie diese
Festlegung für zeitgemäß?
Für Thüringen ist dieser Be-
schluss überhaupt nicht zeitge-
mäß. Es mag ja sein, dass das
anderswo noch gelten könnte.
Das kann ich nicht beurteilen.
Aber in Thüringen ist die
Gleichsetzung von Linker und
AfD absurd. Deswegen sollte
dieser Parteitagsbeschluss
grundlegend überdacht wer-
den. Ich bemühe mich, im Kon-
sens mit meiner Partei zu blei-
ben. Aber letztlich folge ich als
Christ meinem Gewissen. Und
ich sage: Eine konstruktive Zu-
sammenarbeit von Linker und
CDU wäre in den nächsten Jah-
ren auch im Landtag möglich.
Trotzdem halten das auch vie-
le Christdemokraten für eine
Zumutung, sie sagen: Wir sind
vor 30 Jahren nicht gegen die
SED auf die Straße gegangen,
um heute mit den Nachfol-
gern zu kooperieren.
Ich habe vor 30 Jahren auch ge-
gen die SED demonstriert und
war Teil der friedlichen Bürger-
bewegung. Die SED war auch
mein Gegner. Aber die Linke ist
doch heute nicht mehr die SED!
Sie hat sich in Thüringen unter
Ramelows Führung in eine de-
mokratische Partei verwandelt.
Viele ihrer Positionen finde ich
kritikwürdig, aber man kann zu
Kompromissen kommen. Das
ist jedenfalls meine tägliche Er-
fahrung. Ich werde aus ideolo-
gischen Gründen deshalb nicht
das Gegenteil behaupten.
Wie kann die CDU nun aus
dieser Zerreißprobe heraus-
kommen?
Die Partei hat durch das Koket-
tieren mit der AfDschon gro-
ßen Schaden gelitten. Wenn die
CDU sich nicht auf ihre morali-
schen Grundpositionen be-
sinnt, wird der Auflösungspro-
zess voranschreiten.
Wie meinen Sie das?
Ich warne dringend davor, die-
sen indifferenten Weg weiter-
zugehen. Sollte Mike Mohring
im Landtag mit AfD-Stimmen
gewählt werden, hätte das auch
erhebliche Konsequenzen auf
der Straße. Ein anständiges
Thüringen wird sich das nicht
gefallen lassen.
W
erner Henning
ist einer der er-
folgreichsten
Kommunalpoli-
tiker in Thüringen. Seit 30 Jah-
ren wird der Christdemokrat
immer wieder zum Landrat im
katholischen Eichsfeld gewählt,
zuletzt mit mehr als 80 Prozent
der Stimmen. Um seine Partei
und ihren Kurs macht sich der
63-jährige Eichsfelder aber gro-
ße Sorgen.
VON CLAUS CHRISTIAN MALZAHN
WELT:Herr Henning, in der
Thüringer CDU tobt eine Dis-
kussion darüber, wie es nach
der Wahlniederlage vor zehn
Tagen weitergehen soll. Nun
haben sich 17 Kommunalpoli-
tiker der Union mit einem Pa-
pier zu Wort gemeldet und er-
gebnisoffene Gespräche mit
der AfD gefordert. Was halten
Sie von dieser Forderung?
WERNER HENNING:Ich halte
gar nichts von dieser Forde-
rung. Jetzt ist in der CDU vor
allem eine christliche Grund-
haltung gefragt. Ich kenne die
neue Zusammensetzung der
AfD-Fraktion im Landtag noch
nicht. Aber ich kenne die Füh-
rung der AfD. Björn Höckeist
politisch total verbrannt. Er ist
ein Zerrbild dessen, was wir mit
konservativen Werten verbin-
den. Ich halte es für unannehm-
bar, mit einer Partei oder Frak-
tion Gespräche zu führen, die
von so einem Mann repräsen-
tiert wird.
Das Wahlergebnis hat keine
klaren Mehrheiten ergeben.
Aber die Linke ist in Thürin-
gen die stärkste Partei. Wel-
EICHFELDWERKE GMBH
/ ALEXANDER KLINGEBIEL
„Mohrings Blinken zur
AfD ist unerträglich“
Während einige
Thüringer
Christdemokraten
eine Öffnung zur
AfD fordern, glaubt
der Eichsfelder
CDU-Landrat
Werner Henning:
Das würde seine
Partei zerreißen
DEUTSCHLAND
Frauke Petrys Blaue
Partei löst sich auf
Nach Wahlschlappen in Sach-
sen und Thüringen will sich
die Blaue Partei der früheren
AfD-Chefin Frauke Petry bis
Jahresende auflösen. „Unser
freiheitlich-konservatives
Politikangebot ist sowohl in
Sachsen als auch in Thürin-
gen vom Wähler klar abge-
lehnt worden. Es ist daher
konsequent, wenn auch
schmerzlich, unser Projekt an
dieser Stelle zu beenden“,
erklärte Petry in Dresden. Die
Auflösung der Partei sei am
Wochenende auf einem Par-
teitag in Döben bei Grimma
beschlossen worden. Für sie
persönlich ergebe sich daraus
mittelfristig der Abschied aus
der aktiven Politik.
ANTISEMITISCHE LIEDER
Jugendlichen drohen
Schulstrafen
Nach einem mutmaßlich
antisemitischen Zwischenfall
auf einer Studienfahrt zum
ehemaligen Konzentrations-
lager Buchenwald drohen den
drei verdächtigen Jugend-
lichen auch schulrechtliche
Konsequenzen. Wie ein Spre-
cher des zuständigen Schul-
amtes mitteilte, wird sowohl
über pädagogische Maßnah-
men als auch über entspre-
chende Ordnungsmaßnah-
men nachgedacht. Damit
könnten die 14-Jährigen, ge-
gen die die Polizei ermittelt,
im schlimmsten Fall der
Schule verwiesen werden.
„Der Fall wird schulisch auf
unterschiedlichen Ebenen
aufgearbeitet“, bestätigte der
Leiter der betroffenen Theo-
Koch-Schule im mittelhessi-
schen Grünberg, Jörg Keller.
BUNDESRAT
Kretschmann ist
gegen Klimapaket
Ministerpräsident Winfried
Kretschmann will sich im
Bundesrat gegen das Klima-
paket der Bundesregierung in
seiner jetzigen Form stellen.
„Die Grünen werden so ein
Paket nicht befürworten, das
weder in der Wirkung noch
in der notwendigen Ge-
schwindigkeit hält, was es
verspricht“, sagte der Grü-
nen-Politiker in Stuttgart.
Diesen Freitag ist das Paket
erstmals Thema im Bundes-
rat, eine Entscheidung darü-
ber soll erst Ende November
fallen. Teile der Klimabe-
schlüsse sind zustimmungs-
pflichtig, sie brauchen eine
Mehrheit in dem Länder-
gremium.
KOMPAKT