POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,31.OKTOBER2019 SEITE 4
Punkte-Plan über Maßnahmen
zur Bekämpfung von Rechtsex-
tremismus und Hasskriminalität,
den die Regierung verabschiede-
te, enthält auch eine Passage zur
Stärkung der Präventionsarbeit
gegen Rechtsextremismus. Pro-
gramme zur Förderung der De-
mokratie und zur Sensibilisie-
rung gegen Extremismus, Rassis-
mus und Antisemitismus sollen
eine ständige Förderung „auf ho-
hem Niveau“ erhalten, beschloss
das Kabinett. Man setze sich für
eine „längerfristige und nachhal-
tige Förderung zivilgesellschaft-
lichen Engagements“ ein. Das
dürfte zumindest ein erster
Schritt in Richtung eines Demo-
kratiefördergesetzes sein, wie es
Giffey vorschwebt. Seehofer ver-
wies allerdings auf Vorbehalte in
der Unionsfraktion gegen eine
gesetzliche Neuregelung. „Trotz-
dem bin ich der Meinung, dass
wir die rechtlichen Grundlagen
weiter prüfen und diskutieren
müssen“, sagte der CSU-Politi-
ker. Wenn klarer sei, worum es
bei einem neuen Gesetz gehen
solle, sei es „leichter, dafür Zu-
stimmung zu bekommen“.
Giffey begrüßte, dass es nun
zumindest eine „klare Verabre-
dung über Planungssicherheit“
für die Präventionsarbeit gebe
und dass die Kürzungsdebatte
erst einmal vom Tisch sei.
Gleichwohl bleibe sie dabei: „Ein
Demokratiefördergesetz wäre
ein großer Schritt hin zu dauer-
hafter Finanzierung.“ Dies sei
wie bisher über Modellprogram-
me „nur begrenzt zu machen“.
Neben dem Ausbau der Prä-
ventionsarbeit enthält der Neun-
Punkte-Plan der Bundesregie-
rung eine Reihe weiterer Maß-
nahmen. Gegen Hass, Rechts-
extremismus und Antisemitis-
mus müssten „sämtliche rechts-
staatliche Mittel“ eingesetzt wer-
den, heißt es in der Vorlage. „Das
Signal ist klar: Wir handeln und
lassen unseren Worten Taten fol-
gen“, sagte Seehofer.
Eine der wichtigsten Neurege-
lungen richtet sich an Internet-
unternehmen: Soziale Netzwerke
sollen verpflichtet werden, straf-
bare Inhalte künftig aktiv den Si-
cherheitsbehörden zu melden.
Im Falle des begründeten Ver-
dachts müssen sie auch die IP-
Adresse der Nutzer herausgeben,
um eine Strafverfolgung zu er-
möglichen. Die Auskunftspflicht
soll vor allem bei Morddrohun-
gen und Volksverhetzung gelten.
Aggressive Beleidigungen und
Hetze im Netz sollen künftig här-
ter bestraft werden können. Da-
mit werde berücksichtigt, dass
Beleidigungen besonders folgen-
schwer sein können, weil sie eine
„unbegrenzte Reichweite“ erzie-
len und wegen der „vermeintli-
chen Anonymität im Netz oft
sehr aggressiv“ ausfielen, heißt
es in dem Kabinettsbeschluss.
Kommunalpolitiker sollten der
Vorlage zufolge einen besonde-
ren Schutz gegen Beleidigungen
und üble Nachrede auch im In-
rechtsextremen Anschlag in Hal-
le verabschiedet hat. Man habe
sich verständigt, dass „Demokra-
tie leben“ bis 2023 mit jeweils
mindestens 115,5 Millionen Euro
jährlich weiterfinanziert werden
soll. Darüber hinaus werde sie
sich für eine weitere Erhöhung
einsetzen, versprach Giffey. „Es
ist ein wichtiger Punkt, dass wir
jetzt eine klare Verabredung über
Planungssicherheit in den nächs-
ten vier Jahren haben.“
Erst am Vortag hatte sich Gif-
fey mit Vertretern jüdischer Or-
ganisationen getroffen und über
den wachsenden Antisemitismus
und die Wichtigkeit von Demo-
kratieförderung ausgetauscht.
Für den Frust der Träger zeigte
sie dort Verständnis. „Ich verste-
he jede Initiative, die enttäuscht
ist, weil sie eine Förderung bean-
tragt hat, sie aber nicht bewilligt
bekommt.“ Mit 1000 Förderan-
trägen für Modellprojekte sei die
Nachfrage für die nächste För-
derperiode von „Demokratie le-
ben“ aber enorm hoch gewesen.
„Wir sind ein bisschen von unse-
rem eigenen Erfolg überrollt
worden.“ In der letzten Förder-
periode 2015 bis 2019 hatte das
Ministerium 275 bundesweite
Modellprojekte gefördert. Aus
der Evaluierung habe sie aber die
klare Rückmeldung erhalten, lie-
ber einige größere Projekte zu
fördern als viele kleine, sagt Gif-
fey. Mehr Geld fließt auch in
kommunale Partnerschaften für
Demokratie und die 16 Landesde-
mokratiezentren, die ihrerseits
wieder mehr als 4000 Projekte
vor Ort fördern.
Eine langfristige und struktu-
rell angelegte Finanzierung aber
ist das nicht. Um gute und sinn-
volle Initiativen auch dauerhaft
zu fördern und auf finanziell soli-
de Beine zu stellen, brauche es
ein Demokratiefördergesetz,
glaubt Giffey. „Für den sozialen
Frieden und den sozialen Zusam-
menhalt in Deutschland ist die
Demokratieförderung nicht nur
mal eine Projektaufgabe, son-
dern eine Daueraufgabe, die le-
bensnotwendig für den Erhalt
der Demokratie ist.“
Ein erstes Ziel erreichte Giffey
im Bundeskabinett. Der Neun-
S
eyran Ates ist schwer
enttäuscht. Eigentlich
habe sie immer sehr
große Stücke gehalten
auf Franziska Giffey, die Bundes-
familienministerin von der SPD.
Mit einem großen Blumenstrauß
sei sie einmal in die von Ates ge-
gründete liberale Ibn-Rushd-
Goethe-Moschee gekommen,
stets habe die Sozialdemokratin
versichert, wie wertvoll die Ar-
beit sei, die dort geleistet wird.
VON SABINE MENKENS
Und jetzt das: Der Förderan-
trag für das Projekt gegen religi-
ös motivierten islamischen Anti-
semitismus, das Ates hier auf die
Beine stellen wollte, wurde abge-
lehnt. Ausgerechnet in Zeiten, in
denen der Antisemitismus sich
wieder ausbreitet hierzulande.
Von rechter, linker und islami-
scher Seite.
Ates’ Modellprojekt ist eines
von Hunderten Projekten, die für
die nächste vierjährige Förderpe-
riode des Programms „Demokra-
tie leben“ des Familienministeri-
ums durch die Vorauswahl fielen.
Obwohl Giffey ihr bereits Unter-
stützung signalisiert habe, wie
Ates sagt. „Ich bin extremst ent-
täuscht von ihr“, sagt Ates. „Sie
hat nicht Wort gehalten.“
Die Rechtsanwältin und Frau-
enrechtlerin hat an diesem Mitt-
wochmittag gemeinsam mit vier
anderen Vertretern zivilgesell-
schaftlicher Initiativen zu einer
Pressekonferenz geladen. Thema
sollte die Umstrukturierung
sein, die bei „Demokratie leben“
vorgenommen wurde und die da-
zu führt, dass künftig weniger
Geld in Modellprojekte fließt.
Vor allem aber sollte es um die
Mittelkürzungen gehen, die dem
Programm ab dem Jahr 2021
drohten.
Doch just als die Initiativen
zur Klage ansetzen, tritt Giffey
mit Innenminister Horst Seeho-
fer (CSU) und Justizministerin
Christine Lambrecht (SPD) vor
die Presse und präsentiert ein
Maßnahmenpaket gegen Rechts-
extremismus und Hasskriminali-
tät, das die Regierung am Mitt-
woch als Reaktion auf den
E
in bayerischer Gastwirt
hat seine Räume schon ein
paar Mal an die AfD ver-
mietet. Künftig wird er das aber
nicht mehr tun, und einen be-
reits geschlossenen Mietvertrag
für eine weitere Parteiveranstal-
tung hat er gekündigt. „Es tut
mir leid“, schreibt er in einer an
die AfD gerichteten Mail, „ich ha-
be Angst um unsere Gesundheit,
unser Hab und Gut und um das
Wohl der Gäste.“ Immer wieder
bekomme er Mails, auch Anrufe,
„es wird uns gedroht“. Ein ande-
rer Wirt aus Bayern schrieb vor
zwei Tagen an die AfD, dass er
wegen der „zahlreichen Be-
schwerden und Drohungen“ den
vereinbarten Termin storniere.
In Zukunft nehme er „keine Ter-
mine und Veranstaltungen an“.
Die Mails der Gastwirte wurden
WELT von der Partei vorgelegt.
VON MATTHIAS KAMANN
ÄÄÄhnlich in Berlin. Der dortigehnlich in Berlin. Der dortige
AAAfD-Landesverband sucht seitfD-Landesverband sucht seit
Monaten einen geeigneten Raum
fffür einen Landesparteitag am 9.ür einen Landesparteitag am 9.
und 10. November – findet aber
keinen. Mal muss ein beschaulich
gelegenes Hotel, das schon die Be-
reitschaft zur Vermietung signali-
siert hatte, im Internet zur Kennt-
nis nehmen, dass Antifa-Gruppen
den Landesparteitag bei einer
KKKundgebung vor Ort „zu Breiundgebung vor Ort „zu Brei
stampfen“ wollen. Mal teilt ein
potenzieller Vermieter der Partei
mit, man habe sich „untereinan-
der beraten“ und sei zu dem
Schluss gekommen, dass man
„„„wegen dem medialen Interessewegen dem medialen Interesse
aaabsagen“ müsse. Dabei ist media-bsagen“ müsse. Dabei ist media-
les Interesse für Gastwirte doch
eigentlich gut; sie werden dadurch
bekannt. Aber im Zusammenhang
mit der AfD kann solche Bekannt-
heit auch Drohungen oder sogar
Gewalttaten nach sich ziehen.
Rund 100 Absagen habe man
sich schon eingehandelt, sagte
der Berliner AfD-Landesvorsit-
zende Georg Pazderski bei einer
Pressekonferenz am Dienstag.
Am Mittwoch fuhr er nach
WELT-Informationen zusam-
men mit Landesgeschäftsführer
Alexander Bertram neuerlich
durch die Hauptstadt und an-
grenzende Gebiete in Branden-
burg, um sich mögliche Aus-
weichquartiere anzusehen. Die
Zeit bis zum geplanten Partei-
tagstermin wird knapp. Und sie
drängt umso mehr, als die Neu-
wahl des Vorstands ansteht, der
schon aus rechtlichen Gründen
nicht länger im Amt bleiben darf.
Zwar macht die Partei keine
Angaben dazu, wie viele der ange-
sprochenen Vermieter aus Angst
vor Einschüchterung oder Gewalt
aaabgesagt haben – und wie vielebgesagt haben – und wie viele
Gastwirte oder Hoteliers in freier
unternehmerischer Entscheidung
der Partei von sich aus die Tür ge-
Ein Mietvertrag mit
der AfD kann
gefährlich werden
Die Partei hat Probleme, Veranstaltungsräume
zu finden. Schuld seien Drohungen gegen
Wirte. Besonders eng wird es in Berlin
Bundesfamilienministerin
FFFranziska Giffey (SPD)ranziska Giffey (SPD)
bekommt Gegenwind
AFP
/ TOBIAS SCHWARZ